Ukrainische Meisterschaft 2004
Kharkov, 23.August bis 2.September
Von Olga Alexandrova,
Übersetzung aus dem Russischen: Thomas Lemanczyk


Schied früh aus, bleib aber gut gelaunt: Ivanchuk

Ivanchuk und Justitia

Am 22.
August 2004 feierte die Stadt Kharkov (dies die eingebürgerte
russisch-englische Schreibweise, auf Ukrainisch: Harkiv) ihr 350jähriges
Bestehen. Um diesem denkwürdigen Datum gebührende Würdigung angedeihen zu
lassen, beschloss man, die Ukrainische Schachmeisterschaft in Kharkov
auszutragen.

Der Präsident des Ukrainischen Schachverbandes Petrov


Die Eröffnungsfeierlichkeiten
Außer Ruslan Ponomariov und Vladimir Baklan nahmen die besten Schachspieler der
Ukraine teil, im gesamten 32, darunter drei Frauen.

Areshchenko-Zhukova

Kateryna Lahno


Lahno-Goloshchapov
Der Preisfond betrug 10.000 Dollar. Zum ersten Mal wählte man
das KO-System, die Zeitkontrolle war 90 Minuten plus 30 Sekunden pro Zug für
die gesamte Partie. Zunächst spielte man zwei klassische Partien, sollte der
Stand 1-1 sein, wurden zwei Schnellpartien angesetzt, führten diese auch nicht
zum Matchentscheid, so folgten zwei Blitzpartien, bei weiterem Gleichstand dann
eine „Sudden-death“-Partie, bei der Weiß 6, Schwarz 5 Minuten Bedenkzeit hatte,
Schwarz aber ein Remis zum Weiterkommen genügte.
Spielort war der tags zuvor vom Präsidenten der Ukraine Leonid Kučma eröffnete
„Studentenpalast“ der Nationalen Juridischen Akademie, benannt nach Jaroslav
Mudryj. Die Spielbedingungen waren rühmenswert und entsprachen dem hohen Niveau
der Ukrainischen Landesmeisterschaft.

Das Hotel, in dem die Spieler untergebracht waren


Die juristische Akademie: hier wurde das Turnier gespielt

Der Turniersaal


Demobretter


Bereits die erste Runde sorgte für Überraschungen, da nicht wenige
Elo-Favoriten aus dem Rennen schieden. Die Hauptsensation stellte die
Niederlage Pavel Eljanovs (2613) gegen den wenig bekannten Michail Oleksienko
(2424) dar.

Olekseenki-Eljanov

Olekseenki
In der zweiten Runde gelang Oleksienko dann die zweite
Sensation als er Sergej Fedorčuk (2569) besiegte. Erst in der dritten Runde
unterlag er dem späteren Silbermedaillengewinner Anton Korobov.

Korubov gewann Silber

Miroshnichenko-Korobov,

Korobov-Goloshchapov
Das Jungtalent Sergej Karjakin unterlag in der ersten Runde
einem anderen Jungtalent, Jurij Kuzubov, mit ½-1½. Seine Niederlage erklärte er
damit, dass sein heftiger Wunsch, mit den weißen Steinen zu siegen nach hinten
losging. Er bemerkte, dies wäre sein fünftes KO-Match in seinem Leben, und
jedesmal verlor er in der ersten Runde.

Sergey Karjakin mit Vater

Efimenko-Kobilin
Für viele sehr unerwartet war auch die Niederlage von Vasilij Ivančuk in der
zweiten Runde. Er unterlag mit ½-1½ Oleg Romanišin, einem Veteranen des
Ukrainischen Schachs. Nachdem er die erste Partie mit Schwarz verloren hatte,
gelang es ihm nicht, in der zweiten auszugleichen, obwohl er nahe am Sieg war.
Alle drei Mädchen schieden schon in der ersten Runde aus, aber es gelang ihnen,
jedenfalls zeitweise, ihren klar überlegenen Gegnern etwas auf die Nerven zu
gehen.

Kateryna Lahno


Ivanchuk, Romanishin

Ivanchuk bei der Analyse

Ivanchuk als Zuschauer


Romanishin
Der spätere Meister der Ukraine, der 18jährige Andrej Volokitin (2638) aus Lviv,
spielte ein sehr gleichmäßiges Turnier. Kein Mal brauchte er in ein Tie-break
zu gehen, er besiegte seine Gegner jeweils in klassischer Bedenkzeit. Nachdem
Ivančuk in der zweiten Runde ausgeschieden war, prophezeite man gerade ihm am
ehesten den Sieg. So kam es dann schließlich. In einem Interview nach dem
Turnier bemerkte er, dass er über seinen Sieg ganz und gar nicht euphorisch
oder emotional sei, ein ganz ähnliches Resultat hätte er für sich erwartet.

Efimenko-Volokitin

Matjushin-Volokitin

Goloshchapov


Goloshchapov-Moissenko
Eine Überraschung für alle war der Silbermedaillengewinn von
Anton Korubov
(2565). In der zweiten Runde verlor er die erste Partie gegen Evgenij
Mirošničenko und es schien, dass das Match schnell mit Mirošničenkos Sieg enden
würde. Aber Anton riß sich zusammen und gewann die zweite klassische Partie,
hielt dann im Schnellschach das Unentschieden und überspielte im Blitzen
Evgenij klar. Das Endergebnis war 4-2. In den folgenden Matchen spielte er
interessant und einfallsreich, erst im Finale unterlag er Volokitin mit ½-1½.

