31.08.2022 – Eine der prächtigsten Sammlungen historischer Schachspiele ist derzeit im Museum alter Kunst in Lissabon im Kontext einer Ausstellung über Spiele und Kulturaustausch zwischen Europa und Asien zu sehen, berichtet Stefan Löffler aus Portugal. Die Ausstellung Ulrich Schädler und Thomas Thomsen kuratierte Ausstellung ist noch bis zum 25. September zu sehen. | Fotos: Museo Nacional De Arte Antiga
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Kolonialware Schach
Nach einer internationalen Karriere als Banker, zuletzt an der Spitze der Lloyds Banking Group und der Crédit Suisse, ist António Horta-Osório dieses Jahr in seine Heimat Portugal zurückgekehrt. Zusammen mit seiner Frau Ana hat er eine umfangreiche Asiatika-Sammlung aufgebaut mit einem besonderen Schwerpunkt auf Spielen und Schach.
Sie bildet den Grundstock der Ausstellung „Jogos Cruzados“, die bis 25. September im renommierten Museum alter Kunst in Lissabon gezeigt wird.
Spiele erzählen vom Austausch zwischen Europa und Asien. Kuratiert haben der Direktor des Schweizer Spielemuseums Ulrich Schädler und der deutsche Schachsammler Thomas Thomsen. Das Museum alter Kunst hat auch selbst eine weit zurückreichende Verbindung zum Schach: Sein 2010 verstorbener Kurator Dagoberto Markl hat unter anderem ein Buch über Aljechins Tod in Estoril verfasst. Aus Markls Sammlung hat ein in einem Gehstock verstecktes Reiseschach seinen Weg in die Ausstellung gefunden (s. Teaserbild)
Los geht sie mit aus China stammenden Karten- und Legespielen, dem indischen Würfelspiel Pachisi und dem im 17. Jahrhundert quer durch Europa populären Gänsespiel. Auch Backgammon und asiatische Schachvarianten wie Qiangqi und Shogi kommen vor.
Am umfangreichsten sind freilich die beiden Abteilungen zum Schach, wie wir es kennen, weil die Vielfalt seiner Figuren unterschiedliche Formgebungen inspiriert hat und es oft mit anderen Spielen kombiniert wurde, etwa Schachkassetten, die auf der Rückseite Backgammon oder Mühle haben. Vor allem wurden Schachspiele in großer Menge und Vielfalt zu repräsentativen Zwecken produziert und haben als Sammlerstücke in gutem Zustand überlebt.
Besonders im 19. Jahrhundert blühte der Handel mit kolonialen Schachspielen aus indischen, chinesischen und gelegentlich japanischen Manufakturen. Die East India Company und andere Kolonialunternehmen dominierten die ausschließlich auf Export angelegte Produktion. Mit den in Asien tatsächlich gespielten Schacharten hatte dies nichts zu tun. Unser internationales bzw. europäisches Schach kam erst unter spätkolonialen Vorzeichen nach Indien und China, wo übrigens heute billige Schachsets industriell gefertigt werden.
Die herausstehenden Exponate sind freilich die Einzelstücke wie das Augsburger Spiel, in dem ebenso unterschiedliche wie wertvolle Materialien verarbeitet sind: Schildpatt, Elfenbein, Edelsteine, Porzellan.
Kurzentschlossene können den Museumsbesuch mit dem hoch dotierten Schnellturnier an diesem Wochenende, 3. und 4.September, in Lissabon verbinden. Für dessen Teilnehmer ist nach der letzten Runde am Sonntagnachmittag eine Führung geplant. Erwartet werden auch Teilnehmer des gerade laufenden Maia Schachfestivals, zu dem ein Open und eine englischsprachige Konferenz an diesem Freitag gehören.
Stefan LöfflerStefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.
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