Hommage an Lajos Portisch zum 75.
Geburtstag
Von Dagobert
Kohlmeyer
Und wieder wird heute ein Weltklasse-Schachspieler 75 Jahre alt. "Willkommen im
Klub!" kann Boris Spasski (geboren am 30. Januar 1937) zu Lajos Portisch, dem
sympathischen Magyaren, sagen, der am 4. April 1937 in Zalaergerszeg an der
ungarisch-österreichischen Grenze, etwa 230 km von Budapest entfernt, das Licht
der Welt erblickte.
Portisch begann
relativ spät mit dem Schach, machte mit 12 Jahren seine ersten Züge.
Rückblickend meint der Jubilar: "Man sagt zwar, das ist zu spät, um erfolgreich
zu sein. Aber vielleicht war es gar nicht so schlecht. Ich kann heute noch immer
stark spielen, habe noch viel Energie."
Allerdings hätte im
Jahre 1956 ein Ereignis die Schachlaufbahn von Portisch beinahe verhindert. In
den Tagen des ungarischen Aufstandes - Lajos lebte gerade ein Jahr als Student
in Budapest - beschäftigte er sich intensiv mit Capablancas Partien. Als er
einmal auf die Straße ging, lief er fast ins Feuer eines russischen Panzers. Um
ein Haar hätte Portisch, so erinnert er sich noch genau, eine Kugel abbekommen.
Aber die Salve traf ihn glücklicherweise nicht.
Portisch trat in die
Fußstapfen solcher ungarischen Schachgrößen wie Maroczy und Szabo, er machte
schnell Karriere: 1956 gewann er in Budapest sein erstes internationales
Turnier, 1957 wurde er zum ersten Mal Landesmeister Ungarns. Seit 1961 trägt
Lajos Portisch den Großmeistertitel. Er war häufig WM-Kandidat
und bestritt von 1965 bis 1989 insgesamt acht Kandidatenkämpfe.
Portisch hat in Ungarn im Jahre 2004 die höchste sportliche Auszeichnung
erhalten, er ist Sportler der Nation geworden.
Neben dem Schach gilt
Lajos‘ ganze Liebe der Musik. Er singt ausgezeichnet, was er bei speziellen
Konzerten und Auftritten am Rande von Schachveranstaltungen gern unter Beweis
stellt. Dagobert Kohlmeyer hat Portisch vor kurzem beim Uhlmann-77-Turnier in
Dresden getroffen und ihn anlässlich seines Jubiläums interviewt.
Nach dem Event im
Ramada Hotel war noch etwas Zeit bis zum Gala Dinner am Abend. Wir fuhren
gemeinsam im Auto und waren etwa eine halbe Stunde vor Beginn im Lokal, weil
Lajos noch mit einem Pianisten ein paar klassische Lieder einüben wollte, um
Wolfgang Uhlmann dann ein Ständchen zu bringen. So konnte ich ihm meine Fragen
stellen:
Lajos, bald hast auch du einen Ehrentag. Was ist dazu geplant?
Ich bekomme so ein
ähnliches Turnier wie Wolfgang Uhlmann geschenkt. Es findet bei mir zu Hause in
Budapest statt. Dort sollen mein Landsmann Istvan Csom, Ljubomir Ljubojevic und
Vlastimil Hort mit mir spielen. Noch weiß ich nicht genau, ob Hort kommen kann,
aber ich hoffe, dass es klappt.“
Du
wirst gern der ungarische Botwinnik genannt. Gefällt dir dieser Vergleich?
Er ist etwas
übertrieben. Schon aus dem Grunde, weil ich nicht so viel Erfolg hatte und nie
ein so harter Arbeiter gewesen bin wie der sechste Weltmeister. Botwinnik
spielte immer sehr exakt und konzentriert. Das meinte übrigens auch Bobby
Fischer von ihm.
Dennoch sagt der Vergleich viel über die Wertschätzung aus, die du genießt.
Das klingt natürlich
angenehm. Aber so vielseitig wie die ganz Großen war ich nie. Ich sehe mich eher
als praktischen Schachspieler. Zum Beispiel analysiere ich nie Eröffnungen, die
ich nicht spiele. Manche Schachmeister wollen alles erforschen, ich nicht.
Einer, der etliche Jahre in Budapest wohnte oder besser gesagt untertauchte, war
Bobby Fischer. Du hast lange über eure Begegnungen geschwiegen, aber jetzt
brauchst du es doch nicht mehr.
So ist es. Bobby war
introvertiert, und er fühlte sich immer verfolgt. Deshalb verlangte er von allen
Bekannten absolute Geheimhaltung über die Treffen mit ihm.
Heute kann Fischer sich nicht mehr beklagen. Wie war er wirklich?
Am
Brett war Bobby stets korrekt. Er hat sich in Turnieren uns Spielern gegenüber
wie ein Gentleman verhalten. Im Leben wirkte sein Benehmen mitunter recht
seltsam. Vor allem dann, wenn Leute politisch anders dachten als er, gab es
Konflikte. Fischer hatte viele fixe Ideen. Wenn er eine Meinung hatte, vertrat
er sie so vehement, dass er keine andere zuließ.
