Master Class Band 2 - Mihail Tal

von Tobias Dolgener
03.06.2015 – Der Name Mihail Tal steht für kühnes Angriffsschach, waghalsige Figurenopfer, Phantasie und Kreativität. Band 2 der Fritz-Trainer Master Class Serie stellt den "Schachzauberer" vor: Mit Analysen von Tals Eröffnungen, Strategie, Taktik und Endspiel und allen Tal-Partien, viele davon ausführlich kommentiert. Tal-Fan Tobias Dolgener war begeistert. Mehr...

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Zaubern wie Mihail Tal - Magische Momente mit dem Fritz-Trainer 

Neben Bobby Fischer (meine vorige Rezension siehe hier) hat auf mich, am Anfang meiner Schachlaufbahn, vor allem der achte Schachweltmeister Mihail Tal die größte Faszination ausgeübt. Dabei hatte ich das Glück, Verwandte in der damaligen DDR zu haben, die mir Schachbücher aus dem Sportverlag von Ost-Berlin zusandten. Die beiden Bände „Der Weg zum Erfolg” von Alexander Koblenz und Mihail Tal aus dem Jahr 1982 habe ich ausgiebig studiert. Schwungvolle Angriffe, verblüffende Opfer, großartige Kombinationen, das hat mich ungemein begeistert.

Tal begann seinen meteorhaften Aufstieg auf den Schacholymp Ende der 1950er Jahre. Damals dominierte in der sowjetischen Schachszene ein streng wissenschaftlicher Spielstil, der vor allem vom sechsten Schachweltmeister Botwinnik geprägt wurde. Mit seinem spektakulären Angriffsschach setzte Tal ganz neue Akzente. Nicht zufällig wurde er bald der „Magier von Riga“ genannt. Interessant hierzu auch die Meinungen von Garry Kasparov sowie Artur Jussupow und Mark Dvoretski.

Eine von Tals spektakulärsten Partien, die mir äußerst gut gefallen hat, war Mihail Tal – Hans-Joachim Hecht, Varna 1962:

 

 

Tal opferte früh einen Bauern, und nach dem 18. Zug von Schwarz waren gleich drei seiner Figuren angegriffen.  Mit einem Damenopfer entzündete Tal ein wahres Feuerwerk auf dem Brett. In dem kleinen Buch „Schach und Turniertaktik“ (Beyer Verlag 1983) schilderte Hecht diese Begegnung aus seiner eigenen Sicht. Das Buch ist nur noch gebraucht erhältlich, aber toller Weise ist der Beitrag in dem exzellenten Band Zaubern wie Schachweltmeister Michail Tal von Karsten Müller und Raymund Stolze enthalten.

Natürlich war ich auf den zweiten Fritz Trainer in der Reihe Master Class über Mihail Tal  sehr neugierig. Klar fand ich es sehr sympathisch, dass nach dem ersten Trainer mit Bobby Fischer Chessbase die Reihe nun mit Tal fortgesetzt hat. Die weiteren Titel findet man im Chessbase Shop unter der Rubrik Training bei Master Class.

Wenn man im Shop die Option „Download“ wählt, kann man sich die Dateien binnen weniger Minuten herunterladen und muss nicht erst auf den Versand per Post warten. Sorgen, dass man ohne DVD auf seine Dateien nicht mehr Zugriff hat, braucht man nicht zu haben. Denn sämtliche erworbene Downloads mitsamt den Seriennummern findet man im eigenen Konto im Chessbase Shop unter „Meine Downloads“ wieder.

Nach der obligatorischen Aktivierung mit der Seriennummer ist der Tal Trainer startbereit, und die Videos stehen zur Verfügung. Falls man die Datenbank Software von Chessbase noch nicht im Einsatz hat (die neueste Version ist Chessbase 13), kann man sich den mitgelieferten Chessbase Reader 12 kostenlos herunterladen. Damit hat man ebenso den vollen Zugriff auf alle Funktionen des Tal Trainers.

