Mamma Mia im Miami Rumäniens 'Mamaia!
Irgendetwas im Namen unseres berühmtesten Badeorts, Mamaia, hat mich immer
gestört. Eine mittlerweile etwas veraltete Bedeutung des Wortes "Mamaia" ist
"Großmutter", was nicht wirklich an Urlaub und Amüsement denken lässt.
Dennoch hat dieser Ort, den ich im letzten Jahr in einem Artikel beschrieben
habe, etwas von einer alten, früher wunderschönen Dame...
Strand von Mamaia
Dieses Jahr fanden die Mannschaftsmeisterschaften drei Wochen früher statt
als im vorherigen Jahr. Dabei erwies sich Mamaia als sehr lebhaft, manchmal
sogar übertrieben lebhaft, so als ob man wüsste, dass die Stadt wenige Tage
später in die Lethargie der alten Dame verfallen würde. Wie auch immer, mein
diesjähriger Besuch in Mamaia ließ mich eher an das Fast-Anagramm Miami und
weniger die Oma von 2012 denken. Aber als ich Nacht für Nacht von einem unglaublichen
Gemisch (besser gesagt, einem Molotov-Cocktail) aus House Music, Manele (orientalische
Lieder geringer Qualität) und dem Schluchzen diverser Geigen, all das gelegentlich
unterbrochen von stets grauenhaft laut gedudelten Sommerhits und trotz Ohrenstöpsel
und einem zerknüllten Kissen über dem Kopf am Schlafen gehindert wurde, kam
mir lediglich ein entnervtes Mamma Mia (!) in den Sinn, ein Anagramm, das die
Dinge besser beschreibt als das oben erwähnte…
Die ganze Nacht kein Auge zugemacht zu haben war wenig hilfreich, als ich mein
müdes Gehirn am nächsten Morgen davon überzeugen wollte, dass der rumänische
Badeort doch eigentlich ganz nett war. Wäre ich als Touristin dort gewesen,
hätten sich alle meine Sorgen über angemessene Nachtruhe wahrscheinlich in Luft
aufgelöst und ich hätte nicht einmal versucht, mich dem ganzen Spektakel zu
entziehen. Aber als Schachspielerin steht Party rund um die Uhr während eines
wichtigen Turniers nun wirklich nicht ganz oben auf meiner Prioritätenliste...
Wie auch immer, ganz egal, wie man das obige Wortspiel betrachtet, so glaube
ich, dass solche Ferienorte am Meer die Neigung haben, sich während der Hochsaison
in riesige explosive Partyzonen zu verwandeln; also fasste ich den Beschluss,
keine allzu große Nörglerin zu sein, sondern mich an meine Umgebung anzupassen.
Aber allen Änderungen zum Trotz drängten sich die ersten unschönen Eindrücke,
die ich letztes Jahr gewonnen hatte, auch dieses Jahr leider immer wieder hartnäckig
in mein Bewusstsein. Ja, die trübe Nebensaison-Stimmung hatte aufgehört, aber
ich hatte den Eindruck, dass der Ort mit Sicherheit nicht das "Miami Rumäniens"
war, ja, nicht einmal eine echte "rumänische Perle", wie Mamaia oft genannt
wird. Der Ort war lebendig, überfüllt, fast alles, was ein Badeort am Strand
sein soll, aber immer noch weit von dem entfernt, was ich mir unter amerikanischen
Standards vorstelle. Lag das an den schlimmen Auswüchsen vergangener Zeiten
des Kommunismus, der im "praktischen" Design vieler architektonischer Werke
immer noch sichtbar ist; oder vielleicht daran, dass das offizielle Hotel "The
Pearl" alles andere als eine Perle war; oder war es der Fehler des ziemlich
künstlich wirkenden Anblicks, der durch die Palmen, die es überraschenderweise
zum 45. Breitengrad der Nordhalbkugel geschafft hatten oder lag es einfach am
irgendwie kitschigen Gefühl, das sich einem fast überall aufdrängte?!
