Ist es sinnvoll, Theorievarianten zu pauken, die dann eh selten aufs Brett kommen? Was man eigentlich braucht, ist, sich in bestimmten Stellungstypen so zuhause zu fühlen, dass man gängige Motive im Schlaf beherrscht. Leider kommen in GM-Partien die typischen Taktikelemente und Fallen scharfer Systeme selten vor, weil die dort gezeigten Eröffnungsvarianten optimales Spiel beider Seiten darstellen. Theorievarianten sind nur die Spitze des Eisbergs von dem, was in einer schärferen Stellung steckt.
Wenn allerdings ein starker Spieler gegen einen schwachen Spieler antritt, werden typische Angriffsideen und taktische Standards viel häufiger sichtbar. Genau das passiert gegen Fritz 18. Sie führen saubere Angriffe, die meist kombinatorisch durchschlagen.
Wir wollen das am Beispiel vier berühmter scharfer Systeme zeigen. Es geht bewusst um klassische seriöse Hauptvarianten, die möglichste viele Leute kennen. Natürlich funktioniert das mindestens ebenso gut in den populären Gambitsystemen. Alle Partien wurden gegen die Stufe "Starker Vereinsspieler" gespielt.
1. Marshall-Angriff
Im spanischen Marshall-Angriff gibt es viele Möglichkeiten für Weiß, daneben zu greifen. So fällt Fritz immer wieder auf ein Motiv herein, das in überraschend vielen Variationen auftritt: Sobald der schwarze Turm nach e6 kommt, liegen Leichtfigurenopfer auf f4 in der Luft. Weiß hat dabei z.B. einen ungedeckten Turm e1, oder die Öffnung der g-Linie erlaubt das tödliche Te6-g6.
Ausgangsstellung für die Trainingspartien ist 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.c3 d5 9.exd5 Sxd5 10.Sxe5 Sxe5 11.Txe5 c6 12.d4 Ld6 13.Te1 Dh4 14.g3 Dh3 15.Le3:
Beispiele für das Gewinnmotiv … Sf4 in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen:
Beispielpartien:
(Die Beispielpartien erhalten kleine Kommentare. Sie werden von Fritz gleich bei laufender Partie gesetzt).
2. Qualitätsopfer in der Grünfeldindischen Abtauschvariante
Im klassischen Hauptsystem der Abtauschvariante von Grünfeld kann Weiß den Turm a1 für den Läufer g7 geben und die schwarze Königsstellung schwächen. Die wird dann nachfolgend mit e4-e5 (gegen schwarzes f7-f6) oder h4-h5 aufgerissen. Das schlägt ziemlich oft durch, wenn Schwarz unpräzise vorgeht. Alternativ bildet Weiß einen sehr starken d-Freibauern.
Ausgangsstellung: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Lc4 c5 8.Se2 Sc6 9.Le3 0-0 10.0-0 Lg4 11.f3 Sa5 12.Ld3 cxd4 13.cxd4 Le6 14.d5 Lxa1 15.Dxa1 f6 16.Lh6 Te8
Der einfachste Trick: Druck auf g6 aufbauen und dann den Durchbruch e5 spielen. Es folgt das Läuferopfer auf g6:
Typisch auch der Angriff mit Unterminierung von f6, um Matt auf g7 zu drohen:
Beispielpartien:
3. Bauernraubvariante
Die Bauernraubvariante in Sizilianisch Najdorf ist ein Albtraum für Fritz 18, man kann es nicht anders sagen. Der König steht in der Mitte derart exponiert, dass immer irgendein Angriffsmotiv durchschlägt. Weiß kann bequem opfern. Die typischen Drohungen häufen sich dann derart, dass Fritz garantiert irgendwas übersieht.
Ausgangsstellung: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Db6 8.Dd2 Dxb2 9.Tb1 Da3 10.f5 Sc6 11.fxe6 fxe6 12.Sxc6 bxc6 13.e5 dxe5 14.Lxf6 gxf6
Wirkungsvoll ist das theoretisch wohlbekannte Figurenopfer auf f6 (15.Se4 Le7 16.Le2 h5 17. Tb3 Qa4 18.Sxf6+ Lxf6), bei dem der schwarze König zwischen offener d- und f-Linie eingeklemmt wird. Dann ergeben sich vielfache Ablenkungsmotive, um der weißen Dame tödliche Einbruchsfelder zu öffnen.
Beispielpartien:
4. Alte Najdorf-Hauptvariante mit 6.Lg5
Im klassischen Najdorf attackiert Weiß mit f4-f5 den Punkt e6. Der Pfad präziser Verteidigung ist dann solide aber schmal. Fritz 18 kommt unauffällig aber zuverlässig vom rechten Weg ab. So wie Ihr Gegner in einer Blitzpartie. Und dann knallt es z.B. vielfältig auf e6.
Ausgangsstellung: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Le7 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Sbd7 10.g4 b5 11.Lxf6 Sxf6 12.g5 Sd7 13.f5 Lxg5+
Zwei Motive mit Sxe6:
Beispielpartien:
Analysiert man die Trainingspartien zu diesen vier Eröffnungen nüchtern mit einer "normalen" Engine, fragt man sich natürlich: Handelt Schwarz nicht manchmal etwas leichtsinnig? Nun, wenn Ihnen das zu leicht erscheint, spielen Sie einfach mal eine Gewinnstellung eisern ohne Tipps zu Ende. Das holt mich selbst dann auf den Boden der Tatsachen zurück.
Bedienungsanleitung zum Angriffstraining mit Fritz18:
Klicken Sie im Fritz 18 Startschirm auf „Geführt – Berührt“, um in den Glanzpartienmodus zu gelangen. Wählen Sie Stufe „Vereinsspieler“ oder „Starker Vereinsspieler“, je nach Geschmack. Auf Stufe „Vereinsspieler“ übersieht Fritz auch mal ein einfacheres Matt, wenn er eine Figur wegnehmen kann.
Nun haben Sie verschiedene Möglichkeiten, die Ausgangsstellung zu erreichen: Sie können z.B. die „Engine abschalten“ (oben unter Stufen) und einfach die Züge eingeben. Danach schalten Sie die Engine wieder ein und ziehen einfach für die Seite, die Sie spielen wollen. Damit startet die Partie.
Oder sie kopieren eine Partie aus einem anderen Programm und fügen Sie mit „Partie einfügen“ hier ein. Oder Sie klicken im LiveBuch auf die Züge. Oder Sie holen Ihr Repertoire mit Strg-C, Strg-V aus dem Notationsreiter „Meine Züge“ und spielen an beliebiger Stelle los.
Partien gegen Fritz 18 enthalten mehr Taktik als Sie es gegen menschliche Gegner erleben. Bei halbwegs vernünftigem Spiel geht eigentlich in jeder Partie mindestens irgendein Gewinntrick. Das liegt daran, dass Fritz 18 heimlich mithilft. Wenn es eine Möglichkeit gibt, bei auf den ersten Blick halbwegs plausiblem Zug taktisch daneben zu greifen, dann spielt er das auch. So kann man auch Verluststellungen durch hartnäckigen Widerstand oft retten.
Übrigens: Wenn Sie prüfen wollen, ob Sie Chancen übersehen haben, klicken Sie nach der Partie auf "Vollanalyse".
Viel Spaß mit dieser völlig neuen Trainingsform!