Master Class Band 8: Magnus Carlsen
Freuen Sie sich auf die DVD über das größte Schachgenie unserer Zeit! Lassen Sie sich von unseren Experten Mihail Marin, Karsten Müller, Oliver Reeh und Niclas Huschenbeth die Spielkunst des 16. Weltmeisters erklären. Ein Muss für jeden Schachfan!
Sagar Shah (SS): Sie sind leidenschaftlicher Schachspieler und haben Magnus schon als Kind die Regeln des Spiels beigebracht. Aber Schach hat ihn zunächst nicht interessiert. Wie sind Sie damit umgegangen?
Henrik Carlsen (HC): Das stimmt so nicht ganz. Als Magnus ungefähr 4½ und seine Schwester 6 Jahre alt war hatte ich den Eindruck, sie könnten Talent für das Spiel haben. Aber ich glaube, ich war in dem Irrtum befangen, dass Kinder schnell und leicht Schach spielen lernen. Deshalb würde ich nicht sagen, dass Magnus kein Interesse am Schach hatte. Ich glaube allerdings, dass Schach schwer ist, und dass Magnus Zeit gebraucht hat, um mehr zu lernen als die Grundregeln. Ich habe in Schachbüchern über Wunderkinder gelesen, die Schach angeblich einfach so (schnippt mit den Fingern) gelernt haben. Ich glaube diese Geschichten nicht mehr. Man braucht Zeit, um mehr als nur rudimentäres Wissen über das Schach zu bekommen.
Als sich Magnus dann im Herbst 1998 wirklich für Schach interessierte, war das seine Leidenschaft, und es hat wahrscheinlich ein oder anderthalb Jahre gedauert, bis ich hier wieder Ehrgeiz entwickelt habe. Ich glaube, das war sehr gut, denn so wurde das Schach zu seiner Sache, zu etwas, das er wollte.
Schachgespräch zwischen Magnus und Henrik Carlsen. | Foto: FIDE World Rapid und Blitz 2017
SS: Sie haben ihn nicht gedrängt, sondern er hat aus eigenem Antrieb Schach gespielt?
HC: Ja. Das ist mein Eindruck. Magnus hat mir später gesagt - und einer seiner Freunde teilte diese Ansicht - dass ich großes Interesse an Magnus' Schach gezeigt habe. Aber das lag an meiner eigenen Schachleidenschaft. Ich glaube, Magnus hatte schon sehr früh den Eindruck, dass Schach sein Hobby war und er entscheiden konnte, wo es lang geht. Das war wichtig.
SS: Wenn Eltern ihre Kinder zu sehr unter Druck setzen, dann verlieren die Kinder leicht das Interesse an einem Sport.
HC: In unserem Umfeld - in der Kultur des nordwestlichen Europa - muss man vorsichtig sein, Kinder zu sehr zu drängen. Meine Frau und ich haben vor allem versucht, Magnus keinerlei Hindernisse in den Weg zu legen. Nichts zu tun, was sein Interesse und seine Leidenschaft für das Schach torpedieren könnte. Natürlich haben wir ihm erlaubt, viele Turniere zu spielen, aber der Antrieb war immer seine eigene Leidenschaft und sein eigenes Interesse für das Schach. Wir hatten nicht die Aufgabe, einen Star aus ihm zu machen. Unsere Aufgabe bestand darin, ihn nicht daran zu hindern, ein Star zu werden, wenn er das will. Viele engagierte Eltern setzen ihre Kinder zu sehr unter Druck und machen deren Leidenschaft und Erfolge zu ihren Erfolgen. Aber es geht nicht um die Eltern, es geht um das Kind.
SS: Mit 11 war Magnus bereits der stärkste Jugendspieler in Norwegen und wurde als große Hoffnung des norwegischen Schachs gehandelt. In Presse und Medien beachtet zu werden, kann gut für einen Spieler sein, aber auch störend wirken. Wie sehen Sie das? Wie sind Sie damit umgegangen?
HC: Ja, aber damals waren die Zeiten noch anders. Wir reden hier über 2001 oder 2002, war ist 17 oder 18 Jahre her. Seitdem hat sich viel verändert. Die Medien waren noch nicht so allumfassend präsent wie heute. Als Magnus 8½ Jahre alt war, wurde er vielleicht ein oder zwei Mal mit einem oder zwei Sätzen in der Zeitung erwähnt, aber davon abgesehen hielt sich die Aufmerksamkeit der Medien in Grenzen. Die norwegischen Schachzeitungen haben regelmäßig über ihn berichtet, seit er neun war, und einmal hat er es diesem Alter auch auf die Titelseite gebracht. Aber er musste nicht mit der aggressiven Medienberichterstattung umgehen, die jungen Stars heute Probleme bereiten. Ich glaube, es ist schwer, damit umzugehen. Als Magnus 12 Jahre alt war, begannen sich die Medien dann tatsächlich ernsthaft für ihn zu interessieren. Aber Schach zu spielen war ein inneres Anliegen für ihn. Er hat das Schach geliebt und wollte besser werden, aber seine Ergebnisse waren immer seine Ergebnisse - nicht meine und auch nicht die Norwegens.
