ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Krikor Mekhitarians Anmerkungen werden im kommenden ChessBase Magazin #176 publiziert. Die meisten Partien des London Chess Classic werden darin kommentiert - und viele andere dazu. Das frische ChessBase Magazin #175 mit Kommentaren von Vladimir Kramnik, Wesley So, David Navara, Pavel Eljanov, Simon Williams, Daniel King und vielen anderen finden Sie in unserem Shop → hier.
Wer regelmäßig die "Topten" der Schachwelt dabei beobachtet, wie sie auf den großen Turnieren um Punkte kämpfen, den wird es nicht gewundert haben, dass die Partie zwischen dem Amerikaner So und dem Franzosen Vachier-Lagrave frühzeitig zum Remis abgewickelt wurde. Für Wesley So war auf diese Weise schon einmal sichergestellt, dass er nicht nur - im schlechtesten Fall - das Stechen um den Turniersieg sicher haben würde, sondern dass er es dort auch nur mit einem einzigen Gegner - Fabiano Caruana - zu tun haben würde. Für Vachier-Lagrave hingegen war dies - mit Schwarz gegen den Tabellenführer - nach mässigem Turnierverlauf eine willkommene Gelegenheit zur Schadensbegrenzung. Turniertaktik!
The game between Wesley So and MVL was a draw, after the tournament leader understandably chose a very solid approach.
— London Chess Classic (@london_chess) 18. Dezember 2016
Photo: @LennartOotes pic.twitter.com/8FirE614MQ
Die beiden Spieler ließen es sich aber dennoch nicht nehmen, noch eine hübsche Stellung "für die Galerie" zu produzieren. Wesley So hatte soeben 12.e6 gespielt. Es folgte 12. ... fxe6 13.Sxe4 und das Remis zeichnete sich bereits ab. Die andere Möglichkeit für Schwarz können Sie interaktiv in nachstehendem Diagramm durchspielen:
Übrigens war beiden Spielern vollkommen klar, was sie hier zu tun hatten, denn dieselbe Stellung hatten sie bereits bei der Grand Chess Tour im belgischen Leuven im Juni diesen Jahres erreicht. Damals spielte Vachier-Lagrave 12. ... Lxe6 und verlor die Blitzpartie später noch.
Am letztendlichen Remisschluss gab es dann aber nichts mehr zu deuteln, wie ein Blick auf die Schlussstellung der Partie zeigt:
Nachdem das Remis besiegelt war, hatte Wesley So gut lachen: Gesamtsieger der "Grand Chess Tour 2016", die eigene Elozahl zum ersten Mal oberhalb von 2800 Punkten!
Sealing the deal #LondonChess #GrandChessTour pic.twitter.com/h002bJ1lGk
— Grand Chess Tour (@GrandChessTour) 18. Dezember 2016
Wesley So und Maxime Vachier-Lagrave waren also früh fertig mit ihrer Partie. Für Fabiano Caruana bedeutete dies, dass er Anish Giri würde besiegen müssen, um noch den Stichkampf gegen Wesley So zu erreichen. Diesen Zwischenstand hatten die Veranstalter explizit noch einmal per Twitter verkündet:
With Wesley So closing in on a draw, a look at the cross table reveals only Caruana can catch him (and force a playoff) with a win! pic.twitter.com/JHgwotJkoj
— London Chess Classic (@london_chess) 18. Dezember 2016
Es würde allerdings schwierig werden mit einem Sieg für Caruana - das stand schon vor der Partie fest! Anish Giri hatte auch in London wieder an seinem etwas zweifelhaften Image als "Remiskönig" gearbeitet. Der Niederländer hatte vor der Runde noch keine Partie verloren gehabt - das hatte er mit den drei Führenden So, Caruana und Kramnik gemein -, doch auch mit dem Tabellenletzten Veselin Topalov verband ihn etwas: noch keine Partie gewonnen zu haben. Giri tat dann auch alles, um aus seinen acht Unentschieden neun zu machen; Caruana gebot dem nicht wirklich Einhalt, indem er von Anfang an in der Partie ins Risiko gegangen wäre. Aus einem angenommenen Damengambit resultierte eine symmetrische Position ohne c- und d-Bauern, und es gelang Caruana nicht, daraus in irgendeiner Weise Gewinnchancen zu entwickeln.
Anish Giris Partien gegen Gegner aus der Weltspitze enden oftmals remis.