Die vier Finalisten
Aleksandr Moiseenko (2640), der den dritten Platz belegte, ist in der
Schachwelt bereits ein alter Bekannter. Im Turnier wies er die zweitbeste
Ratingzahl auf und war einer der Favoriten. Er spielte das Turnier sehr
gleichmäßig und brauchte kein Tie-break zu spielen, erst im Halbfinale unterlag
er Volokitin ½-1½. Danach gewann er die Bronzemedaille gegen Aleksandr
Gološčapov mit dem gleichen Ergebnis.


Moiseenko

Moiseenko-Areshenko

Ponomariov als Zuschauer


Die beiden Halbfinals auf der Bühne des Theaters



Nicht ganz voll das Theater zu diesem Zeitpunkt

Tukmalov und Moiseenko

Volokitin mit seinem Vater

Das Turnier erregte großes Interesse im Umkreis und viele Zuschauer und
Kiebitze fanden sich ein. Die Atmosphäre war bestens und die Organisation
erreichte Spitzenniveau. Obwohl es einerseits hohe Qualität gab, so zeigten
sich andererseits auch die Unzulänglichkeiten des KO-Systems...

Die Finalisten und das Organisationskomitee

Silber, Gold, Bronze

Medaillen

Das Preiskomitee

Trophäen

Hauptschiedsrichter Bodankin Leonid Markovich
Reise durch Kharkov:

Blick auf die Stadt Kharkov

Gasprom Sverhu

Vertoleta



Uspenskij sobor

Der Siegesplatz

Der Siegesplatz mit Feuerwerk zur 350-Jahr-Feier

Zarkalnaja struja

Stadtverwaltung

Altes Gebäude in der Innenstadt
Im Jahre 1654 wurde Kharkov als Festung erbaut. Es wurde nach der Revolution
1917 zur ersten Hauptstadt der Ukraine (1917-1934). Zur Zeit ist Kiev die
Hauptstadt, Kharkov nimmt in Größe und Bedeutung den zweiten Rang in der
Ukraine ein.

Der Bahnhof


Schild am Bahnhof

Blick auf den Bahnhofsplatz bei Nacht
Kharkov hat 1,5 Millionen Einwohner, von denen die eine
Hälfte Russen, die andere Hälfte Ukrainer sind. Offizielle Sprache ist
Ukrainisch.

Vater Fjodor aus "Die 12 Stühle" als Denkmal
Vater Fjodor ist eine Figur aus dem berühmten
Gauner-Roman "Die 12 Stühle", geschrieben von Ilya Ilf (Pseudonym von Ilya
Arnoldovich Fainzilberg, 1897-1937) und Yevgeny Petrov (Pseudonym von Yevgeny
Petrovich Kataev, 1903-42), die beide aus Odessa stammten. Es ist die
Geschichte des Gauners Ostap Bender, der ohne Geld, quer durch die Sowjet Union
reist, auf der Suche nach einem von insgesamt 12 Stühlen, in dem wertvolle
Juwelen versteckt sind. Sein Rivale ist Fjodor, der ebenfalls des Geheimnis der
Stühle kennt. Der Roman wurde zu einem der der erfolgreichsten Bücher der
Sowjet Union. Das vielleicht berühmteste Kapitel behandelt den
"Interplanetarischen Schachkongress".
Der Interplanetarische Schachkongress (Engl. aus Die 12 Stühle")...
The 12 Chairs (aus dem Russischen ins Englische übersetzt)...
Die Geschichte der 12 Stühle wurde, teils in
abgewandelter Form auch im Westen mehrfach verfilmt, u.a. von Mel Brooks. Eine
deutsche Übersetzung des Romans ist bei Luchterhand erschienen.


Ein T34 als Denkmal in der Nähe des historischen Museums
aufgestellt
Der russische T34 war einfacher gebaut als die deutschen
Panther und Tiger-Panzer, aber dadurch auch robuster und schneller
herzustellen. Er wurde hier in Charkov in Massenproduktion gefertigt. Die Stadt
selbst war im Zweiten Weltkrieg heftig umkämpft und wechselte mehrfach den
Besitzer. Allein über 40.000 deutsche Soldaten fielen in den Schlachten um die
Stadt, Rotarmisten noch mehr.

Der Flughafen von Kharkov mit Raketen

Ein Götzenbild für König Fußball, auch hier.

Gasprom - Gebäude der Administration der Industrie
Seit 1972 gibt es in Kharkov eine Metro, zur Zeit fahren drei
Linien. Kharkov ist eine Studenten- und Industriestadt. Es werden immer mehr
und größere Unternehmen und Fabriken gebaut. Das Orthodoxe Christentum ist tief
verwurzelt. Folgende Flüsse umspülen die Stadt: Kharkov, Lopan, Udi und
Nemižlja.

Kirchen in Kharkov


"Blagoveshenskie" Kirche, vorne Olga Alexandrova

Die 1990 neu erbaute Oper

Die über 200 Jahre alte Karazin Universität

Ukrainische Volkskunst



Souvenirs

Die Metro von Kharkov

Auch dies eine Metro-Station

Das 1935 erbaute Shevchenko-Monument

Der Maler und Dichter Taras Grigorievich Shevchenko (1814–61)
bemühte sich um eine eigenständige von Russland verschiedene ukrainische Kultur
und erhob mit seinen Werken das Ukrainische zur Literatursprache. Heute wird er
als ukrainischer Nationaldichter verehrt.
Einen sehr lesenswerten Artikel, "Der Blues spielt im Osten",
mit Impressionen zu Kharkov veröffentlichte der Wuppertaler Schriftsteller
Michael Zeller in der Zeitschrift MERKUR, Nr. 661, Mai 2004:
www.online-merkur.de/seiten/lp200405a.php (evtl. nur noch über den
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