Nicht nur Magnus, sondern die ganze Carlsen-Familie ist in Norwegen berühmt. | Foto: Mads Stostad/NRK
SS: Die Medien waren damals noch kein wirkliches Problem?
HC: Ich würde sagen, er ist gut damit umgegangen. Aber heute halte ich die Medien für ein Problem. Ich glaube, je eher die Spieler den Medien ausgesetzt sind, desto größer ist das Problem. Mein Rat an Journalisten lautet, dass man vorsichtig sein muss, wenn man über junge Menschen schreibt. Wenn man es tut, dann sollte man sich auf die Leidenschaft für das Schach konzentrieren, nicht auf Ergebnisse. Das wäre meine Botschaft! [lächelt].
SS: Einverstanden! Welche Rolle spielen Sponsoren? Man hat Talent, der Ehrgeiz ist da, aber irgendwann gehen die finanziellen Reserven zur Neige. Dann ist es wichtig, einen Sponsor zu haben.
HC: Ich glaube, da hatten wir ein Glück, denn wir gehören zur Mittelschicht und kommen aus Norwegen, einem reichen Land. Bis zu einem gewissen Grad konnten wir Magnus fördern ohne unsere anderen Kinder zu benachteiligen. Aber Magnus hatte schon mit elf einen Sponsor. Sein Haupttrainer war damals Simen Agdestein, und nicht wir, sondern Agdestein hat die Initiative ergriffen, um diesen Sponsor zu bekommen. Als Magnus 13 war, hat Microsoft ihn unterstützt und einen großen Teil seiner Reisekosten übernommen.
Aber ich glaube, wir hätten ihn auch ohne Sponsoren Schach spielen lassen, denn wir konnten es uns leisten. Als er 13 oder 14 war, hat er mit Schach schon gutes Geld verdient. Das lief alles sehr glatt.
Magnus und Henrik Carlsen | Foto: Amruta Mokal
SS: Wie haben Sie Ihr Geld verdient?
HC: Ich bin Ingenieur. Meine Frau ist ebenfalls Ingenieurin. Ich habe viele Jahre in der Ölindustrie gearbeitet, danach als Berater für SAP, und dann habe ich für meinen Sohn gearbeitet.
SS: Es wird immer wieder erzählt, dass Sie aufgehört haben, zu arbeiten, um Magnus bei Turnieren zu begleiten. Stimmt das?
HC: Ich konnte das gut miteinander verbinden. Ich habe als Berater in Teilzeit gearbeitet und bin mit Magnus zu Turnieren gefahren. Das war gut, denn ich fahre gerne zu Turnieren mit Magnus, das gefällt mir besser als mein Job! Letztendlich war es keine so schwere Entscheidung, seiner Karriere Vorrang einzuräumen. Als unsere Kinder noch klein waren, sind entweder meine Frau oder ich zu Hause geblieben, doch dann hat meine Frau wieder gearbeitet und ich konnte mit den Kindern zu Hause sein, wenn ich nicht mit Magnus auf Turnieren war. Als Familie haben wir das ziemlich gut hingekriegt, und wir sind froh, wie sich die Dinge entwickelt haben.
SS: 2003 hat die Carlsen-Familie dann beschlossen, mit dem Wohnwagen ein Jahr durch Europa zu reisen und Magnus bei Turnieren zu begleiten. Eine mutige Entscheidung.
Die Carlsen-Familie 2003 in Areopagos | Foto: Henrik Carlsen
HC: Nein, das war keine mutige Entscheidung! [lächelt]. Meine Frau und ich hatten beide schon immer den Traum, mit unseren Kindern zu reisen. Die Schulen in Norwegen haben engagierte Lehrer, aber es ist schwer, den Kindern individuelle Aufmerksamkeit zu widmen. Deshalb hatten wir die Idee, unsere Kinder zu Hause zu unterrichten, zumindest für ein halbes oder ein ganzes Jahr. So sind wir ein Jahr durch Europa gereist, haben die Kinder unterrichtet, historische und kulturelle Sehenswürdigkeiten in Europa besucht und all das mit dem Turnierprogramm von Magnus verbunden! Wäre Magnus kein Schachspieler gewesen, dann hätten wir das vielleicht nicht gemacht, aber Schach war dabei nie das Wichtigste! Da die Familie zusammen gereist ist und wir uns darum kümmern mussten, die Kinder zu unterrichten, ging es um mehr als nur die Schachturniere von Magnus! Wir haben uns gefreut, dass wir als Familie zusammen reisen konnten!