Caruana ist aber Caruana: vielleicht der kämpferischste Spieler in der absoluten Weltspitze. Und so versuchte er noch lange, irgendwie "durchzukommen", doch es war einfach kein Durchkommen gegen die "Giri-Mauer". Die Punkteteilung bedeutete dann tatsächlich das neunte Remis in der neunten Partie für den Niederländer Giri. Der Amerikaner Caruana durfte sich dann immerhin noch über einen nicht geteilten zweiten Platz freuen. Er profitierte dabei von dem Umstand, dass die hinter ihm platzierten Spieler keinerlei Anstalten machten, noch zu ihm aufschließen zu wollen.
Fabiano Caruana wurde in London - ohne Niederlage - Zweiter.
Es war das Duell der "lebenden Legenden" - so sah der Veranstalter die beiden Spieler völlig zu Recht:
The man, the legend @vishy64theking #LondonChess #GrandChessTour pic.twitter.com/515OzMgbrP
— Grand Chess Tour (@GrandChessTour) 18. Dezember 2016
Another legend of the game! #LondonChess #GrandChessTour pic.twitter.com/D6x5ZdCZSK
— Grand Chess Tour (@GrandChessTour) 18. Dezember 2016
Theoretisch war für beide Spieler noch der Sprung auf Platz 1 möglich gewesen - nach Wesley Sos frühem Remis war aus solch hochfliegenden Plänen aber jedwede Luft entwichen. Der Inder und der Russe gerieten in friedliche Stimmung und einigten sich - bei vollem Brett - auf ein Remis:
Im Interview nach der Partie gab es vom "Gentleman" Anand dann noch den - verbalen - Ritterschlag für Wesley So:
Anand on So's performance: "It looks effortless. I'm very very impressed by how easy he makes it seem" #LondonChess #GrandChessTour
— Grand Chess Tour (@GrandChessTour) 18. Dezember 2016
Das - nicht ausgekämpfte - Remis zwischen Anand und Kramnik hätte für Hikaru Nakamura die Chance sein können, die beiden Vorgenannten abzuhängen und sich alleine den dritten Platz zu sichern. Sogar zum zweitplatzierten Fabiano Caruana hätte "Naka" (so nennen ihn seine eingefleischten Fans) noch aufschließen können. Allein: Wie soll das gehen, wenn in so einer Stellung auf der anderen Seite des Brettes ein Michael Adams sitzt:
In der Schlussstellung ohne Gewinnchance: Hikaru Nakamura
Michael Adams wurde unter zehn Teilnehmern nur Neunter, doch diese neun Spieler lagen so eng beieinander, dass er nicht wirklich "abgeschlagen" war.
Interessierte sich heute noch jemand für diese Partie? Es blieb einem gar nichts anderes übrig, wenn man eine vollständige Abschlusstabelle des "London Chess Classic" haben wollte - Aronian und Topalov waren immer noch fleißig am Spielen, als alle anderen Partien schon längst mit einem Remis beendet worden waren. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich diese Partie - in der es nicht mehr um sehr viel ging - dann plötzlich als die interessanteste diesen letzten Tages des London Chess Classic. Topalov hatte als Schwarzer im Anschluss an die Eröffnungsphase eine Figur auf Position geopfert. Als Gegengewicht besaß er nicht nur zwei weit vorgeschobene Bauern, sondern auch hochgradig aktive Figuren - ein "Gesamtpaket", das Aronian das Leben mächtig schwer machte.
Ausgehend von dieser Stellung, in der noch alles in Ordnung war, dauerte es dann nur noch wenige Züge, bis Aronian nicht mehr die richtige Verteidigung fand. Und so wurde am Ende noch eine ungeahnte Kuriosität zur Realität: Anish Giri hatte 2,5 Punkte mehr als Topalov, und trotzdem war der Niederländer der einzige Spieler, der in London nicht eine Partie gewinnen konnte!
Er segelte in London "gefühlt" ein wenig im Windschatten der Spieler an der Tabellenspitze, gehört aber ganz fest in diesen Kreis hinein: Levon Aronian
Für Veselin Topalov war das Turnier in London ein (fast) kompletter Reinfall - vorerst hat er sich wohl aus der absoluten Weltspitze verabschiedet. Dass man ihn nicht vorzeitig abschreiben sollte, zeigte er aber heute noch einmal eindrucksvoll.
Fotos: Lennart Ootes