Deviatkin in Canberra erfolgreich
Text und Fotos: Dejan Bojkov
Der diesjährige Doeberl-Cup schien ein bisschen schwächer besetzt zu sein als
letztes Jahr. Das indische Kontingent, das sonst immer dabei ist, fehlte. Allerdings
waren vier Großmeister angereist, um an dem Turnier teilzunehmen, und dazu noch
die Hälfte der insgesamt vier australischen Großmeister, nämlich Smerdon und
Johansen. Der dritte australische Großmeister, Zhao, tritt dann beim bevorstehenden
Sydney International Open an, und der vierte australische Großmeister, kein
Geringerer als Ian Rogers, glänzte das ganze Turnier hindurch als Kommentator.
GM Rogers kommentiert die laufenden Partien. Übrigens hat kein anderer
Spieler den Doeberl-Cup so oft gewonnen wie Rogers. Zwölf Mal war er alleiniger
oder geteilter Sieger.
Unterstützt wird Rogers bei der Analyse von einem jungen Mann, der berichtet,
was die Engines so vorschlagen.
Rogers' Publikum.
Wegen beruflicher Verpflichtungen begann GM Smerdon das Turnier mit einem kampflosen
Remis, genau wie Arianne Caoili, Australiens Nummer Eins bei den Frauen, die
dann auch gleich in Runde zwei kampflos Remis machte.
Arianne Caoili
In Canberra sind kampflose Remis in den ersten Runden erlaubt. Das Turnier fand
erneut im Hellenic Club statt und die Titelträger starteten gut ins Rennen.
Bei zwei Runden pro Tag war der Turnieräquator schnell überquert und nach sechs
Runden lag Andrey Deviatkin mit 5,5 Punkten allein an der Spitze. Langsamer
ging es in Runde sieben zu, was vor allem an Daryl Johanson lag, der sich alle
Mühe gab, um gegen den jungen Mountlyn Ly zu gewinnen. Die Partie dauerte mehr
als 150 Züge, und dann gelang es Johansen schließlich, das schwer zu verteidigende
Endspiel Turm und Läufer gegen Turm in einen Gewinn zu verwandeln. Da die Partie
so lange gedauert hatte, begann die achte Runde eine halbe Stunde später. Allerdings
kam diese Seeschlange beide Spieler teuer zu stehen, denn beide verloren in
der darauf folgenden Runde.
Das ganze Turnier hindurch gab es bemerkenswert lange, ausgekämpfte Partien.
Das liegt unter anderem an den Sonderpreisen, die beim Doeberl Cup vergeben
werden, und die man nur bekommt, wenn man während des ganzen Turniers keine
Partie vor dem dreißigsten Zug Remis gemacht hat - und nicht weniger Punkte
hat als der Spieler, der in der letzten Runde an Brett Vier sitzt.
Die Lage vor der Schlussrunde versprach Spannung. Zwei Spieler mit je 6,5 Punkten
mussten mit Weiß gegen zwei GMs mit je 6 Punkten antreten.
An Brett drei gelang es dem an Eins gesetzten Sune Berg Hansen, der vor der
Schlussrunde ebenfalls 6 Punkte hatte, Lokalmatador Eugene Schon zu besiegen.
Sune Berg Hansen wurde am Ende Dritter. Charles Bishop überreicht den Pokal.
Ich spielte an Brett zwei gegen David Smerdon und misshandelte die Eröffnung
kolossal. Die Gefahr, ein Lehrbuchspiel dafür zu liefern, wie man in der Eröffnung
nicht spielt, war durchaus vorhanden, aber der Australier war ebenfalls nervös
und bot mir nach einer Reihe von Ungenauigkeiten Remis an, das ich dankbar annahm.
Da stand ich allerdings schon deutlich besser.
David Smerdon
Den Mutigen gehört das Glück. Und so hatte unterdessen Andrei Deviatkin den
Mut bewiesen, ein ähnliches Remis gegen den georgischen GM David Arutinian abzulehnen.
Dann gewann Deviatkin erst einen Bauern, dann einen zweiten und verwandelte
das Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern schließlich zum Sieg. Damit setzte
sich der Russe mit 7,5 aus 9 allein an die Spitze des Feldes, wobei ihm dieser
Sieg zugleich einen Anteil am mit 1.000 Dollar dotierten Preisfonds für besonderen
Kampfgeist sicherte.
Andrey Deviatkin
Die beiden anderen Spieler, die sich einen Teil dieses Preises holten, waren
Max Illingworth und Akshat Khamparia. Beide erzielten eine 2450+-Performance,
aber da die technischen Voraussetzungen nicht erfüllt waren, holten sie damit
keine IM-Norm.
Während wir uns um den Preisfonds kümmerten, amüsierten sich die Australier
in der Lobby mit einem Spiel namens "Two Up". Dieses recht einfache Wettspiel
haben die australischen Soldaten während des Ersten und Zweiten Weltkriegs gerne
gespielt und es ist fester Bestandteil australischer Erinnerungskultur.
Beim Two Up
In Anspielung auf den Beatles-Film und Song "A Hard Days Night" lautete einer
der Slogans auf den Doeberl Cup T-Shirts dieses Jahr "It's been a hard day's
knight". Doch auch ein anderer Slogan sorgte für Aufmerksamkeit: Er lautete
"Lost your bishop? Better start praying now…" (Wortspiel mit der doppelten Bedeutung
von "Bishop", was sowohl Läufer als auch Bischof bedeuten kann. Also: "Den Läufer
verloren? Fang besser an zu beten…".) Das stand auf dem T-Shirt eines zwei Meter
großen Hünen namens Charles Bishop, dem Organisator des Turniers. Tatsächlich
wäre es nicht gut für den Doeberl Cup, wenn dieser Bishop verloren ginge, denn
er übernimmt eine Fülle organisatorischer Aufgaben. Seine Frau Laura ist ebenfalls
an der Organisation des Turniers beteiligt und seine Kinder spielten mit. Charles
stand uns auch bei unseren Ausflügen in das australische zur Seite, er zeigte
uns frei laufende Kängurus und lud uns zu einem phantastischen Essen ein. In
den Jahren zuvor hat er die Gastspieler sogar eigenhändig mit einem Bus von
Canberra nach Sydney (etwa 250 Kilometer) gebracht, damit sie im zweiten Turnier
spielen konnten. Nächstes Jahr feiert der Doeberl-Cup 50-jähriges Jubiläum.
Wir freuen uns schon darauf.
Emma Guo
Bobby Cheng
In Canberra gingen Spieler aller Altersklassen an den Start.
Der australische IM Stephen Solomon
Impressionen
Gut getarnte Känguruhs
Noch einmal Känguruhs
Der berühmte australische Gummibaum