Es war interessant zu sehen, wie Magnus im Herbst viel gespielt und sich wirklich gefordert hat, um besser zu werden, aber kaum sichtbare Erfolge vorweisen konnte. Zu Weihnachten hat er dann einen Monat Pause gemacht, und als er sich nach Weihnachten wieder ans Brett gesetzt hat, war er gereift und hat gespielt wie ein Großmeister. Wenig später wurde er dann auch Großmeister. Magnus hat immer wieder betont, wie wichtig dieser Reifeprozess und das Jahr, in dem wir mit der Familie gereist sind, für seine Entwicklung als Schachspieler war. Wir hatten Glück, dass das mit der Familie so gut geklappt hat. Auch unsere Töchter waren sehr glücklich über diese Reise.
SS: Glauben Sie, dass solche Reisen ein praktikabler Weg sind, um Kinder zu erziehen? Was ist mit regelmäßigem Schulbesuch, guten Zeugnissen und einem guten Abschluss?
HC: Ich glaube, das Beste wäre, man könnte beides miteinander verbinden. Wir hatten zwar den Ehrgeiz, unsere Kinder selbst zu unterrichten, aber tatsächlich waren sie nicht allzu sehr davon begeistert, all zu viel Unterricht zu haben, während wir durch Europa gereist sind. Wir mussten unsere Erwartungen zurückschrauben.
Aber hier kommt das wirklich Interessante: Als die Kinder nach unserer Rückkehr wieder zur Schule gingen, haben alle Lehrer gesagt, dass sie so viel gelernt haben und innerlich sehr gereift sind. Kein einziger Lehrer hat sich je beklagt. Da haben wir erkannt, wie gut diese Reise für den Lern- und Reifeprozess unserer Kinder war. Die ganze Familie hat schöne Erinnerungen an unsere Reise durch Europa.
Salzburg 2003 | Foto: Henrik Carlsen
SS: Hat Magnus seine Ausbildung später irgendwann offiziell abgeschlossen?
HC: Magnus ist erst aufs Gymnasium und dann auf eine Schule für Spitzensportler gegangen, wo er Simen Agdesteins Schachakademie besucht hat. Allerdings war Magnus meistens auf Turnieren und hat deshalb die Mindestanforderungen der Schule nicht erfüllt. Er hat keinen offiziellen Schulabschluss. Er hat die Anforderungen knapp verpasst, aber Schule hatte einfach keine Priorität mehr. Magnus scheint diese Entscheidung jedoch nie bereut zu haben.
SS: Jetzt ist Magnus Weltmeister, aber wie haben Sie seine Entscheidung, die Schule nicht zu beenden, damals aufgenommen?
HC: Eine gute Frage. Als er noch zur Schule ging, waren wir der Meinung, es wäre gut, nicht nur aufs Schach zu setzen, sondern auch die Ausbildung zu beenden, um mehr Möglichkeiten und einen Ausgleich zu haben. Aber schon auf dem Gymnasium wurde deutlich, dass er Schachspieler werden wollte, und dass er sich als Profi durchsetzen könnte. Mit 15½ hatte er bereits über 2700 Elo. Außerdem hatte er die Entscheidung für sich bereits getroffen und wir als Eltern haben uns dem nicht widersetzt.
SS: Haben Sie sich schon einmal über Magnus geärgert, nachdem er eine Partie gespielt hat?
HC: Als Magnus 8½ Jahre alt war, habe ich ihn einmal zu einem Turnier gefahren, und als ich ihn paar Stunden später wieder abgeholt habe, hatte er bereits ein paar Partien verloren und es war klar, dass er unter seinem Niveau gespielt hat. Auf der Rückfahrt stand ich kurz davor, eine kritische Frage zu stellen oder ich habe es sogar gemacht, aber diese Frage sofort bereut. Denn in dem Moment habe ich begriffen, dass dies seine Entwicklung ist, seine Ergebnisse. Ich bin nur da, um ihm zu helfen und ihn zu unterstützen. Er versucht, sein Bestes zu geben. Warum sollte ich ihn für irgendetwas kritisieren, dass er tut? Ich glaube, er schätzt es, dass ich nicht auf die Ergebnisse poche. Wenn man seine Kinder loben will, dann sollte man ihre Anstrengungen loben, aber nicht so sehr auf ihre Ergebnisse achten. Die Kinder tun ihr Bestes. Was kann man mehr verlangen?
