Liudmilla Rudenko: zweite Schach-Weltmeisterin der Geschichte

von André Schulz
27.07.2019 – Heute jährt sich der Geburtstag von Liudmilla Rudenko zum 115sten Mal. Ihr Name ist selbst unter gut informierten Schachfreunden weitgehend unbekannt. Dabei war sie die zweite Schachweltmeisterin der Geschichte nach Vera Menchik.

ChessBase 18 - Megapaket ChessBase 18 - Megapaket

Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..

Mehr...

Liudmilla Rudenko war die erste Weltmeisterin der Frauen im Schach nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Krieg hatte Vera Menchik das noch in den Kinderschuhen steckende Frauenschach dominiert wie keine andere. Sie starb 1944 bei einem deutschen V1-Bombenangriff auf London und so musste die Weltmeisterschaft der Frauen neu ausgespielt werden. 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges organisierte die FIDE deshalb ein Weltmeisterschaftsturnier mit den 16 besten Frauen im Weltschach. Inzwischen hatte sich auch der Sowjetische Schachverband der FIDE angeschlossen und war der Gastgeber der ersten Weltmeisterschaft der Frauen nach dem Krieg.

Vor und während des Zweiten Weltkrieges war in der nach außen hin abgeschotteten UdSSR eine neue Generation von sehr starken Schachspielern herangereift, von der man außerhalb der Sowjetunion kaum etwas wusste. Das galt für das Schach allgemein, aber auch für das Frauenschach.

Bei der ersten Nachkriegs-Schachweltmeisterschaft der Frauen, die vom 19. Dezember 1949 bis zum 18. Januar 1950 im den Räumen des Zentralklubs der Roten Armee in Moskau ausgetragen wurde, war der Gastgeberverband im 16-köpfigen Feld mit vier Spielerinnen vertreten. Am Ende des Turniers belegten die vier sowjetischen Spielerinnen, Liudmilla Rudenko, Olga Rubzova, Elizaweta Bykova und Valentina Belova dann auch die ersten vier Plätze. Rubzova und Bykova folgten Rudenko später als Weltmeisterinnen nach.

Rudenko gewann das WM-Turnier 1949/50 mit 11,5 aus 15. Bei ihrem Titelgewinn war sie fast schon 50 Jahre alt. 

Rudenko mit Siegeskranz

Rudenko verlor im Verlauf des Turniers nur eine Partie - gegen die US-Amerikanerin Gisela Gresser. Die folgend ePartie gegen Bykova führte Rudenko mit großer Angriffswucht.

 

Um die Teilnahme der in Ostdeutschland lebenden Edith Keller hatte es im Vorfeld eine Kontroverse gegeben, da man eine Spielerin aus Deutschland so kurz nach dem Krieg nicht teilnehmen lassen wollen. Besonders der Schweizer Erwin Voellmy sprach sich gegen die Teilnahme aus, da laut seiner Annahme 95% aller Deutschen Anhänger der Nazis wären. Edith Keller wurden dann aber doch zugelassen und belegte als beste nichtsowjetische Spielerin zusammen mit Eileen Tranmer und Chantal Chaudé de Silans den 5. bis 7. Platz. Die Französin Chaudé de Silans hatte das Turnier sogar lange angeführt, fiel zum Schluss jedoch zurück.

Liudmilla Rudenko war eigentlich Ukrainerin und wurde am 27.7.1904, heute vor 115 Jahren, in Lubny geboren. Ihr Vater war als Staatsanwalt im öffentlichen Dienst beschäftigt. Mit dem Schach begann sie im Alter von zehn Jahren, nachdem ihr Vater ihr das Spiel gezeigt hatte. Als Jugendliche interessierte sie sich aber mehr für den Schwimmsport und wurde unter anderem Meisterin von Odessa im Brustschwimmen auf der 400-Meter-Distanz. 1925 war sie sogar Vizemeisterin der Ukraine im Brustschwimmen. Im gleichen Jahr zog die Familie von Lubny nach Moskau. Mit dem Turnierschach begann Liudmilla Rudenko erst im Alter von 25 Jahren. Zuvor hatte sie noch ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert. 1928 wurde sie Meisterin von Moskau. Im folgenden Jahr zog sie nach Leningrad um. Sie heiratete Lev Goldstein. Dem Paar wurde 1931 ein Sohn geboren.

Die ersten Weltmeisterinnen als Briefmarke

Rudenko trainierte nun mit Pjotr Romanovski, später auch mit Grigory Levenfish und Alexander Tolush. 1932 wurde Rudenko erstmals  Stadtmeisterin von Leningrad. Diesen Erfolg konnte sie im Laufe der Jahre mehrfach wiederholen. 1936, 1945, 1947/1948, 1953 gewann Rudenko jeweils die Vizemeisterschaft bei den sowjetischen Landesmeisterschaften.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges leistete sie Wehrersatzdienst in einer Rüstungsfabrik in Leningrad. Als die deutsche Wehrmacht auf Leningrad anrückte, wurden als erstes die Arbeiter der Fabrik evakuiert. Rudenko war damit beauftragt, die zurückgelassenen Kinder wieder zu ihren Eltern zu bringen. Sie organisierte einen Sonderzug und schaffte die Kinder damit aus der Stadt, bevor sich der Ring der deutschen Belagerer völlig zugezogen hatte.

Liudmilla Rudenko starb am 26. Februar 1986 in Leningrad. Sie wurde 81 Jahre alt.

Grafik: Google-Doodle

Anlässlich ihres Geburtstages hatte Google die erste Nachkriegsweltmeisterin im letzten Jahr mit einer Grafik, einem so genannten Doodle, geehrt.

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren