Lösung des Endspielrätsels: Kasparov verpasste ein Remis

von Karsten Müller
24.03.2021 – Vor kurzem hat sich Karsten Müller wieder auf Spurensuche im Endspiel begeben. Dieses Mal hat er sich die legendäre 27. Partie des 1. Weltmeisterschaftkampfs zwischen Titelverteidiger Anatoly Karpov und Herausforderer Garry Kasparov genauer angeschaut, Karpovs letzten Sieg in diesem Wettkampf. Doch mit Hilfe der ChessBase-Leser hat Karsten Müller herausgefunden, dass Kasparov auch diese Partie hätte halten können!

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Rivalen: Anatoly Karpov und Garry Kasparov

Garry Kasparov

Die 27. Partie des 1. Weltmeisterschaftkampfs 1984/1985 zwischen Titelverteidiger Anatoly Karpov und Herausforderer Garry Kasparov ist legendär. Der Wettkampf begann am 10. September 1984 und endete am 13. Februar 1985, Sieger sollte sein, wer zuerst sechs Partien gewann, Remis zählten nicht. Aber nach nur neun Partien lag Karpov bereits mit 4-0 in Führung und der Wettkampf schien entscheiden zu sein. Doch dann folgte eine Serie von 17, teilweise sehr kurzen und langweiligen Remispartien, bis Karpov in der 27. Partie schließlich ein weiterer Sieg gelang und er mit 5-0 in Führung ging.

Aber in den dann noch folgenden 21 Partien konnte Karpov keine einzige Partie mehr gewinnen und nach insgesamt 48 Partien wurde der Wettkampf beim Stand von 5-3 für Karpov schließlich ohne Sieger abgebrochen.

Der zweite WM-Kampf zwischen Karpov und Kasparov begann ein halbes Jahr später, am 3. September 1985. Kasparov gewann nach 24 Partien mit 13-11 und war neuer Weltmeister.

Allerdings ist die 27. Partie des 1. Wettkampfs zwischen diesen beiden großen Rivalen nicht nur legendär, weil es Karpovs letzter Sieg im 1. WM-Kampf war, sondern auch, weil Karpov in dieser Partie sein großes technisches Können zu demonstrieren schien. Nachdem er Kasparov in der Eröffnung überrascht hatte, stand eine scheinbar ausgeglichene Stellung auf dem Brett, in der Karpov nach starkem Spiel bald einen Bauern gewann. Besonders sein paradox wirkender 17. Zug  mit dem er seinen Turm scheinbar sinnlos auf die c-Linie hinter den weißen Bauern auf c3 stellte, sorgte für Aufsehen. 17.Tfc1:

 

Karpovs Technik ist legendär und tatsächlich schien er die Partie nach dem Gewinn des Bauern souverän zum Sieg zu führen. Aber wie Jan Timman in seinem schönen Buch The Longest Game berichtet, einer aufschlussreichen und packend geschriebenen Betrachtung der fünf Weltmeisterschaftskämpfe zwischen Karpov und Kasparov, war Kasparov nicht der Meinung, dass Karpov die technische Phase  besonders stark behandelt hätte.


Karsten Müller hat sich dieses Endspiel genauer angeschaut und die ChessBase-Leser um Hilfe bei der Suche nach der Wahrheit dieses Endspiels gebeten. Wie sich zeigte, hat Kasparov unmittelbar nach der Zeitkontrolle tatsächlich die Möglichkeit verpasst, die Stellung zu retten. Die Leser haben auch entdeckt, dass Karpovs 40. Zug, 40.a3?, ein Fehler war.

Wie schon so oft hat Zoran Petronijevic die genaueste Lösung geschickt. Er kommt zu den folgenden Erkenntnissen:

  1. Die Ausgangsstellung der Analyse ist für Schwarz verloren.
  2. 37.Ke3?! ist ungenau und macht den Gewinn für Weiß schwer. Das von Karpov vorgeschlagene 37.h4 ist besser.
  3. 40.a3? war ein Fehler, nach dem die Stellung Remis ist. Der einzige Gewinnzug ist 40.c5+!. Das ist eine neue Entdeckung und wahrscheinlich haben die Engines den Gewinnweg nur mit Hilfe der 7-Steiner-Datenbanken entdeckt.
  4. Der letzte Fehler war das gierige 45...Txh2? Stattdessen 45...Tb2! hält die Stellung remis.
 

Endspiele von Fischer bis Carlsen

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Karsten Müller gilt als einer der größten Endspielexperten weltweit. Dazu hat sein zusammen mit Frank Lamprecht verfasstes Buch „Grundlagen der Schachendspiele“ ebenso beigetragen wie seine Kolumnen auf der Webseite ChessCafe sowie im ChessBase Magazin. M.s ChessBase-DVDs im Fritztrainer-Format über Endspiele sind Bestseller. Der promovierte Mathematiker lebt in Hamburg, wo er auch für den HSK viele Jahre in der Bundesliga auf Punktejagd ging.

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