SS: Woher kommt dieses Vertrauen in Ihre Kinder?
HC: Magnus hat einfach leidenschaftlich gern Schach gespielt. Hätte er nicht so leidenschaftlich gespielt, dann hätten wir dem Schach weniger Priorität eingeräumt. Doch seine Leidenschaft hat dafür gesorgt, dass wir ihn nicht drängen mussten oder Erwartungen an ihn stellen mussten. Das hätte nur geschadet, denn seine gesamte Motivation kam aus ihm selbst heraus.
SS: Gab es einmal Zeiten, in denen Magnus das Interesse am Schach verloren hat, und Sie eingreifen mussten, um sein Interesse wieder zu beleben?
HC: Nicht wirklich. Wir haben Schach als sein Hobby betrachtet und er konnte entscheiden, wie viel Zeit er für das Schach verwendet, so lange das nicht zu sehr mit der Schule kollidiert. Nun, als er 15 war, haben Schach und Schule bei ihm stark kollidiert, aber das haben wir akzeptiert. Wenn man so leidenschaftlich Schach spielt wie Magnus, dann ist es ein Vorteil und definitiv kein Nachteil, aus Norwegen zu kommen, denn es ist leichter, seinen Kindern die Freiheit zu geben, sich in ihren eigenen Tempo und Rhythmus zu entwickeln.
Hier ein Beispiel, das zeigt, was ich meine. Als er 14 war, hat Magnus kurzfristig mit Kasparov und ein paar von Kasparovs Trainern zusammengearbeitet. Als Kasparov oder einer der Trainer Magnus aufgefordert hat, Hausarbeiten zu machen, war Magnus einverstanden. Nach ein paar Tagen habe ich Magnus dann gefragt, wie weit er mit den Hausaufgaben ist. Er meinte, er hätte ein bisschen daran gearbeitet. Magnus gefiel das nicht. Er hat ein paar der Hausaufgaben gemacht, aber nicht alle. Die Zusammenarbeit von Magnus und Kasparov wurde beendet, weil Magnus die Kontrolle darüber haben wollte, was er macht. Kein Druck! Ich hielt es zwar für keine gute Idee, als 14-Jähriger auf eine mögliche Zusammenarbeit mit Kasparov zu verzichten, aber ich habe mir gesagt, es ist Magnus' Hobby und deshalb verzichte ich auf Kritik und Kommentare. Magnus allein hat die Entscheidung getroffen. Doch ich sah, dass Magnus zu wissen scheint, was für ihn das Beste ist. Also sollte ich mich da nicht einmischen. [lächelt]
Kasparov und Carlsen bei einer späteren Zusammenarbeit
SS: Wie war es, als Magnus in Dubai 2004 seine letzte GM-Norm erzielt hat und Großmeister wurde?
HC: Großartig! Und ich habe ihn bewundert, denn ich konnte immer noch nicht begreifen, dass er so gut war! Ich hatte den Eindruck, dass seine Gegner ihn etwas unterschätzt haben. Ich glaube, jüngere Spieler werden oft unterschätzt und ältere Großmeister wissen oft nicht, wie sie gegen die jungen Spieler spielen sollen. Aber in jedem Fall hat Magnus schon damals auf sehr hohem Niveau gespielt. Er hatte seine letzte und entscheidende GM-Norm sogar schon eine Runde vor Schluss sicher gehabt. Unglaublich. Ich habe gedacht, ich träume!
Magnus in Dubai in 2004, wo er seine letzte GM-Norm erzielt hat. Aber welche später bekannten Großmeister sind hier noch zu sehen? | Foto: Henrik Carlsen
SS: Sein Sieg gegen Vladimirov in Dubai war wirklich erstaunlich!
HC: Ja, das war eine gute Partie! An die habe ich gerade gedacht! [lächelt]
SS: Danach kam der Aufstieg zur Nummer 1 der Welt. Hatten Sie irgendwann einmal Angst, dass Magnus stagnieren würde?
HC: Natürlich hatte Magnus Durststrecken. Er war erst 13½ Jahre alt, aber wollte gegen alle Großmeister gewinnen. Aber er war noch nicht stark genug und verlor eine Menge Partien und eine Menge Elo-Punkte. Ungefähr 50 in einem Jahr. Ich machte mir Sorgen, denn ich wusste nicht, wie er diese Niederlagen verkraften würde. Aber nach jeder Niederlage spielte Magnus die nächste Partie mit noch mehr Energie und wollte unbedingt gewinnen! Er hat nicht aufgegeben und nach einem Jahr, als er etwa 14½ war, hatte er ein Gefühl für diese GMs mit 2650 oder 2700 entwickelt. Er wusste, wie sie spielen, und in jedem Turnier, das er danach gespielt hat, kam er auf eine Performance von 2700 oder mehr.
