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Cheaten gehört sich nicht!, wie wir alle wissen – und schöner ist es ohnehin, sich die ELO-Punkte im Schutze seiner Kaffeetasse selber zu verdienen (wenn es denn klappt). Cheaten klingt dabei ja beinahe nach Nonchalance, nach Kavaliersdelikt und einer gewissen Gerissenheit. Wir alle aber wissen (hoffentlich), dass es nichts anderes ist als finsteres Betrügen und elendes Täuschen der Spielpartner am Schachbrett. In den Staub mit Euch, Ihr Cheater der Welt!
So sah es auch Chief Magnus Carlsen, der vor Kurzem ja mit erheblichen Betrugsvorwürfen gegen Hans Moke Niemann ein riesengroßes Fass aufmachte. Geklärt ist hier noch nichts, wenngleich einige Indizien gegen GM Niemann sprechen. Doch reicht das schon aus für ein ganz eindeutiges Bild? Wir sind uns da in der Redaktion wie immer nicht ganz sicher. –
So selten wie eine ostfriesische Deichkatze ist der Cheater, der über sein Handwerk offen spricht. Vegane Schachkatzen, der Blog für hinter den Kulissen, führte bereits vor einigen Jahren ein investigatives Interview mit einem anonymen Cheater, dessen Namen wir auch schon längst wieder vergessen haben.
Hier unsere Mitschrift über die maximal melancholische Mogel-Monotonie zwischen mehreren Morsetönen.
„Na gut, etwas langweilig ist es ja schon mit dem ganzen Cheaten. Das sind vier lange Stunden bei so einer Turnierpartie, oft mehr, ein halber Arbeitstag. Seit ich nicht mehr selber denken muss und mir mein Computer die Züge schickt, habe ich ja nicht mehr viel zu tun am Brett. Immerhin gewinne ich jetzt immer in der letzten Zeit, dafür lohnt sich der Aufwand schon. Aber langweilig ist es, lang-wei-lig, oh Mann.
(gähnt)
Wann kommt denn endlich der nächste Zug? Will er denn gar nicht mehr ziehen? Cheaten schön und gut, aber es ist auch anstrengend, irgendwie. Ich meine, das wird ja oft unterschätzt von Außenstehenden, die vom Cheaten keine Ahnung haben. Bei Schachfeld schimpfen sie immer alle, dass wir uns nur so durchmogeln und für unsere Punkte nichts tun würden, aber das stimmt natürlich gar nicht. Unsere Energie geht nur für etwas anderes drauf.
Denn sehen Sie mal: das ganze Gewarte in den Turnierpartien, man sitzt da und hat nichts zu tun, stundenlang. Wie in einer Behörde! Und weglaufen kann man auch nicht, solange der Gegner nicht aufgegeben hat. Und bis dahin muss ich warten.
Irgendwann macht mein Gegner nach langem Nachdenken vielleicht endlich mal seinen Zug. Nach knapp einer Minute beginnt mein Handy freundlich zu vibrieren und schickt mir in Morsezeichen den besten Antwortzug. Vielleicht ein Turmopfer, ein spannendes Txg6, perfekt, harmonisch, mit Ausrufezeichen und allem Drum und Dran.
So weit, so gut – aber dann, die Langeweile! Ich kann ja zum Beispiel nicht einfach so ein riskantes Turmopfer nach nur einer Minute spielen, dazu noch ein korrektes (denn mein Schachprogramm betrügt mich ja nicht), wie sieht denn das aus, und das würde ja jeder gleich sehr verdächtig finden.
Also muss ich warten, und warten, und warten, fünf Minuten, zehn Minuten. Dann denke an die neue Staffel von Breaking Bad, die ich gestern abend noch gesehen habe, denke ein bisschen an gar nichts, und an später, wenn die Partie endlich vorbei ist, und ich schwimmen gehen kann.
Verdienter Feierabend nach einer langen Partie
An konkrete Züge und Varianten denke ich in diesen Minuten überhaupt nicht, denn um die Wahrheit zu sagen – in Wirklichkeit kann ich nämlich gar nicht mehr schachspielen. Ja, ich weiß, das klingt jetzt krass, aber ist echt so. Früher war ich mal ganz gut, aber seit ich nur noch die Züge mache, die mir mein Computer schickt, habe ich alles schon wieder verlernt.
Allerdings weiß ich, wie die Figuren ziehen, und wie sie alle heißen. Aber wenn ich die Partie hinterher mit meinem Gegner analysieren muss, versuche ich das Ganze eher schnell zu beenden. Woher soll ich denn auch wissen, welche Ideen der Computer bei meinem Zug gehabt hat?
Nun gut, irgendwann dann, sagen wir nach fünfzehn Minuten Stillsitzen, Warten, Ödnis am Schachbrett, mache ich meinen Zug mit einer großen Geste – immerhin ein Turmopfer, habt Ihr es gesehen? Mein Gegner macht natürlich große Augen, das hatte er nicht geahnt, war ja auch klar.
Tja, und so geht das dann vier Stunden lang. Ab und zu kann ich weg zur Toilette oder ein bisschen rumlaufen. Aber nicht zu viel, sonst dreht wieder jemand durch und ruft „Betrug“! Hatten wir ja schon alles, aber eben – beweisen konnte keiner etwas. Wäre ja auch noch schöner. –
Unter uns – ich arbeite ja mit Morsezeichen. Dem guten alten Morsealphabet – Strich, Punkt, Strich, Punkt. Kennen Sie nicht? Kannte ich auch nicht, aber hab´s mir dann irgendwann reingepfiffen. Ist nicht einfach, echt nicht, aber irgendwie schon cool.