Ich bekam Angst, dass ich mich genau in die alte Dame verwandeln könnte, die
sich über alles und jeden beschwert. Diese Einstellung ist alles andere als
ideal, aber ähnelt den Anstrengungen, die Schachspieler manchmal auf sich nehmen,
um eine Katastrophe am Brett zu erklären. Denn spielt man eine schlechte Partie,
liegt das nie an unserem Schachwissen, das natürlich über jeden Zweifel erhaben
ist!
Um die Wahrheit zu sagen, war es letztes Jahr zwar ruhig, aber meine Mannschaft
konnte nicht einmal eine Medaille gewinnen; doch dieses Jahr stand unser "Dream
Team", wie wir es gerne nennen, nach sieben von neun Runden bereits als Sieger
fest! Der Dank für unsere Leistung gebührt allerdings weder den Festival-Beats
noch den hungrigen Mücken; stattdessen möchte ich noch einmal auf das rumänische
Sprichwort hinweisen, das ich bereits letztes Jahr erwähnt hatte: "Menschen
adeln einen Ort". Außerdem haben wir manchmal gar nicht bemerkt, ob Haupt- oder
Nebensaison ist, ob wir am Strand von Miami oder Mamaia entlang gelaufen sind
- Hauptsache, wir fühlten uns wohl. Auf den Wettbewerb der Männer wirkte sich
die veränderte Umgebung kaum aus; und als wäre das nicht genug, so hatte auch
die Abwanderung der starken Spieler Nisipeanu und Vajda von Apanova Bucuresti
zur Mannschaft von Baia Mare keine großen Folgen. Tatsächlich gingen die Medaillen
an die gleichen Teams wie 2012...
In Mannschaftswettbewerben, vor allem bei so ausgeprägt individualistischen
Sportarten wie Schach, spielt der Zusammenhalt der einzelnen Mannschaftsmitglieder
eine größere Rolle als viele glauben. Ich kann guten Gewissens behaupten, dass
der selbst verliehene Name "Dreamteam" nicht gewollt, sondern einfach nur die
genaue Beschreibung dessen war, was wir fühlten. Wir folgten dem Vorbild unserer
Mannschaftskollegin Viktorija Cmilyte und kultivierten eine moderne, positive
Sicht auf die Dinge. Wir akzeptierten den Ort, sahen ein, dass die Bedingungen
für alle gleich waren und schließlich freuten wir uns sogar darüber! Es ist
interessant zu sehen, wie sich ein Alptraum in eine wunderschöne Träumerei verwandelt…die
Musik war nicht mehr länger ein Störfaktor, sondern nur noch ein (tatsächlich
angenehmes!) Hintergrundgeräusch, ein Zeichen für die generell herrschende ansteckende
gute Stimmung; die Palmen kamen nicht länger vom Mars, sondern bildeten ein
Teil der Umgebung; die zehn Quadratmeter großen Zimmer verwandelten sich von
'klaustrophobisch' in 'gemütlich'; und was die kitschigen Verkaufsstände betrifft
- wir haben dort so gutes Eis wie selten gegessen!
Viktorija Cmilyte. Wie freundlich sie ist, muss man nicht betonen. Das sieht man nach einem kurzen Blick in ihre Augen.
In der letzten Runde zeigte sich der Zusammenhalt unseres Teams auf unerwartete
Weise. Wir nahmen unsere Partien sehr ernst, obwohl sportlich bereits alles
entschieden war. Dennoch fehlte uns vielleicht ein Quäntchen Energie, denn alle
Partien endeten remis - das einzige Match, das wir nicht gewinnen konnten! Ich
erwähne das, um noch einmal klarzustellen, dass dies kein Geschenk an unsere
Gegnerinnen war, die sich dadurch die Silbermedaille sicherten und der Mannschaft
von AEM Timisoara, die am Ende auf dem dritten Platz landete, das Nachsehen
gaben.
Trotz der rumänischen Finanzkrise und der im Vergleich zu den Vorjahren höheren
Zahl von Brettern, an denen in der Frauenmannschaftsmeisterschaft gespielt wurde
(in den letzten Jahren wurde an drei Brettern gespielt, dieses Jahr an vier,
was meiner Ansicht nach sehr gut geeignet ist, um Ausrutscher zu verhindern)
spielten dieses Jahr alle startberechtigten Teams mit. Waren letztes Jahr nur
acht Mannschaften am Start, so beteiligten sich dieses Jahr alle Mannschaften
an der Medaillenjagd und wollten den Sommer am Schwarzen Meer genießen - und
warum auch nicht? Schließlich sollte man den Teufel nicht schwärzer malen als
er ist. Die Leute haben unterschiedliche Interessen und was für die einen ein
absoluter Alptraum ist, kann für andere eine Quelle der Inspiration sein.
Ich sollte nicht vergessen zu erwähnen, wie stark die Meisterschaft dieses
Jahr war, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. 30 GMs gingen an den
Start, darunter zehn mit einer Elo-Zahl von über 2600. Bei den Männern gingen
Spieler wie Volokitin, Berkes, Nisipeanu und Erdos an den Start (um nur ein
paar zu nennen), bei den Frauen bekannte Spielerinnen wie Lahno, Cmilyte, Danielian
oder Atalik. Ich bin mir sicher, dass Sie die Wettkämpfe bei einem solchen Feld
reizvoll finden - falls sie die Matches nicht schon live verfolgt haben.
Bei den Frauen scheint mein Team CS Politehnica-Antibiotice Iasi das Feld deutlich
dominiert zu haben (glauben Sie mir, das ist nie so einfach, wie es scheint!),
doch bei den Männern war der Weg zur Goldmedaille voller Dornen. Nachdem AEM
Luxten Timisoara in Runde zwei überraschend gegen ein vermeintlich schwächeres
Team verloren hatte, wurde das Match gegen Clubul de Sah al mun in der siebten
Runde zum entscheidenden Wettkampf. Besonders spannend und nervenaufreibend
war die Partie zwischen Constantin Lupulescu and Levente Vajda, die schließlich
remis endete, nicht ohne zuvor den Blutdruck beider Kapitäne in die Höhe getrieben
zu haben... Vielleicht waren nicht alle in dieser Partie gezeigten taktischen
Ideen korrekt, vor allem nicht die in der Zeitnotphase aufs Brett gebrachten,
aber trotzdem ist diese Partie definitiv sehenswert! Aber...das Ass im Ärmel
von AEM war GM Vladislav Nevednichy, der alle seine acht Partien gewann! War
die magische Sonne Rumäniens der Grund für eine solch phantastische Leistung?!
Interessanterweise hat AEM nur einen Wettkampf verloren, nämlich den, in dem
Nevednichy nicht gespielt hat - was für ein Patzer, Käpten!
Jetzt, wo das Turnier vorbei ist und wir eine hübsche kleine Goldmedaille in
der Tasche haben, kann ich nicht behaupten, dass ich mich nicht wohlgefühlt
habe. Im Gegenteil, unser Rhythmus war phantastisch, das Wetter einfach perfekt,
die Chilis, die Viktorija und ich bei fast jedem Essen mit Genuss zu uns genommen
haben - unvergesslich… Zufällig habe ich einen kleinen Scherz über Mamaia aufgeschnappt.
Darin wird behauptet, dass ein paar prominente Persönlichkeiten eigentlich auf
dem Weg an den Strand von Miami waren, aber aus Versehen in Mamaia gelandet
sind, der Aschenputtel-Version Miamis. Das macht mich wütend. Zunächst einmal
hat Mamaia keinen Flughafen. Zweitens und wichtiger: Sie können sagen, was Sie
wollen, aber ich werde meine Großmutter immer mit Respekt behandeln!