Die ganze Zeit haben uns die Leute erzählt, dass er nicht fleißig genug ist, dass er ein ordentliches Repertoire braucht und Eröffnungen lernen muss, aber diese Ratschläge haben uns seine gesamte Karriere hindurch begleitet. Aber auch ohne ausgefeiltes Repertoire wurde er zur Nummer 1. Auch hier ist er also seinen eigenen Weg gegangen.
2009 hat er dann mit Kasparov gearbeitet. Magnus gehörte damals schon zu den besten Spielern der Welt, obwohl sein Eröffnungsrepertoire deutlich schlechter war als das anderer Weltklassespieler. Doch die Arbeit mit Kasparov hat das geändert. Magnus hat viel von seinen Trainern gelernt. Als er 9 Jahre alt war, hat ihn Torbjorn Ringdall trainiert, als Magnus 11 war, begann die Zusammenarbeit mit Simen Agdestein und mit 18 hat er dann mit Kasparov trainiert. Durch diese Zusammenarbeit hat er noch einmal einen Leistungssprung gemacht.
SS: Sie begleiten Magnus zu Turnieren, aber sind nicht mehr sein Manager?
HC: Irgendwann habe ich einen Manager für Magnus gesucht. Das fing 2009 an, als wir nach Sponsoren finden wollten, die das Training mit Kasparov unterstützen, denn das war ziemlich teuer. Espen Agdestein, der Bruder von Simen Agdestein, bot seine Hilfe an, und er war der richtige Mann dafür. Die Zusammenarbeit lief sehr gut und nach zwei Jahren übernahm er die Rolle des Managers für Magnus. Ich war froh darüber, denn Magnus' Manager zu sein, hat mir nur wenig Spaß gemacht. Das ließ sich schlecht mit meiner Rolle als Vater vereinbaren!
SS: Wie sieht Ihre Rolle jetzt aus, wenn Sie Magnus bei Turnieren begleiten?
HC: Ich kümmere mich vor allem um die praktischen Details. Termine, Essen, Trinken, Kontakte zu Medien - und ich genieße das Schach! [lächelt]
SS: 2013 wurde Magnus Weltmeister. Wie haben Sie den WM-Kampf gegen Vishy Anand damals erlebt?
HC: Vor dem Match hatten wir ein wenig Bedenken. Der Wettkampf fand in Indien statt, Anands Heimatland, einem Land, in dem wir noch nie gewesen waren und das ganz anders funktioniert, als wir es von Norwegen und Europa kannten. Aber dann erwies sich der WM-Kampf als einzigartige Erfahrung. Die märchenhafte Umgebung, die vielen begeisterten Zuschauer, das enorme Medieninteresse - das war wie ein Traum. Natürlich sind die Erinnerungen an den Wettkampf auch deshalb gut, weil wir gewonnen haben.
Henrik und Magnus Carlsen | Foto: Sagar Shah
SS: Haben Sie sich nach dem Gewinn des WM-Kampfs noch einmal an den Weg zum WM-Titel erinnert?
HC: Nicht wirklich. Ich habe versucht, den Leuten zu danken, die uns geholfen haben. Mir hat der Weg dorthin vor allem Spaß und Freude bereitet, und ich glaube, auch der Rest unserer Familie, vor allem die Schwestern von Magnus, haben Spaß am Schach und unseren Reisen gehabt. Sie arbeiten jetzt gelegentlich im norwegischen Fernsehen als Kommentatorinnen. Sie sind Teil der Schachfamilie, und ich hoffe, das bringt ihnen mehr Nutzen als Probleme.
Die Schwestern von Magnus Carlsen: Signe (links), Ellen und Ingrid | Foto: Amruta Mokal
SS: Welche Pläne haben Sie im Moment? Zur Zeit haben Sie eine Elo-Zahl von 2075. Wollen Sie sich irgendwann wieder Ihrer eigenen Schachkarriere widmen oder wollen Sie Magnus weiter auf Turnieren begleiten?
HC: Ich möchte hier nicht allzu viel über meine Schachkarriere verraten [lacht].
Magnus Carlsen schaut Henrik Carlsen beim Spielen zu. | Foto: Biel Chess 2018
Vielen Dank für das Gespräch!
Sagar Shah und Henrik Carlsen
Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer