Von Gerd Densing
Vom 01. – 08. August 2009 fand
in Vlissingen in den Niederlanden die 13. Auflage des traditionellen
Hochschul-Zeeland-Schach-Opens statt.
Wie in den vergangenen Jahren
war die Hochschule von Zeeland in der Ferienzeit ein gut gewählter
Austragungsort.
Die große Empfangshalle bzw. Aula bot wieder mal beste Spielbedingungen für
die 250 Teilnehmer. „Zeeland“ ist eine insbesondere unter deutschen
Nordsee-Urlaubern sehr beliebte Ferienregion. Vlissingen ist neben
Middelburg eine der größten Orte auf der Halbinsel „Walcheren“.
Vlissingen: Bekannte Fährhafen
Das Schach-Open zieht jedes
Jahr viele Einheimische Amateure, einige Profis verschiedener Nationen und
auch „deutsche Urlauber und Schachspieler“ an.
Da mit Ausnahme der 2. und
3. Runde (Sonntag) jeweils nur eine Runde (abends ab 18.30 Uhr) gespielt
wurde, war tagsüber genügend Zeit zum Relaxen, Entspannen oder für einen
schönen Strandspaziergang bzw. eine Fahrradtour.
Traditionsgemäß waren auch wieder viele Titelträger
am Start, insgesamt nahezu 50, davon ein Dutzend Großmeister, sodass das
Turnier – etwas stärker als im Vorjahr – besser besetz war als jemals zuvor.
Bemerkenswert für das
Turnier ist auch stets der interessante Mix von Teilnehmern aus den
verschiedensten Nationen. Neben 15 Teilnehmern aus Deutschland und 10
Spielern bzw. Spielerinnen aus Indien sowie einer größeren Anzahl von
Spielern aus dem benachbarten Belgien fanden auch zwei Kanadier den Weg nach
Vlissingen. Der Ausrichter hat auch dieses Jahr wieder einige starke
Großmeister aus verschiedenen Nationen eingeladen, darunter auch ein
„Großmeister-Gebrüderpaar“ aus der Ukraine (Vovk-Brüder).
Hervorzuheben ist die
perfekte Organisation und Turnierdurchführung. Stichwortartig hier ein paar
Highlights zum Turnier: Ideale räumliche Turnierbedingungen, gute
Verpflegung, Bücherstand an einem Tag, Live-Übertragung der ersten 10
Bretter in’s Internet sowie Live-Übertragung über Public-Viewing in den
gemütlichen Analysebereich, hervorragende Datenaufbereitung auf der
Turnierseite im Internet mit vielen Fotos und Partien zum Nachspielen,
täglich kostenlos verfügbare Bulletins ... und „last but not least“ dazu
eine äußerst familiäre, (gast)freundliche Stimmung unter allen Teilnehmern.
Arlette van Weersel
Gute Spielbedingungen
Erstmals übernahm der international erfahrene und
bekannte Schiedsrichter Leon Muijs die Rolle des Hauptschiedsrichters in
Vlissingen, wobei es keine nennenswerten Streit- bzw. Protestfälle gab,
sodass auch dieses Jahr wieder der Job des Schiedsrichterteams gleichermaßen
angenehm wie erfolgreich war und das Schiedsgericht nicht zu tagen
brauchte.
Untergebracht waren die
nicht einheimischen Spieler in den verschiedensten Hotels und Pensionen in
Vlissingen, wobei die Top-Gesetzten Großmeister – sowie der Berichterstatter
- im Arion-Hotel unmittelbar am Boulevard/Strand von Vlissingen einen
angenehmen Schach-Urlaubs-Aufenthalt genießen konnten.
Leere Strände in Walcheren
Nachdem das Turnier in der
ersten Runde aufgrund der großen Elo-Unterschiede der Paarungen naturgemäß
keine unerwarteten Ergebnisse brachte, ging es ab Runde 2 dann „Schlag auf
Schlag“.
Kleinere Überraschungen in
Runde zwei waren die „nur“ Remis-Partien der niederländischen Großmeister
Friso Nijboer und Wouter Spoelman an den Brettern 8 und 9. Die größte
Überraschung war jedoch an Brett 6 die Niederlage des ukrainischen GM Yuri
Vovk gegen einen nahezu 400 Elo-Punkte niedriger eingestuften einheimischen
Spieler.
Für die größte Überraschung des Turniers sorgte an
Brett 1 bereits in Runde 3 der junge deutsche Nachwuchsspieler FM Patrick
Zelbel, welcher vor kurzem Deutscher Meister in der Altersklasse U18 wurde.
Nach guter Vorbereitung und hervorragendem Spiel besiegte er sensationell
den Top-Gesetzten Turnierfavoriten GM Alexander Beliavsky, welcher als
lebende Schachlegende mit jahrzehntelanger Profi-Erfahrung in Vlissingen an
den Start ging.