Ich meine, da gehört ja auch was dazu, das ganze Morsealphabet im Kopf zu behalten. Und dann auch noch auswendig!
Beim Schnellschach und Blitzen kann man das natürlich auch machen mit dem Morsen, aber es ist mehr Stress als in einer Turnierpartie, so rein menschlich. Gerade beim Blitzen ist das nicht so ohne, wenn ich die Morsebuchstaben dann unter Zeitdruck entschlüsseln muss. Das geht ganz schnell, und man macht einen Fehler, falsches Dechiffrieren und so.
Da wird bei einem Springerzug nach f3 aus dem „Sf3“ plötzlich ein „Df3“, wenn ich es nicht sorgfältig entschlüssele. Ist mir einmal passiert, und alle haben sich gewundert, dass ich im Sizilianer statt 2.Sf3 die Dame von d1 nach f3 gespielt habe. Aber, hey, so ist nunmal Blitz! Und es soll ja schließlich auch Spaß machen, oder? Wir sind ja alle nur Menschen.
Obwohl, neulich beim Blitzturnier im Verein fanden es die anderen schon etwas komisch, dass ich auch in der letzten Minute immer noch so langsam zog – mein Schachprogramm ist eben nicht immer ganz so schnell, und das Morsen braucht ja auch seine Zeit. Hatte ich eben ständig auf Zeit verloren. Aber was soll man tun?
Kompliziert wird es auch, wenn man mal im Ausland spielen muss. Dann heißen die Figuren ja alle total anders. Aus Springer f6 wird in England Knight f6, aus dem Läuferzug nach b5 ein bishop move to b5, und so weiter – total verwirrend. In Ungarn ist das alles noch viel wilder – kiraly, futó, huszár. Und dann muss ich trotzdem die Morseabkürzungen dafür im Kopf haben.
Das geht nicht immer gut, so sicher bin ich da noch nicht, und darum wollte ich mich dieses Jahr auch noch nicht für den World-Cup in Norwegen qualifizieren, auch wenn es rein schachlich na klar kein Problem gewesen wäre. Aber in Norwegen, da heißen die Türme tårn und die Bauern bonde …. so auf die Schnelle hätte mich das doch alles durcheinandergebracht am Brett.
Warte ich lieber bis zum nächsten Zyklus und dominiere das Kandidatenturnier, wenn ich die internationalen Abkürzungen für die Schachfiguren noch besser drauf habe. Ich bin ja noch jung!
Überhaupt Dominieren – das ist ein wichtiges Stichwort. Es geht nichts über Turniere, bei dem man das Feld von vorne kontrolliert. Oder ein klarer, entspannter Sieg gegen einen Großmeister, das macht auch Freude. Na klar weiß ich, dass ich da eigentlich nicht wirklich was für kann, und der Löwenanteil meiner Züge kommt ja auch von meinem Schachprogramm.
(zögert)
Manchmal würde ich auch selber gerne mal einen eigenen, selbstgemachten Zug beisteuern. So wie früher, wegen der Kreativität und so – gucken, ob ich es noch kann.
Aber trotzdem, am Ende zu gewinnen und dann mit dem Punkt in der Tasche abends nach Hause zu kommen, das ist schon schön. Einfach so. Ist doch nur menschlich, oder? Wer würde das nicht gerne? Und wenn man einen Traum hat, sage ich, dann soll man auch was dafür tun. Ich habe das getan – und das Morsealphabet gelernt (grinst).
So richtig Sorgen mache ich mir als Cheater eigentlich nur, wenn in einem Turnier auch der Sebastian Siebrecht mitspielt. Sie wissen ja – der ist gewieft und hat im Alleingang zwei Kumpel von mir enttarnt, Christoph und Falko. Bei meinen Kollegen und mir genießt er eine Menge Respekt, der Sebastian. In der Szene fürchten ihn alle sehr. Er ist so etwas wie der Van Helsing der Cheating-Szene – Sie wissen schon, der Vampirjäger, man möchte ihm lieber nicht am Brett gegenübersitzen, nicht, dass er uns enttarnt!
Wo ich im Leben noch hin möchte? Nun gut, ja, den World Cup wie gesagt, da würde ich beim nächsten Mal gerne mit dabei sein. Aber erst mal schauen, wo er stattfindet – hoffentlich nicht in Indien, da heißen die Figuren ja Raja, Vajeer, Oont und Ghoda. Total irre! Aber für das Morsen ist das natürlich schwierig. Ansonsten … Großmeister vielleicht mal, oder Weltmeister, das wäre nochmal was. Und irgendwie mal was Kreatives machen, das wäre schön. Vielleicht Go spielen, oder so.
Sie haben natürlich Recht, manchmal habe ich schon Skrupel bei dem, was ich tue. Eigentlich könnte man fast sagen, dass ich betrüge – ganz plump, ohne Verzierung.
Ich finde, „cheaten“ klingt freundlicher. Harmloser irgendwie, cool und pfiffig. Ich bin ein Cheater! Und cheaten fordert ja die ganze Persönlichkeit. Leider ist das so.
(schweigt einen Augenblick)
Es ist einfach unangenehm, wenn man weiß, dass man seine Gegner behumst, stundenlang, auch wenn man sie gerne mag, so rein menschlich.
Aber was soll ich tun – ich bin ja noch jung, da macht man manchmal noch so Sachen, die man später bereut. Vielleicht komme ich irgendwann mal davon los. Ich glaube schon, dass das besser wäre.
Aber jetzt noch nicht.“
Der Originalbeitrag bei Vegane Schachkatzen (mit mehr Bildern)...
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