Auf die Schulbank beim Schulschachkongress!
Von Jörg Schulz
Fotos: Jan Pohl, Monika Woisin-Michelsen
Der 3. Schulschachkongress der Deutschen Schachjugend und der
Schulschachstiftung zwang 170 Lehrer in die Schulbänke, denn diesmal hieß es für
sie lernen, lernen und nochmals lernen.

Kongresstüte für jeden
Vorne am Lehrerpult ihnen gegenüber die Referenten, alles erfahrene Schachlehrer
und Trainer! Sie stellten Lehrmethoden vor, einzelne Trainingsmaterialien, den
Gebrauch des Smartboard für das Schachtraining, den nagelneuen Methodenkoffer,
Spielformen des Schachspiels, aber auch Schach zum Schwitzen in der Sporthalle.
Der Schulschachkongress wurde in der Aula, dem Musiksaal und
verschiedensten Klassenräumen der Stadtteilschule Barmbek durchgeführt, die von
dem Schulleiter Björn Lengwenus zur Verfügung gestellt wurde. Björn Lengwenus?
Ja, der von Fritz & Fertig, der Buchautor, der Schachpädagoge, der zugleich
tagsüber Lehrer und Direktor einer Schule in Hamburg ist.
Der Rahmen passte hervorragend zum Kongress und zum Einstieg in die beiden
Kongresstage, denn am Freitagabend begann die Veranstaltung mit einem
Podiumsgespräch über das Thema „Schach im sozialen Brennpunkt“.

Gastgeber Björn Lengwenus

Wolgang Rädler

Kirstin Siebarth
Die Stadtteilschule Barmbek liegt in einem sozialen Brennpunkt und in ihr wird
Schach als pädagogische Mittel eingesetzt.
Auf dem Podium berichteten vom Jugendamt München Katrin Apfel und Jochen
Reisinger, wie sie erfolgreich an Kinder mit Schach herankommen, die eigentlich
durch das Bildungssystem gefallen sind und oftmals aufgegeben werden. Auch mit
diesen auffälligen Kindern kann mit Schach gearbeitet werden, sie sind plötzlich
in der Lage sich über einen gewissen Zeitraum zu konzentrieren, sie lassen sich
fesseln vom Schach. Einige Kinder haben sogar schon den Weg in Münchner Vereine
gefunden.

Jörg Schulz, Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend





Anke Heffter hatte in einem Problemstadtteil in Hamburg-Jenfeld Schach an die
Hauptschule gebracht und ebenfalls enorme Erfolge quer durch alle Klassen
erzielt. Sie nahm mit ihren Hauptschülern sogar an Turnieren und Meisterschaften
teil. Der Hausmeister bemerkte im Schulalltag Veränderungen und sprach Frau
Heffter an: „Die prügeln sich jetzt viel weniger in den Pausen, die spielen
Schach!“
Monika Küsel-Pelz, Direktorin der Grundschule Genslerstraße in Barmbek, hat
an ihrer Mulitkultischule, ihre Schüler kommen aus allen Teilen der Welt, Schach
als Fach eingeführt. Die intensive Auswertung des Lehrerkollegiums der
Genslerstraße dieses Projektes ergab, unbedingt weitermachen und Schach fest im
Lehrplan verankern, denn alle konnten von positiven Erfahrungen auf das
Lernverhalten der Grundschüler verweisen. Interessant auch dass alle Kinder,
egal aus welchem Kulturkreis sie kommen, das Schachangebot annehmen. Dies hat
natürlich Auswirkungen auf die Nachbarschulen in Barmbek, denn beim Wechsel auf
die weiterführenden Schulen wird nach einem Schachangebot gefragt und dadurch so
manche neue Schachinitiative losgetreten.
Warum dieses für Schach und vor allem dem Deutschen Schachbund ungewöhnliche
Thema auf dem Kongress?
Schach muss sich dauerhaft öffnen, muss erkennen, dass es durch die im Schach
innewohnenden Möglichkeiten für alle in der Gesellschaft ein sinnvolles Angebot
ist, dass mit Schach jeder erreicht werden kann. Dieses selbstgeprägte Image,
Schach ist was für die Gebildeten, Schach ist nur was für Intelligente, kann
sich der Schachsport nicht länger leisten. Und hat der organisierte Schachsport
nicht auch eine soziale Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen?
Der Kongresstag begann mit fröhlichen Kindern der Genslerstraße,
die so manchen der noch verschlafen wirkenden 170 Lehrer mit zwei schwungvollen
Vorführungen aufmunterten und sie beschwingt in die Workshops gehen ließ.

