"Magnus": Ein neues Buch über den Weltmeister

von ChessBase
02.01.2016 – Haben Sie sich je gefragt, wie Magnus Carlsen so gut geworden ist? Wie er in einem Land ohne große Schachtradition Weltmeister werden konnte? In seinem im Oktober 2015 in Norwegen erschienenen Buch "Magnus" berichtet der norwegische Autor Aage G. Sivertsen über Carlsens Weg an die Spitze. Mit Erfolg und Motivation kennt Sivertsen sich aus. Mehr...

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Aage G. Sivertsen: Motivator, Autor, Schachenthusiast

Von Thomas Robertsen

Über Magnus Carlsen und seine Karriere wurden bereits eine Reihe von Büchern geschrieben. Im Oktober erschien in Norwegen ein neues Buch, das ganz anders war als alle davor. Denn in Aage G. Sivertsens Buch Magnus geht es weniger um phantastische Züge und großartige Partien, sondern um die Geschichte des Weltmeisters selbst.

"Magnus" - Cover von Aage G. Sivertsen Buch über den Weltmeister

In den letzten Jahren hat Sivertsen Magnus Carlsen bei wichtigen Wettkämpfen und Turnieren wie in Stavanger, London, Chennai, Dubai und Sochi aus nächster Nähe begleitet. Darüberhinaus hat er mit zahlreichen Weltklassespielern - darunter fast die gesamte Weltelite und vier ehemalige Weltmeister - gesprochen und Interviews geführt. Das ist Material, das bislang kein anderes Buch über Magnus enthält.

Doch Sivertsens wichtigste Quelle ist Henrik Carlsen, der Vater von Magnus. Die zahllosen Gespräche zwischen Sivertsen und Carlsen Senior bilden die Grundlage des Buches und so erzählt das Buch auch die faszinierende Geschichte eines Vaters und eines extrem talentierten Sohns.

Henrik Carlsen (rechts) hat Aage G. Sivertsen versprochen, mit einer
guten Zigarre zu feiern, wenn Carlsen einen WM-Kampf gewinnt.

Aber wer ist Aage G. Sivertsen, fragen Sie vielleicht. Nun, in seinem Lebenslauf könnte unter anderem stehen, dass er Autor, Schachorganisator und Motivator ist. Früher hat er auch auf recht gutem Niveau Fußball gespielt und war beim Volleyball aktiv.

Vor seinem Buch über Carlsen hat Sivertsen (unter anderem) Bücher über den Zweiten Weltkrieg, Kriminelle in Norwegen und verhaltensauffällige Jugendliche geschrieben. Wenn man sich diese Liste anschaut, könnte man sich fragen, wie er auf die Idee gekommen ist, ein Buch über Carlsen zu schreiben.

2006 Wurde Aage G. Sivertsen Mitglied des Schachklubs seiner Heimatstadt Kristiansund. Kristiansund ist eine kleine Stadt mit 25.000 Einwohnern, die an der Küste von Nord-Møre liegt. Der Verein hatte bestenfalls acht bis zehn aktive Mitglieder und kämpfte ums Überleben. Es dauerte nicht lange, bis Sivertsen Vereinspräsident geworden war und Dinge in Bewegung setzte. Sivertsen investierte Geld in den Verein und brachte eine Reihe von starken norwegischen Spielern, darunter sogar berühmte Großmeister, dazu, den Schachverein zu besuchen und für Kristiansund zu spielen.

2008 qualifzierte sich Kristiansund für die höchste norwegische Spielklasse und hatte Schachlegende Mihail Suba in ihren Reihen. Offensichtlich war Sivertsen ein Mann mit einer Mission - er wollte Dinge bewegen.

Fünf Jahre nachdem Sivertsen die Vereinsführung des Schachklubs Kristiansund übernommen hatte, war der Verein der fünfgrößte in Norwegen. Sivertsen hatte es in dieser Zeit geschafft, den schwedischen Internationalen Meister und Trainer Axel Smith und dessen Frau Ellinor Frisk nach Kristiansund zu holen, was phantastische Auswirkungen hatte. Sie sorgten für organisiertes Training und die Vereinsmitglieder wurden besser.