Sieg mit dem Königsgambit
Besonders hervorzuheben ist die Eröffnungswahl des
jungen Deutschen: Königsgambit! Da er auch ein paar Runden später mit der
gleichen Eröffnung dem starken niederländischen GM Eric van den Doel ein
Remis abtrotzte, kann diese Eröffnung möglicherweise auch auf Profi-Level
ein Revival als „Geheimwaffe“ erleben. Belohnt wurde die gute
Turnierperformance von Patrick Zelbel mit einer IM-Norm.
Neben drei Remispartien von
wesentlich stärker eingeschätzten GM gegen schwächere Spieler (IM/FM-Niveau)
war die Niederlage des GM Vyacheslav Ikonnikov gegen einen um 300 Elo
schwächeren Niederländer eine weitere Überraschung in der gleichen Runde.
In den folgenden Runden
gelangen immer mal wieder „Achtungserfolge“ (Remispartien bzw. Siege) leicht
schwächerer Spieler gegen die favorisierten Profis. Bemerkenswert ist
vielleicht noch, dass GM Beliavsky in Runde 5 gegen einen jungen indischen
FM fast ein weiteres Mal unter die Räder gekommen wäre und sich glücklich in
ein Bauern-Turm-Endspiel (mit einem Minusbauer) in’s Remis rettete.
Aufgrund der in Vlissingen
üblichen Turnierbedingungen (9 Runden Schweizer System, viele Titelträger
aus vielen Nationen) bestand auch dieses Jahr die Möglichkeit – entsprechend
starkes Spiel vorausgesetzt – Titelnormen zu erreichen. So erspielten
folgende Spieler die heiß begehrten Titelnormen (jeweils IM-Norm):
FM V A V
Rajesh (Indien)
FM Patrick Zelbel (Deutschland)
FM Migchiel de Jong (Niederlande)
FM Luis Ignacio Rubio Meija (Spanien)
Die deutschen Teilnehmer,
allen voran GM Michael Hoffmann und FM Patrick Zelbel sowie IM Bernd
Kohlweyer und IM Ilja Zaragatski spielten das ganze Turnier über – trotz der
ein oder anderen vergebenen Chance - sehr gut vorne mit.
Die deutschen Spieler in
Aktion:
Auch FM Thomas Michalczak
und FM Aleksej Litwak erzielten gute Resultate. Die beiden Internationalen
Meister Thomas Henrichs und Mathias Roeder blieben leicht unter ihren
Möglichkeiten, landeten aber auch im vorderen Bereich der Tabelle
entsprechend ihrer Startposition bzw. Elo-Zahl. Neben den jungen „hungrigen
und aufstrebenden“ Schachtalenten aus Indien waren die Deutschen Profis bzw.
Halbprofis sicherlich die schwierigsten bzw. anspruchsvollsten Gegner für
die etablierten und favorisierten Großmeister. Die weiteren deutschen
Teilnehmer – Schachamateure und Schachurlauber – Dmitrii Marcziter,
Christian Busch, Manfred Lukas, Wolfgang Rössler, Kevin Kahleys, Andrea
Huppertz und Berichterstatter Gerd Densing landeten erwartungs- bzw.
standesgemäß irgendwo im Mittelfeld des Teilnehmerfeldes.
Nachdem sich in Runde 3 der
an Nummer eins gesetzte GM Beliavsky vorzeitig aus dem Titelrennen
verabschiedete,
gab sich der polnische GM
Michal Krasenkow (bereits Sieger im Jahre 2006) keine Blöße und gewann bis
zur Runde 8 souverän alle seine Partien und behauptete die Tabellenführung
durch zwei Remispartien in den beiden Schlussrunden souverän. Im direkten
Aufeinandertreffen der beiden führenden der Setzliste konnte GM Beliavsky
ihm zwar in Runde 8 ein Remis abknöpfen, aber der Turniersieg war Krasenkow
nicht mehr zu nehmen.
Für den in Polen lebenden
Großmeister war der Turniersieg in Vlissingen ein kleines Geschenk zur Feier
seines Jubiläums, da er genau vor 20 Jahren GM wurde.
