Magnus Carlsen Invitational: Carlsens Eröffnungsexperimente

von Klaus Besenthal
01.05.2020 – Um in guter Sporttradition jedwedes Taktieren auszuschließen, hatte man beim Online-Einladungsturnier von Weltmeister Magnus Carlsen den Beginn aller vier Matches der letzten Vorrunde auf denselben Zeitpunkt gelegt. Wirklich notwendig war dies aber nicht mehr, denn die vier Halbfinalteilnehmer hatten bekanntlich bereits am Vortag festgestanden: Hikaru Nakamura, Ding Liren, Magnus Carlsen und Fabiano Caruana. So wurde gestern nur noch "für die Galerie" gespielt, wobei der Weltmeister diesen Umstand nutzte, um ungewöhnliche Eröffnungen auszuprobieren - nicht zuletzt deshalb verlor er wohl am Ende gegen Ding Liren mit 1:3. Im Halbfinale am Samstag kann er es - gegen denselben Gegner! - besser machen.

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Magnus Carlsen Invitational

Carlsen hatte in der ersten Partie gegen Ding Liren Schwarz und entschied sich gegen das 1.e4 des Chinesen für die Nimzowitsch-Eröffnung 1. ... Sc6. Diesen Zug hatte der Weltmeister schon vorher einige Male gespielt, jedoch noch nie in der "skandinavischen Variante" mit 2. ... d5, sondern immer mit 2. ... d6, was zur Pirc-Verteidigung überleitet.

 

Die nonchalante Nimzowitsch-Verteidigung

Ihr Hauptteil besteht dabei aus einer Pirc-Verteidigung (nach 1.e4 Sc6 2.Sf3 d6 3.d4 Sf6 4.Sc3 g6), in der Schwarz die schärfsten Abspiele vermieden hat, um den geringen Preis etwas verminderter Flexibilität, da sein Springer ja bereits auf c6 steht. Auße

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In der zweiten Partie spielte Carlsen dann gegen Dings Sizilianisch 2.f4 - auch das ziemlich unkonventionell! Der Chinese opferte später eine Qualität für den Besitz des Läuferpaars, konnte sich aber nicht durchsetzen und verlor, so dass es zu diesem Zeitpunkt 1:1 zwischen den beiden stand.

Danach hatte Carlsen wieder Schwarz und versuchte die von Ding gegen seinen Sizilianer gewählte Rossolimo-Variante mit dem zuvor noch nie gespielten 3. ... h5 zu bekämpfen. Das richtete zumindest von der Tempobilanz her keinen Schaden an, weil Ding mit dem postwendenden 4.h3 reagierte, schwächte aber das Feld g5. Nicht zuletzt deswegen, aber auch weil er die letzte Gelegenheit zur Rochade verpasste, ging der Weltmeister in dieser Partie frühzeitig unter:

 

Carlsen brauchte nun einen Sieg, wenn er es noch in den Armageddon-Stichkampf schaffen wollte. Um dieses Ziel zu erreichen, bediente sich der Weltmeister des Königsgambits. Er erreichte damit auch eine eigentlich gut spielbare Stellung, doch nachdem er "falsch" auf e5 zurückgenommen hatte, wurde der schwarze Königsgambitbauer auf f4 plötzlich zu einer gefährlichen Waffe:

 

Dieser Ausgang des Matches bedeutete also, dass Ding noch einmal drei Punkte für die Gesamtwertung zugesprochen bekam, während Carlsen in dieser Hinsicht leer ausging. Es hätte natürlich komisch ausgesehen, wenn der Weltmeister bei seinem eigenen Einladungsturnier das Halbfinale verpasst hätte, doch dafür hatte er sich ja bereits vor diesem Match gegen Ding Liren qualifiziert. Andererseits wäre es vielleicht auch nicht die feine norwegische Art gewesen, wenn der Weltmeister verbissen auch dann um jeden Punkt gekämpft hätte, wenn es gar nicht notwendig gewesen wäre. Und so kann man über Carlsens unterhaltsamen Auftritt in dieser letzten Vorrunde sicher eines sagen: Stil hatte das allemal!

Die anderen Resultate der 7. Runde:

Ian Nepomiachtchi 3:2 Alireza Firouzja (für die Gesamtwertung: 2:1)

Maxime Vachier-Lagrave 2:3 Hikaru Nakamura (1:2)

Anish Giri 2½:1½ Fabiano Caruana (3:0)  

Stand nach der 7. Runde

Wie geht es weiter?

Die Halbfinals zwischen Nakamura und Caruana bzw. Ding Liren und Carlsen werden am 1. bzw. 2. Mai gespielt. Beginn ist an beiden Tagen um 16.00 Uhr; gespielt werden wieder jeweils vier Rapidpartien. In den eventuell erforderlichen Stichkämpfen würden zunächst vier Blitzpartien gespielt werden, bevor es ggfs. zu einer abschließenden Armageddonpartie käme. 

Partien

 

Offizielle Seite


Klaus Besenthal ist ausgebildeter Informatiker und ein begeisterter Hamburger Schachspieler. Die Schachszene verfolgt er schon seit 1972 und nimmt fast ebenso lange regelmäßig selber an Schachturnieren teil.

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