Der Einstieg erfolgt in der Datenbankübersicht mit einem Doppelklick auf das Symbol des Tal Trainers, welches im gleichen Design wie das Bild der DVD gestaltet ist und sich somit schön von den anderen Datenbanken abhebt. Mit einem Sprung auf den Text-Reiter kommt man in das „Cockpit“. Von dieser Inhaltsübersicht kann man über Links bequem alle Inhalte erreichen:

Wie schon im Fischer Trainer ist der Aufbau gleich gestaltet. In vier Kategorien (Eröffnungen, Strategie, Taktik und Endspiele) gibt es Video Clips von denselben Großmeistern Rogozenco, Marin, Müller sowie dem Internationalen Meister Reeh.

Als Erstes fiel mein Blick auf das Zusatzmaterial. Die Datenbank mit allen Tal Partien enthält sage und schreibe 2.895 Partien, davon sind 351 teils sehr ausführlich kommentiert. Man findet auch Markierungen mit Medaillen:

Den Partien vorangestellt sind 7 Texteinträge mit chronologisch geordneten Turniertabellen der Turniere, in denen Tal teilgenommen hat. Von der Gestaltung her hat der Fischer Trainer hier höhere Maßstäbe gesetzt. Dort sind weit mehr Texteinführungen sowie mehr Fotomaterial vorhanden. Im Tal Trainer findet man nicht diese Fülle von biographischen Angaben, was mir an der Fischer Datenbank besonders gefallen hat. Nur zu den Weltmeisterschaftskämpfen 1960 und 1961 gegen Botwinnik gibt es eigene Seiten mit Fotos:

Das fand ich etwas schade, hier hätte man  - wie im Fischer Trainer - noch etwas mehr biographisches Material hinzufügen und auch chronologische Einführungen geben können. Fotomaterial ist durchaus vorhanden, vor allem auf der englischen Chessbase Seite findet man einige interessante Beiträge (sogar mit Video über das Blitzmatch gegen Kasparov sowie über seine Hauptkonkurrenten Keres und Botwinnik).

Die Datenbank selber ist erstklassig, mit dem kompletten Partienmaterial von Tal. Mittels der vorinstallierten Schlüssel zu Spielern, Turnieren, Kommentatoren, und Mannschaften kann man sich sehr schnell einen Überblick über Tals Lebenswerk verschaffen. Exzellent sind auch die Suchmöglichkeiten. Als Erstes hat mich interessiert, wie oft Tal gegen Bobby Fischer gespielt hat. Berühmt ist das Aufeinandertreffen der beiden bei der Schacholympiade in Leipzig:

 

 

Mihail Tal und Bobby Fischer bei der Schacholympiade Leipzig 1960

In einem hochdramatischen Kampf, den Fischer auch in seinem Buch „Meine 60 denkwürdigen Partien“ aufgenommen hat (Partie 23), einigte man sich auf Remis. Auch Tal hat diese Partie in seiner Biographie „The Life and Games of Mikhail Tal“ kommentiert (Partie 36). In der Chessbase Datenbank erhält man nicht nur die Kommentare der beiden Kontrahenten, sondern zudem ausführliche Analysen von anderen Experten wie Robert Hübner, Knaak und Myers.

Die Statistik, welche man in der Datenbank sehr einfach aufrufen kann, zeigt 11 Turnierpartien, wobei Tal viermal gewann und Fischer zweimal, bei 5 Unentschieden.

Wenn man, wie ich, Bücher über Tal hat, kann man mit der Datenbank sich das Nachspielen ungeheuer vereinfachen. Man sucht sich die jeweilige Partie im Nu heraus, und verfolgt dann digital auf dem Bildschirm die Züge. Vor allem wenn man variantenreiche Analysen nachvollziehen will, hat man den Riesenvorteil - gegenüber dem Nachspielen auf einem herkömmlichen Schachbrett - per Mausklick immer wieder auf die Ausgangsstellung zurück zu kommen. Wenn man zudem ein Schachprogramm wie Deep Fritz 14 im Einsatz hat, kann man die Schachengine als Kiebitz hinzuziehen, um Stellungseinschätzungen sofort selber zu prüfen.

Neben der umfangreichen Datenbank erhält man als Zusatzmaterial auch zwei Eröffnungsbäume, Tal mit Weiß sowie Tal als Schwarzspieler. Hiermit kann man sich recht bequem einen Überblick über Tals Eröffnungsrepertoire machen.