Hier eine Kurzübersicht über
die vorderen Tabellenplatzierungen:
Rank |
Name |
Score |
M/F |
Rating |
TPR |
W-We |
BH |
SB |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
1 |
GM Krasenkow, Michal |
8.0 |
M |
2631 |
2820 |
+1.73 |
56.5 |
49.5 |
1 |
1 |
1 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
½ |
2 |
GM Vovk, Andrey |
7,5 |
M |
2506 |
2622 |
+1.30 |
54.0 |
42.75 |
1 |
1 |
1 |
1 |
0 |
½ |
1 |
1 |
1 |
3 |
GM Khairullin, Ildar |
7.0 |
M |
2602 |
2609 |
+0.19 |
55.5 |
41.75 |
1 |
1 |
½ |
1 |
½ |
1 |
½ |
1 |
½ |
4 |
GM Beliavsky, Alexander G |
7.0 |
M |
2662 |
2590 |
-0.50 |
55.0 |
41.25 |
1 |
1 |
0 |
1 |
½ |
1 |
1 |
½ |
1 |
5 |
GM Hoffmann, Michael |
7.0 |
M |
2502 |
2609 |
+1.33 |
52.5 |
39.25 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
½ |
½ |
1 |
½ |
6 |
GM Spoelman, Wouter |
7.0 |
M |
2546 |
2500 |
-0.27 |
51.5 |
38.75 |
1 |
½ |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
1 |
½ |
7 |
GM Ernst, Sipke |
7.0 |
M |
2598 |
2542 |
-0.43 |
51.0 |
39.0 |
1 |
1 |
½ |
1 |
0 |
1 |
½ |
1 |
1 |
8 |
GM Van Den Doel, Erik |
6,5 |
M |
2590 |
2551 |
-0.16 |
56.5 |
38.5 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
0 |
½ |
1 |
½ |
9 |
IM Kohlweyer, Bernd |
6,5 |
M |
2418 |
2514 |
+1.32 |
55.0 |
38.75 |
1 |
1 |
½ |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
0 |
10 |
IM Adhiban, B. |
6,5 |
M |
2481 |
2518 |
+0.65 |
54.5 |
37.25 |
1 |
1 |
1 |
½ |
1 |
1 |
0 |
½ |
½ |
11 |
FM Rajesh, V A V |
6,5 |
M |
2249 |
2491 |
+2.42 |
53.0 |
35.0 |
1 |
1 |
0 |
1 |
½ |
1 |
1 |
0 |
1 |
12 |
IM Zaragatski, Ilja |
6,5 |
M |
2472 |
2488 |
+0.37 |
52.0 |
36.25 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
0 |
½ |
½ |
1 |
13 |
FM Zelbel, Patrick |
6,5 |
M |
2348 |
2453 |
+1.31 |
52.0 |
35.75 |
1 |
1 |
1 |
0 |
½ |
1 |
½ |
½ |
1 |
14 |
GM Nijboer, Friso |
6,5 |
M |
2552 |
2475 |
-0.61 |
51.5 |
36.25 |
1 |
½ |
1 |
1 |
½ |
½ |
1 |
0 |
1 |
15 |
GM Ikonnikov, Vyacheslav |
6,5 |
M |
2556 |
2503 |
-0.31 |
51.5 |
35.25 |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
1 |
½ |
1 |
0 |
16 |
FM Rubio Mejia, Luis Ignacio |
6,5 |
M |
2371 |
2453 |
+1.09 |
51.0 |
33.75 |
1 |
1 |
1 |
0 |
1 |
½ |
0 |
1 |
1 |
17 |
FM Michalczak, Thomas |
6,5 |
M |
2352 |
2420 |
+1.01 |
51.0 |
33.5 |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
½ |
½ |
½ |
1 |
18 |
IM Karthikeyan, P. |
6,5 |
M |
2478 |
2426 |
-0.32 |
50.0 |
34.5 |
1 |
½ |
1 |
1 |
½ |
½ |
1 |
0 |
1 |
19 |
FM De Jong, Migchiel |
6,5 |
M |
2319 |
2458 |
+1.78 |
50.0 |
34.0 |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
½ |
½ |
1 |
½ |
20 |
GM Vovk, Yuri |
6,5 |
M |
2567 |
2516 |
-0.24 |
49.0 |
34.25 |
1 |
0 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
½ |
½ |
21 |
IM Van Haastert, Edwin |
6,5 |
M |
2411 |
2415 |
+0.23 |
48.5 |
33.25 |
1 |
1 |
= |
1 |
½ |
0 |
½ |
1 |
1 |
22 |
IM Shyam, Sundar M. |
6,5 |
M |
2415 |
2402 |
+0.13 |
48.0 |
32.25 |
1 |
1 |
1 |
0 |
1 |
½ |
½ |
½ |
1 |
23 |
FM Freeke, Matthieu |
6,5 |
M |
2264 |
2376 |
+1.47 |
46.5 |
30,5 |
1 |
1 |
0 |
1 |
1 |
½ |
0 |
1 |
1 |
24 |
Foo, Benjamin |
6,5 |
M |
2013 |
2228 |
+1.66 |
41.5 |
28.25 |
1 |
0 |
0 |
1 |
1 |
1 |
1 |
½ |
1 |
...
Vollständige Tabelle als pdf...
Als Fazit bleibt
festzuhalten, dass in Vlissingen wieder einmal ein überaus interessantes und
schönes Urlaubs-Open ausgetragen wurde.
Internetlink zur
Turnierseite: www.hztoernooi.nl