Marta Michna erklärt Rücktritt

von ChessBase
13.12.2017 – Nachdem Marta Michna nicht mehr für den B-Kader berücksichtigt wurde, protestierte sie in einem Offenen Brief gegen diese Entscheidung der Kommission Leistungssport des Deutschen Schachbundes. Im Zuge der Diskussion zu diesem Vorgang hat sie nun ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. (Foto: Karsten Wieland)

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Liebe Schachfreunde, liebe Kommission,

nachdem ich nicht für den B-Kader nominiert wurde, gab es intensive öffentliche und auch nichtöffentliche Diskussionen. Im Ergebnis sehe ich für mich keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer Dorian Rogozenco und habe mich deswegen dazu entschieden, unter ihm nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.

Er ist ein guter Trainer, aber hat in meinen Augen keine Ahnung vom Frauenschach. Er trägt eine Mitverantwortung an unserem schlechten Abschneiden, aber anstatt dazu zu stehen und sich für seine Fehler zu entschuldigen, wälzt er die Schuld komplett auf die Spielerinnen ab.

Der Mannschaft wünsche ich für die Zukunft uneingeschränkt alles Gute!

Marta Michna

 

Vor dem Rücktritt erreicht uns am gleichen Abend noch folgender Offener Brief von Marta Michna, den wie hier der Vollständigkeit halber auch veröffentlichen:

 

Liebe Kommission, liebe Schachfreunde,

zunächst möchte ich mich für die zahlreichen Kommentare bedanken. Es freut mich, dass mein Fall für Interesse sorgt. Die Unterstützung tut mir gut, und auch die Kritik nehme ich auf.

Ich möchte einige Punkte aus den bisherigen Diskussionen aufgreifen.

Herr Jagodzinsky schreibt: "Spieler oder Spielerinnen werden nicht wegen eines einzelnen Turnierergebnisses nicht berücksichtigt." Hier muss ich ganz klar feststellen, dass der Bundestrainer mir die Nichtnomierung auf Nachfrage eindeutig und ausschließlich mit meiner "sehr schlechten" Leistung bei der EM begründet hat.

Herr Jagodzinsky schreibt auch: "Der Bundestrainer verbringt während der Turniere und im Rahmen von Trainingsmaßnahmen viel Zeit mit den Nationalspielern und -spielerinnen." Das ist nicht vollkommen richtig. Er ist während der Olympiade oder EM für die Spielerinnen quasi nicht existent, es sei denn, man trifft sich zufällig beim Essen. Seine Konzentration gilt dem Männerteam – was auch total okay ist, weil wir Frauen einen eigenen Teamchef haben. Dies kritisiere ich auch nicht, aber ich möchte es richtigstellen. [Die Männer haben übrigens mit einer konservativen Aufstellung gespielt. Rasmus Svane also (mit einem herausragenden Ergebnis) an Brett 5 und nicht an 2.]

Zu meiner Leistung bei der EM wurde geschrieben, dass ich von einem sehr glücklichen Sieg in der letzten Runde profitiert habe. Das ist absolut richtig. Richtig ist aber auch, dass ich in der ersten Runde in vorteilhafter Stellung ein Remis zum sicheren Sieg für die Mannschaft genommen habe. Und ebenfalls sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen, dass ich in 5 meiner 7 Partien Schwarz hatte. Dies ist genauso zu berücksichtigen, wenn man schon ins Detail geht.

Klarstellen möchte ich auch – und ich denke, dass ist auch bei den meisten Lesern so angekommen – dass ich lediglich kritisiert habe, dass Josefina Heinemann an Brett zwei gespielt hat. Dass sie nominiert wurde, finde ich absolut richtig. Sie ist eine starke Spielerin, die in den kommenden Jahren, hundertprozentig noch deutlich besser werden wird – sicherlich auch besser als ich. An einem hinteren Brett wäre sie eine echte Stütze für die Mannschaft gewesen. Mein besonderer Blick gilt immer auf Polen, für die ich viele Jahre gespielt habe. Dort hat bei der Olympiade in Baku eine Spielerin, die Elo-mäßig hinter Josefina rangiert, am letzten Brett 6 aus 6 gemacht und damit einen großen Beitrag zur Silbermedaille geleistet. Ich bin mir sicher, weiter hinten wäre Josefina auch sehr wertvoll für das Team gewesen.

Über Umwege habe ich inzwischen gehört, dass der Bundestrainer bei der Tagung der Kommission gesagt habe, ich selbst hätte nicht an Brett zwei spielen wollen. Falls dies stimmt (da ich nicht dabei war, kann ich das nicht belegen) – wäre dies gelogen. Als er mich im persönlichen Gespräch vor dem Turnier fragte, ob ich an 2, 3 oder 4 spielen möchte, habe ich klar gesagt, dass ich dort spiele, wo es für die Mannschaft am besten ist. Von dem Plan, Josefina an Brett 2 zu setzen, habe ich erst zu spät erfahren, sonst hätte ich versucht, ihn umzustimmen.

Ich halte den Bundestrainer für einen sehr guten Trainer – ich habe selbst schon mit ihm trainiert. Ich kann es aber nicht akzeptieren, wenn ich aus immer noch nicht nachvollziehbaren Gründen von ihm demontiert werde. Ich denke, der DSB wäre besser beraten, bei der Nominierung der Frauen-Kader und -Mannschaft auf den Teamchef der Frauen zu vertrauen, der bei dem wichtigsten Turnier des Jahres direkt an der Mannschaft dran ist und sich nicht auf fremde Quellen verlassen muss. Die Entscheidung, Josefina an Brett 2 zu setzen, war die Entscheidung des Bundestrainers. Er allein ist dafür verantwortlich und sollte auch zugeben, dass er dadurch eine Mitverantwortung für das schlechte Abschneiden trägt und nicht alle Schuld auf die Spielerinnen abwälzen.

Mein offener Brief und auch diese Antwort haben sicherlich viel Diskussionen und Unruhe gebracht, aber ich hoffe, sie bewegen auch etwas. Ich hoffe, dass das Tischtuch zwischen dem DSB und mir dennoch nicht zerschnitten ist. Ich lebe nun seit mehr als elf Jahren in Deutschland, unsere Kinder gehen hier zur Schule oder studieren, ich bin hier glücklich, ich schätze das Land sehr und lebe gerne hier. Und genauso gerne spiele ich für die deutsche Nationalmannschaft. Ich bin immer noch sehr ehrgeizig und sicher, dass wir als Mannschaft auch viel mehr erreichen können als in den letzten beiden Jahren.

Dies soll in der öffentlichen Diskussion mein Schlusswort sein. Vielen Dank!

Marta Michna

 

 


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