Schachchor

Weißer und schwarzer Läufer


Schach in den Gängen und Fluren

Spezialschach


Weiß am Zug gewinnt

Schach mit Jetons

Selbst gemachte Schachspiele

Es gab drei Workshopblöcke. In jedem Block konnte man zwischen
sieben Angeboten wählen. Die Themen waren an der Praxis der Schachvermittlung in
Schulen (auf Vereine jederzeit auch anwendbar) orientiert.

Schach ist Sport

Beweis!


Björn Lengwenus überwacht die Übungen

Keine theoretischen Vorträge, die Inhalte sollten schon in der
kommenden Woche bei der nächsten Schachstunde umsetzbar sein.

Michael Richter erklärt das ChessBase-Programm


-
FM Bernd Rosen und Christian Goldschmidt, äußerst erfahrene
Schachtrainer, stellten jeweils ihre Trainingsmaterialien vor, die in
gedruckter Form vorliegen, die aber auch über das Internet genutzt werden
können.


-
Die Trainerlegende Heinz Rätsch zeigte klassisch am Demobrett
wie eine lehrreiche Partieanalyse im Kinder- und Jugendbereich durchzuführen
ist, was mit ihr an Inhalten vermittelt werden kann. Ein Teilnehmer meinte:
„Bei jedem Satz spürte man die über lebenslange Trainererfahrung!“
-
Ein Legende im Schulschach ist auch Christian Zickelbein, von
dem seine Zuhörer aus erster Hand erfahren konnten, wie man Schach an die
Schule bringt.
-
Schach und Schule, Schach und Unterricht. Schach muss sich
nicht verstecken, es kann in viele Unterrichtsfächer eingebaut werden, wie
man von Kirsten Siebarth lernen konnte. Und selbst Schach und Bewegung
müssen keine Gegensätze sein. So hießt es für den Workshop „Schach zum
Schwitzen“ in der Ausschreibung auch Sportkleidung mitbringen, denn es ging
mit Bällen, Sprungseilen, Matten und Kästen und den Schachbrettern praktisch
zur Sache. Ausprobieren war auch hier die Losung. Schach als Schulfach? Geht
das? Monika Küsel-Pelz, Schulleiterin der Grundschule Genslerstraße hat
dies erfolgreich umgesetzt und konnte so wichtige Informationen und Hilfen
vermitteln.