Für sehr wertvoll halte ich die Trainingsdatenbank mit sagenhaften 245 Trainingsfragen (deutlich mehr als im Fischer Trainer, wo 100 Stellungen zu lösen waren)! Hiermit bekommt man Stellungen aus Tals Partien vorgesetzt, und hat die Möglichkeit selber zu zaubern wie der Magier. Je nach Schwierigkeitsgrad ist eine Zeit vorgegeben. Dabei kann man sich in einer Fülle von unterschiedlichen Situationen selber testen. Nicht nur Mattangriffe, sondern auch Kombinationen zum Materialgewinn oder Endspieltricks kommen bunt gemischt vor. Durch das Lösen der Aufgaben hat man nicht nur Spaß, sondern schärft ganz gezielt seinen Blick für taktische Motive und Lösungen.

Schon diese Fülle an Zusatzmaterial macht den Fritz Trainer über Tal für jeden Schachfreund jeglicher Spielstärke ungemein attraktiv.

Der Hauptteil sind die Videos der eingangs bereits genannten Experten. Sämtliche Bereiche des Schaffens von Tal werden dabei behandelt. Natürlich denkt man bei einem Spieler wie Mihail Tal zuerst an Taktik. Daher hat mich von dem umfangreichen Videomaterial - mit über 4 Stunden Spielzeit! - als Erstes die Rubrik mit diesem Thema angezogen.

Der IM Oliver Reeh hatte die nicht so einfache Aufgabe, hierfür eine Auswahl zu treffen. Dies ist ihm sehr gut gelungen. In 20 Videoclips stellt er dem Zuschauer taktische Aufgaben zum Lösen vor. Zunächst geht er auf die Eigenheiten der Ausgangsstellung ein. Dann stellt er die Frage, was man selber ziehen würde. Das Video hält an und man hat Zeit, zu überlegen und einen Zug auf dem Brett einzugeben. Wenn man den richtigen Zug gefunden hat, lobt einen Reeh („ausgezeichnet gesehen“, „hervorragend“), was sehr motivierend wirkt. Liegt man mit seinem Zug falsch, gibt Reeh oft noch weitere Tipps, was man beachten und erreichen soll. Mit dem Klick auf „nochmal“ kann man danach noch einen Versuch starten. Gelingt es nicht, hilft der gelbe Lösungs-Schalter, wonach das Video fortgesetzt und die korrekte Lösung angezeigt wird. Instruktiv, wie Reeh auch die grafischen Möglichkeiten der Chessbase Software nutzt, und Zusammenhänge verdeutlicht, so zum Beispiel bei der Kombination von Tal gegen Brinck Claussen.

Am meisten beeindruckt hat mich der Video-Clip 14, wo Tal mit Weiß den für sein Sicherheitsspiel bekannten Weltmeister Tigran Petrosjan in nur 23 Zügen zur Aufgabe zwingt. Aus meiner Sicht die schönste Pointe zeigt Reeh im 16. Clip bei der Partie Spassky - Tal, und zwar in einer Nebenvariante, die nicht gespielt wurde. Tal selbst erwähnt in seinen Partiekommentaren diese Möglichkeit nicht. Vollkommen verblüffend, wie ein Mattnetz mit nur zwei Figuren geknüpft wird, und Weiß – obwohl er eine Dame mehr hat – keine Verteidigungsmöglichkeit finden kann. Sehr schön, daß Reeh hier eigene Untersuchungen vorgenommen hat und solche versteckten wunderbaren Möglichkeiten vermittelt.

Endspiel-Experte GM Dr. Karsten Müller zeigt, wie findig Tal auch in Endspielen war. 12 Videos hat er dafür produziert. Das Material unterteilt er in drei Kapitel, „Magische Momente“, „Turmendspiele“ und „Berühmte Tal-Endspiele“.  Selbst gegen erstklassige Gegner wie Garry Kasparow hat Tal seine magischen Fähigkeiten in der letzten Phase der Partie unter Beweis gestellt. Faszinierend fand ich vor allem das Endspiel mit vier Damen im Clip 4, und den kombinatorischen Schlag in Clip 3, der allerdings nicht aufs Brett kam, weil Tals Gegner vorher aufgab. Auch bei den Turmendspielen vermeidet Müller „langweilige“ technische Ausführungen, und zeigt überraschende Wendungen und spannende Momente. Wie Müller angibt, kann man heute mit Computeranalysen und Endspieldatenbanken beweisen, wie gut Tals Züge und seine ausgezeichnete Intuition waren. Bei den berühmten Endspielen geht es allesamt um Beispiele aus den WM-Kämpfen gegen Botwinnik, wo es auch zu einigen magischen Momenten gekommen ist, die von Müller eingehend erläutert werden.

Was Tal mit Strategie am Hut hatte, zeigt GM Mihail Marin. In seinem einleitenden Video erklärt Marin, dass man Tal zuallererst für einen taktischen Spieler hält und er nicht unbedingt für strategische Leistungen berühmt ist. Als Beispiel zeigt er auch eine eher antistrategische Partieanlage von Tal in der dritten Partie der WM 1960, mit Weiß gegen Botwinnik. Hier spielte er nach 1.e4 c6 2.¤c3 d5 3.¤f3 ¥g4 4.h3 ¥xf3 5.gxf3?! und geriet in eine positionell verlorene Stellung, konnte aber am Ende ein Remis erkämpfen. In weiteren vier Videos zeigt jedoch Marin, dass Tal durchaus auch im Bereich Strategie Außerordentliches geleistet hat. Am instruktivsten ist das zweite Video, in dem die 11. Partie desgleichen Wettkampfes ausführlich erklärt wird. Interessant sind auch Marins persönliche Erinnerungen an Tal im vierten Clip, da er mit ihm gemeinsam 1992 in Sevilla an einem Turnier teilgenommen hat.

In drei Videos geht GM Dorian Rogozenco auf die Eröffnungsbehandlung von Tal ein. Als Weiß-Spieler hatte Tal ein breites Repertoire, bevorzugte aber 1. e4, da dies sehr gut zu seinem taktischen Angriffsspiel passte. Als Beispiel wird im ersten Clip die ungemein scharfe Angriffspartie des jungen Tal gegen Tolush vorgeführt. In der sizilianischen Bauernraubvariante opferte Tal im 15. Zug seinen Läufer. Die daraus folgenden Verwicklungen sind völlig unübersichtlich und wohl typisch für Tal.

Mich selber haben Tals Opfer auch inspiriert. In einem meiner ersten Open-Turniere gelang mir ein spektakuläres Springeropfer auf f5 in einer Sizilianischen Eröffnung. Leider wurde es aber keine Glanzpartie, nach mehreren Fehlern reichte es am Ende nur zum Remis.

In seinem zweiten Video beleuchtet Rogozenco die Eröffnungen der WM-Kämpfe gegen Botwinnik. Und im dritten Teil zeigt er Beispiele von Eröffnungen, in denen Tal Neuerungen eingeführt hat.

Fazit:

Mit dem Tal Trainer setzt Chessbase die Reihe „Master Class“ sehr stark fort. Mit den Videos der bekannten Experten erhält man einen sehr lehrreichen Einblick in das Denken und die ungeheure Fantasie des Magiers aus Riga. In den Taktikvideos sowie in der Datenbank mit den Trainingsfragen kann man zudem selber versuchen, wie Tal zu zaubern und die magischen Momente nochmals miterleben. Die Hauptdatenbank enthält alle Partien Tals, wobei viele davon ausführliche Kommentare und Analysen enthalten. Etwas mehr Aufwand hätte man auf die biographische Aufbereitung verwenden können (so wie im Fischer Trainer). Obwohl ich schon einiges Material über Tal gesammelt habe, halte ich den Fritz Trainer über Tal für einzigartig instruktiv und wertvoll, daher kann ich diesen jedem Schachfreund jeglicher Spielstärke wärmstens empfehlen.

Beispielvideo

Master Class Band 2 - Mihail Tal

• Videospielzeit: 4 Std. 22 min (Deutsch)
• Interaktiver Taktiktest mit Videofeedback
• Alle Tal-Partien, Tabellen, Hintergrundwissen, Kurzbiographie
• „Tal-Powerbook“: Das Eröffnungsrepertoire des Weltmeisters als Variantenbaum
• Taktik-Training mit 245 Aufgaben aus Tal Partien
• Mit ChessBase 12 Reader

€29,90

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Tobias Dolgener analysiert beruflich Software-Probleme für das deutsche Unternehmen SAP. Schachlich war er früher sehr aktiv und hat in der 2. Bundesliga Süd gespielt, sowie an mehreren IM- und einem GM-Turnier teilgenommen. Das Datenbankprogramm ChessBase hat er seit 1990 im Einsatz.

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