Der acht Kilometer lange Strand des beliebtesten und teuersten Badeorts in
Rumänien: Mamaia
Miami Made in Rumänien
Im Sommer ist der schmale Strand voller Sonnenanbeter aus ganz Rumänien, die
darum kämpfen, möglichst stark von der Sonne gebraten zu werden... nachts verwandelt
sich Mamaia in eine Partymeile, in einen angesagten Ort, wenn man für solche
Dinge in Stimmung ist;
Pokale
Der Spielsaal
Meine Mannschaftskollegin Kateryna Lahno aus der Ukraine; sie hat die ersten
drei Runden gespielt, in den letzten sechs Wettkämpfen saß dann Viktorija Cmilyte
am ersten Brett.
War in den letzten Jahren immer bei den Rumänischen Mannschaftsmeisterschaften
dabei: Der ukrainische GM Andrei Volokitin, der nicht nur mit seiner Mannschaft,
AEM Luxten Timisoara Gold gewann, sondern auch noch das beste Ergebnis am ersten
Brett erzielte: 6/8 und eine Elo-Performance von 2761.
Viorel Iordachescu aus Moldawien: Steckt er in Schwierigkeiten oder beeindruckt
ihn das Spiel Volokitins nicht? Nach einem Blick auf das Ergebnis würde ich
sagen, die erste Vermutung war richtig.
Brett eins und zwei der stärksten Mannschaft, AEM Luxten Timisoara: Volokitin
und Berkes
GM Ferenc Berkes aus Ungarn
"Willst du das wirklich spielen, Viktor?!" (der stärkste rumänische GM: Liviu
Dieter Nisipeanu und der ungarische GM, Viktor Erdos, spielten für Clubul de
Sah al mun Baia Mare. Die Mannschaft landete auf dem zweiten Platz.
Brett eins von CS Studentesc Medicina Timisoara: der ukrainische GM Illya Nyzhnyk
Ein weiterer GM aus der Ukraine, der für unsere Mannschaft CS Politehnica Iasi
spielt: Evgenij Miroshnichenko
Meine Mannschaftskolleginnen und Freundinnen: WIM Smaranda Padurariu und IM-in
spe Irina Bulmaga! (von links nach rechts)
Maria-Ruxandra Ilie, die für ACS Sah Apa Nova Bucuresti spielte, hat es mir
in unserer Partie nicht leicht gemacht und scheint eine zu niedrige Elo-Zahl
zu haben!
GM Elina Danielian aus Armenien spielte an Brett eins für CS AEM Luxten Timisoara
Aus irgendeinem Grund lastet auf den Spielerinnen und Spielern, die als letzte
spielen, immer eine Menge Druck, denn ihre Partien entscheiden schließlich über
das Endergebnis...
Meine Wenigkeit - bitte beachten Sie die Ohrringe...
...die Schöpferin des erwähnten handgemachten Schmucks und unsere Mannschaftskollegin:
Smaranda Padurariu! Jetzt kennen wir das Geheimnis unseres Erfolgs: die hübschen
Ohrringe
IM Ekaterina Atalik und WGM Mihaela Sandu landeten mit ihrem Team CS Stud.Medicina
Timisoara auf dem zweiten Platz
IM Ekaterina Atalik
Bereit für den Kampf: das entscheidende Match zwischen AEM Luxten Timisoara
und Clubul de Sah al Mun.Baia Mare in der siebten Runde wird eine Menge Energie
kosten.
Remisinflation: in der letzten Runde kam es dann doch zu einer Reihe von Remis.
Platz drei bei den Frauen: AEM Luxten Timisoara; leider konnten Cristina und
Veronica Foisor aus persönlichen Gründen bei der Abschlussfeier nicht dabei
sein;
Platz zwei: CS Stud.Medicina Timisoara
Platz eins: unsere Mannschaft CS Politehnica-Antibiotice Iasi
Platz drei bei den Herren: ACS Sah Apa Nova Bucuresti
Platz zwei: Clubul de Sah al Mun.Baia Mare
Der Sieger: CS AEM Luxten Timisoara
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Text: Alina L'Ami