Erzählst du bitte nochmal die hübsche Goulasch-Geschichte?
Sie hat sich
tatsächlich zugetragen. Meine erste Frau, die vor zehn Jahren gestorben ist, war
eine gute Köchin. Sie servierte Bobby bei seinen Besuchen immer ein
reichhaltiges Essen. Bobby aß nur einmal am Tag, dann aber sehr viel. Manchmal
verdrückte er ein ganzes Kilo Goulasch!
Das
ist in der Tat eine Menge.
Eines Abends
analysierten wir vor dem Essen ein kompliziertes Abspiel, das wir nicht lösen
konnten. Dann aßen wir, und als wir fertig waren, sagte Bobby: "Lajos, gib mir
fünf Minuten zum Ausruhen." Er legte sich auf das Sofa im Wohnzimmer, während
ich mich ans Schachbrett setzte und nachdachte.
Klar, dass er sehr müde war.
Nach wenigen Minuten
sprang Fischer auf und machte sofort einen unglaublich starken Zug. Vielleicht
hatte er auf dem Sofa blind weiter analysiert, aber das glaube ich nicht. Er war
eben immer noch sehr stark. Das war etwa 1994.
Die
Story ist richtig gut. Warum hat Bobby dann später Ungarn verlassen?
Gute Frage. Ich weiß
nur, dass er Probleme mit der Vermarktung seiner Uhr hatte. Vielleicht ging er
deshalb nach Japan, weil er hoffte, in Asien eine bessere Unterstützung zu
bekommen.
Die
ganze Schachwelt spielt heute mit dieser elektronischen Uhr, doch Fischer hatte
nichts von seiner Erfindung.
Das ist eine
schrecklich ungerechte Sache.
Warum hat er das Patent denn nicht angemeldet?
Weil er ein Kindskopf
war, immer sehr skeptisch und überhaupt kein Geschäftsmann. Ich sagte ihm: „Du
musst deine Erfindung registrieren lassen!“, aber er wollte die Uhr immer noch
feiner machen. Weil er nie zufrieden mit ihr war.
Was
war Bobby Fischers stärkster Charakterzug?
Schwer zu sagen.
Seine beste Qualität ist wohl gewesen, dass er als Schachspieler ein wirklicher
Kämpfer war.
Im
Leben kam er weniger gut zurecht.
Vor allem mit der
Damenwelt wusste er nicht viel anzufangen. Meinen Ratschlag, dass man einer Frau
zum Rendezvous Blumen mitbringt, hat er jedenfalls nicht verstanden und in den
Wind geschlagen.
Eine andere Frage: Stimmt es, dass du ein sehr gläubiger Mensch bist, wie ich
kürzlich hörte?
Ja, natürlich, ich
bin so erzogen worden. Meinen Glauben habe ich immer ausgeübt, auch als Ungarn
noch sozialistisch war. Und ich bin nicht nur zu Hause in die Kirche gegangen.
Auch bei Turnieren im Ausland habe ich, wenn es möglich war, den Gottesdienst
besucht.
Wo
zum Beispiel?
In Wijk aan Zee, wo
ich häufig gespielt habe. Dort gibt es eine ganz kleine Kirche, die von
Protestanten und Katholiken genutzt wird. So etwas kannte ich vorher nicht.
Einmal traf ich in dieser Kirche auch Großmeister Henrique Mecking. Wir beide
staunten nicht schlecht.
Lajos, danke für das Gespräch. Was möchtest du nachher für Wolfgang Uhlmann
singen?
Unter anderen ein
berühmtes Lied von Schumann, wo französische Grenadiere vorkommen. Ich nenne es
heute Wolfgang zuliebe „Die Französische Verteidigung in der Musik.“
P.S.: Der Pianist im
Restaurant „Classico Italiano“ an der Frauenkirche konnte aber die Noten des
Schumann-Liedes ohne intensives Üben nicht einfach vom Blatt spielen, so dass
Lajos sein Repertoire total ändern musste. Unter anderem sang er an diesem Abend
aus dem Gedächtnis „Santa Lucia“ auf Italienisch, wohl wissend, dass nicht nur
die Kellner, sondern auch Robert Hübner diese Sprache sehr gut verstehen würden.
Es war ein Erfolg!
Zwei feine Partien des
Jubilars:
Portisch – Tal
Französisch C05
Oberhausen 1961
Larsen – Portisch
Siegen 1970
Larsen-Eröffnung A01
Wie der Webseite des
ungarischen Schachverbandes
www.chess.hu heute zu entnehmen ist, ist Lajos Portisch Im Begriff, sein
Turnier in Budapest zu gewinnen:
1.Portisch 2,0
2.-3.Ljubojevic, Hort je 1,5
4.Csom 1,0
Zum Ungarisch lernen.
Eredmények:
1. forduló:
Ljubomir Ljubojevic (szerb)-Portisch Lajos 0-1
Csom István-Vlastimil Hort (német) 0-1
2. forduló:
Hort-Ljubojevic 0-1
Csom-Portisch döntetlen
3. forduló:
Ljubojevic-Csom döntetlen
Portisch-Hort döntetlen
Az állás: Portisch
2 pont, Ljubojevic, Hort 1,5-1,5, Csom 1