In der Einleitung zu seinem gut geschriebenen und instruktiven Schachlehrbuch Pump Up Your Rating verrät Smith, dass einige der Erfahrungen, die er von 2011 bis 2012 in Kristiansund gemacht hat, in das Buch eingeflossen sind. Ein anderer wichtiger Unterstützer des Vereins in dieser Zeit war der starke russische Großmeister Evgeny Romanov, der bis heute ein enger Freund von Sivertsen geblieben ist. 2012 und 2013 belegte Kristiansund in der höchsten norwegischen Spielklasse tatsächlich den zweiten Platz.

Doch auf die Landkarte des internationalen Schachs kam Kristiansund wahrscheinlich durch ein Turnier, das 2010 stattfand. Mit einem gewissen finanziellen Risiko für sich selbst, hatte Sivertsen ein Schnellschachturnier organisiert, an dem der damalige Weltmeister Vishy Anand, Judit Polgar, Magnus Carlsen und Jon Ludvig Hammer teilnahmen.

Sivertsen hatte schon sein Jahren Kontakt zu Henrik Carlsen, weil er hoffte, Magnus Carlsen nach Kristiansund bekommen zu können. Sivertsen zufolge, kam das Turnier vor allem durch die Bemühungen Henrik Carlsens zustande. Das Turnier war ein enormer Erfolg. Den amtierenden Weltmeister zu sehen, war eine Sache, aber als Magnus Carlsen eine Schule besuchte, führte das zu Szenen, die an Auftritte der Beatles erinnerten.

Magnus-Mania in Kristiansund (Foto: Ole Kristian Strøm, VG)

Die norwegische Fernsehanstalt NRK übertrug direkt vom Turnier auf ihre Internetseite - ein Vorgeschmack auf die umfangreichen späteren Schachübertragungen im norwegischen Fernsehen. Vishy Anand wollte bei seinem Besuch in Norwegen die Chance nutzen, nach Spitzbergen zu fahren, um das Licht dort zu erleben und mit etwas Glück ein paar Eisbären zu sehen.

Willkommen in Kristiansund! Aage G. Sivertsen und die Teilnehmer
des Kristiansund Schnellschachturniers 2010 (Foto: Rune Edøy)

Einsbären waren nicht in Sicht, aber trotzdem war es ein schöner Ausflug für Aage G. Sivertsen
und den damaligen Weltmeister Vishy Anand. (Privatfoto)

Später zog Sivertsen nach Oslo, in die Hauptstadt Norwegens, wo er seine Arbeit für das Schach fortführte. Im Januar 2012 kündigte er plötzlich die Gründung einer Gruppe junger Talente an. Die Nachwuchsspieler waren zwischen dreizehn und vierzehn Jahre alt und ihre Elo-Zahlen rangierten zwischen 2050 und 2200. Evgeny Romanov wurde als Cheftrainer angestellt und die Gruppe traf sich regelmäßig. Romanov gab den Jugendlichen auch Einzeltraining. Doch wie immer hielt Sivertsen an seiner Überzeugung fest, dass die Gemeinschaft mehr vermag als der Einzelne. Er glaubte, die Jugendlichen würden besser werden, wenn sie sich als Gruppe gegenseitig unterstützten. Wie immer dachte Sivertsen auch im großen Maßstab und die Gruppe wurde "Dream Team" getauft. Ihr Motto lautete: "Wahrscheinlich gibt es Grenzen, aber wir sehen sie nicht."

Wichtig für das Dream Teams war Motivation. Neben starken Schachspielern wie Peter Heine Nielsen, die Gastvorträge hielten, engagierte Sivertsen auch Motivationsexperten wie den norwegischen Abenteurer Erling Kagge. Aber der aufregendste Moment für das Dream Team war natürlich der, als sich Magnus Carlsen höchstselbst die Ehre gab und ein paar Trainingseinheiten leitete. Man stelle sich nur vor, man sei ein aufstrebendes Schachtalent, dessen Partien vom Weltmeister analysiert werden!

Das Dream Team. Eine starke Gemeinschaft aufstrebender Spieler
mit dem Weltmeister in der Mitte. (Foto: Olga Dolzhykova)

Das Dream Team entwickelte ein starkes Gruppengefühl und zweieinhalb Jahre später spielten eine Reihe der Jugendlichen für Norwegen bei der Schacholympiade. Die meisten Mitglieder der Gruppe sind noch dabei und gehören jetzt zur Schachabteilung der Norwegischen Hochschule für Spitzensport (NTG), wo sie unter den aufmerksamen Augen von Simen Agdestein fachkundige Hilfe und ausgezeichnetes Training bekommen. Drei von ihnen sind Internationale Meister geworden und Johan Salomon hat durch seinen Sieg beim Internationalen Turnier in Sitges im Juli 2015 sogar seine erste GM-Norm erzielt.

Dennoch, unser neuer Schachheld ist Aryan Tari. Bei der Mannschaftseuropameisterschaft in Reykjavik 2015 holte er seine letzte GM-Norm und ist jetzt designierter Großmeister. Im Laufe der letzten Jahre hat Aryan mit einer Reihe von Trainern gearbeitet, die alle einen bedeutenden Beitrag zu seiner Entwicklung geleistet haben. Einer davon ist der oben erwähnte Axel Smith, dem Aryan im Vorwort des erwähnten Lehrbuchs von Smith danken konnte.

Das Verbindungsglied zwischen den Trainern und den Unterstützern des Schachs in Norwegen scheint Aage G. Sivertsen zu sein. Er selbst beansprucht keinerlei Verdienst für sich, aber ich glaube, viele starke Schachspieler in Norwegen verdanken einen Teil ihres Erfolgs Sivertsen. Er ist vor allem jemand, der Dinge in Bewegung setzt, ein Motivator, der im großen Maßstab denkt. Seine Gedanken und Ansichten zum Schach sind sehr interessant. Viele dieser Gedanken findet man in Magnus. Sivertsen selbst meinte, dass das Buch bald in eine Reihe von anderen Sprachen übersetzt werden soll - erst ins Deutsche, dann ins Englische.

Aage G. Sivertsen gratuliert Magnus Carlsen zum Gewinn
der Schnellschachweltmeisterschaft in Dubai 2014.

(Foto: Ole Kristian Strøm, VG)

Über den Autor

Thomas Robertsen ist leidenschaftlicher Schachfan, der die großen Spieler und Turniere mit großem Interesse verfolgt. Genauso leidenschaftlich interessiert er sich für Schachgeschichte und liest gerne über die Spieler und Turniere der Vergangenheit. In den letzten drei Jahren hat er sich als Vorstandsmitglied des Norwegischen Schachverbands vor allem um die administrativen Seiten des Schachs in Norwegen gekümmert. Thomas Robertsen war ebenfalls Mitglied des Sportkomitees, das die Mitglieder der Norwegischen Nationalmannschaften bei der Olympiade im letzten Jahr nominiert hat. Im nächsten Sommer beendet er seine administrativen Aufgaben und hofft, dann mehr Zeit zu haben, um selber zu spielen. "Ich bin kein großartiger Schachspieler, aber kam vor ein paar Jahren immerhin auf ordentliche 2275 Elo. Ich hoffe, ich kann in Zukunft nicht nur mehr spielen, sondern auch noch mehr über Schach schreiben."

Thomas Robertsen lebt in Tromsö und hat zwei Kinder, Sander (20) und Hannah (5). Er arbeitet als Pfleger mit Kindern und Jugendlichen in einer psychiatrischen Einrichtung.

Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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