Christian Warnecke, Präsident der Deutschen Schachjugend
Vielleicht ragte ein Thema beim Workshop heraus, obgleich man das
bei den Topreferenten eigentlich nicht sagen darf. Aber die Erwartungen an den
Workshop „Der DSJ-Methodenkoffer“ waren sehr hoch. Das geht zurück auf den
Schulschachkongress 2009 in Erfurt, bei dem die Referenten Kirsten Siebarth und
Patrick Wiebe erstmalig Methoden für den Schachunterricht unter dem Namen
Methodenkoffer vorgestellt hatten, aber den „Koffer“ nicht zur Hand hatten.
Dabei wollten die Teilnehmer ihn doch gleich mitnehmen. Also wurde der
Entschluss gefasst, 2010 beim 3. Schulschachkongress gibt es den Methodenkoffer
als neues innovatives Angebot der Deutschen Schachjugend für den
Schachunterricht. Und er konnte tatsächlich präsentiert werden.
30 Methoden werden vorgestellt, erläutert, für jede Methode gibt
es Arbeitsblätter und das notwendige Handwerkszeug im Koffer, und natürlich sind
für alle Methoden Lösungsblätter vorhanden. Mit diesem Methodenkoffer, den es
bisher auf dem Schachmarkt noch nicht gibt, können auch schachlich unerfahrene
Lehrkräfte erfolgreich einen abwechslungsreichen Schachunterricht anbieten. Ein
Dank geht an die DSB Wirtschaftsdienst GmbH, die diesen Koffer mitfinanzierte
und über ihren Shop vertreibt, und an den Partner der DSJ ChessBase, der
ebenfalls die Erstellung dieses Koffers finanziell unterstützt.
Ab sofort ist der Methodenkoffer bei der DSB-Wirtschaftsdienst GmbH zum Preis
von 170,- Euro zu erwerben.
Auf dem Markt der Möglichkeiten stellten verschiedene Schulen und
Anbieter ihre Projekte vor, berichteten von ihr Schacharbeit, stellten teilweise
selbst erarbeitetes Lehrmaterial vor bis hin zu selbst gefertigten
Schachsouvenirs. Denn ein Schwerpunkt des Schulschachkongresses liegt auch auf
der Kommunikation, dem Informationsaustausch, wodurch ein Netzwerk der Schulen
entsteht.
Kongresse tanzen gern, das weiß man spätestens seit dem Wiener
Kongress und so wurde auch dieser Kongress von einer „Schachpädagogischen Nacht“
abgerundet.
Die Planung und Organisation dieses gesellschaftlichen Abschlusses hatte unser
Partner ChessBase und der Hamburger Schachjugendbund übernommen.

Jan Pohl eröffnet den Aband

Eingeheizt wurde vom „Dimitrova
Trio“, die am späten Abend erst nach einigen Zugaben von der Bühne gelassen
wurden.


Das Dimitrova Trio

Den schachlichen Teil des Abends übernahm das Improvisationstheater „Steife
Briese“, die ebenfalls erst nach einer Zugabe entlassen wurde, nachdem sie zuvor
die Schachzunft zu Lachsalven herausgefordert hatte durch ihre wunderbaren
Verbindungen und Bezüge von Schach mit ihren Improvisationen, zu denen die
Zuhörer die Stichworte lieferten.

Steife Brise bringt alle zum Lachen
Den pädagogischen Teil übernahm „Ludwig“, die Software von Matthias Wüllenweber
und ChessBase, die komponiert und die die in sekundenschnelle komponierten
Stücke selbst instrumental vorträgt.
Ein Programm, das bei Musikern große Beachtung findet und im Musikunterricht der
Schulen wichtige Hilfe leistet. Matthias Wüllenweber stellte es vor und die
frisch komponierten Stücke wurden live von einem Ensemblemitglied des Dimitrova
Trios von der Beamerleinwand gespielt.

Mit Ludwig Musik lernen

Über eine Veranstaltung selbst zu schreiben, an deren Organisation man
mitgewirkt hat, ist nicht unproblematisch, daher lasse ich zum Abschluss einen
Teilnehmer zu Wort kommen, wobei uns viele dieser Äußerungen erreicht haben:
„Vielen
herzlichen Dank für die Organisation und den tollen Schach-Kongress in HH. Ich
habe viel Neues, Interessantes und vor allem viel Motivation getankt. DANKE!
(Malte Schacht)

Es war lehrreich, aber anstrengend
Der Dank aller geht an die Schüler, Lehrer der Stadtteilschule
Barmbek, die uns so gut betreut haben, an die Schule Genslerstraße für die
Hilfestellung und die tollen Vorführungen, an den Hamburger Schachjugendbund,
der die Versorgung und die Abendveranstaltung im Griff hatte, an ChessBase für
die tolle gelebte Partnerschaft mit der DSJ, an die Referenten, den Arbeitskreis
Schulschach der DSJ und an die Hamburger Senatorin für Schule und Berufsbildung
Christa Goetsch, die die Schirmherrschaft über den 3. Schulschachkongress
übernommen hatte.

Die Drei von der Licht- und Tontechnik

Anna Hilberg

Pascal Simon sorgte für die ChessBase-Technik
Der 4. Schulschachkongress findet in Karlsruhe vom 04.-06.11.2011 statt mit
tatkräftiger Unterstützung des Badischen Schachverbandes!