"Mit Peter macht alles große Freude" - Interview mit Vincent Keymer

von André Schulz
17.04.2018 – Mit seinem Sieg beim den Grenke Open feierte Vincent Keymer einen Riesenerfolg. Im Interview erzählt der 13-Jährige unter anderem, wie er den letzten Tag des Turniers erlebt hat, warum es in Karlsruhe so gut geklappt hat und wie er sich die Zukunft vorstellt. (Foto: André Schulz)

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"Ich mag den Kampf der Ideen."

Herzlichen Glückwunsch zum Turniersieg beim Grenke Open in Karlsruhe! Wahrscheinlich ist dies der größte Erfolg, den je ein Dreizehnjähriger bei einem Internationalen Schachturnier erzielt hat. Wie bewertest du selber deinen Erfolg? Wie hast du den Turnierverlauf erlebt?

Ich hatte schon in den ersten zwei Runden ein gutes Gefühl und Spaß am Spielen. Das Remis gegen Korobov hat mich noch darin bestärkt. Wenn man voller Optimismus in Partien geht, wird vieles leichter. Das hat mir mit Sicherheit in den letzten vier Partien gegen die starken Gegner geholfen. Für mich war dieses Turnier eine gute Versicherung, dass ich im Schach auf dem richtigen Weg bin.

Die letzte Partie gegen den Weltklassespieler Richard Rapport war überaus spannend. Warst du vorher nervös, weil ein Sieg vielleicht den Turniersieg bedeutete? Hast du die ganzen Verwicklungen alle durchschaut oder war auch Glück dabei?

Vor der letzten Runde in Karlsruhe war ich verhältnismäßig entspannt. Ich wusste, dass ich die GM-Norm sicher hatte und es wäre für mich auch dann ein gutes Turnier gewesen, wenn ich die letzte Runde verloren hätte. Über die wirklich nur theoretische Möglichkeit, das Turnier zu gewinnen, habe ich nicht nachgedacht. Wahrscheinlich war es gut, dass ich mich deswegen ganz auf das Spiel einlassen konnte. Während der Partie habe ich natürlich viele Varianten gerechnet. Ob es wirklich alle waren, weiß ich nicht.

Weltmeister Magnus Carlsen als Kiebitz am brett von Rapport und Keymer (Foto: Georgios Souleidis)

Gehen dir solche aufregende Partien noch lang im Kopf herum? Kannst du danach ruhig schlafen?

Ich bin danach sowieso noch lange nicht zum Schlafen gekommen. Bis zur Siegerehrung habe ich Interviews gegeben und mit Peter Leko kurz die Partie analysiert. Nach der Siegerehrung sind wir spät noch nach Hause gefahren. Am Ende des Tages war ich irgendwann so müde, dass ich trotz des so unglaublich verlaufenen Tages einschlafen konnte. 

Beim sogar noch stärker besetzten Turnier in Gibraltar im Januar lief es für dich weniger gut. Vor allem gegen die Großmeister hattest du Probleme. Was war jetzt in Karlsruhe besser als in Gibraltar?

Ich war gesund und ausgeruht. Nach Gibraltar bin ich schon mit einer Halsentzündung gefahren. Ich habe versucht, trotzdem mein Bestes zu geben, aber in den entscheidenden Spielen gegen die starken Gegner hat die Krankheit mir doch zu viel Kraft geraubt. In Karlsruhe hatte ich vorher Ferien und damit Gelegenheit, ausgeruht in das Turnier zu gehen. Dann sind wir mit der ganzen Familie nach Karlsruhe gefahren, wo ich von den letzten Jahren schon alles kannte und wusste, dass ich mich wohlfühlen werde. Und die Partien waren kurz genug, um mir abends noch Zeit für einen Besuch im Fitnessraum zu lassen.

Wie hast du dich auf das Grenke Open vorbereitet?

In der Woche vorher war ich in Berlin. Dort gab es ein Vorbereitungstraining des Schachbunds für die U18-Team-EM, die in diesem Jahr in Deutschland stattfindet. Wir waren zwei Mal beim Kandidatenturnier und ich habe mit Alexei Shirov trainiert. Das hat beides Spaß gemacht. Meine Turniervorbereitung bestand danach darin, ein bisschen weniger Schach zu trainieren, um in Karlsruhe fit und gut ausgeruht zu sein.

Wie ist das Training mit Peter Leko?

Mit Peter macht alles große Freude. Er ist ein positiver Mensch und strahlt seine positive Einstellung zum Schach auch aus. Die Trainingstage mit ihm sind sehr intensiv, auch die Pausen nutzen wir um zusammen Fahrrad zu fahren oder zu gemeinsamen Spaziergängen und Gesprächen. Ich habe Peter im letzten Herbst beim ersten Bundesligawochenende kennengelernt, wo wir zusammen für die SF Deizisau gespielt haben. Im November hat Peter mich kurz entschlossen bei der U20-WM unterstützt, seitdem trainiere ich mit ihm. 

Peter Leko, Vincent Keymer, Hans-Walter Schmitt (Foto: Hartmut Metz)

Wie gehst du jetzt mit dem Erfolg um? Du bist einer der besten U14-Schachspieler in der Welt. Ist das OK für dich, oder empfindest du das als Belastung? Was sagen deine Freunde oder Mitschüler? Benehmen sich da manche jetzt seltsam?

Meine Freunde wissen zwar, dass ich Schach spiele, verfolgen das aber wohl nur am Rande. Für sie bin ich der gleiche Vincent, der ich vor dem Turnier in Karlsruhe war. Und der bin ich ja auch wirklich. Positive Reaktionen auf meinen Turniersieg freuen mich zwar, aber das ist mir nicht so wichtig. Ich versuche, jetzt einfach gut weiter zu trainieren und mich weiter zu verbessern.

Hast du neben dem Schach noch Zeit für andere Hobbies? Machst du Sport?

In der letzten Zeit fahre ich sehr gerne Fahrrad. Fussball- und Handballtraining waren immer termingebunden. Das hat oft zeitlich nicht gepasst. Mein Fahrrad steht immer da und ich kann loszischen, wenn mir danach ist. Ich mag die hügelige Landschaft mit den Weinbergen bei uns zu Hause, durch die ich dann fahre. Ich spiele aber auch noch Klavier, obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht jeden Tag übe.

Deine Eltern sind beide Musiker. Hast du auch eine besondere Beziehung zur Musik und zu welcher Art von Musik?

Ich höre gerne klassische Musik, besonders Klavierstücke. Manchmal schaffe ich es auch, wenn meine Mutter abends in einer Opernvorstellung spielt, mitzufahren und mir die Oper anzuhören und anzusehen. Meistens verbringe ich aber die Abende doch mit Schach.

Das deutsche Schulsystem stellt hohe Ansprüche an die Schüler und lässt oft wenig Zeit für andere Dinge übrig. Wie bekommst du das mit deinem Schachtraining und den Turnieren unter einen Hut?

Natürlich frage ich mich manchmal, wie es mit dem Schach liefe, wenn ich nicht oder kaum zur Schule gehen würde, so wie es gleichaltrige gute Spieler aus anderen Ländern zum Teil machen. Ich finde die Ansprüche der Schule gar nicht so hoch, aber sie verlangt Anwesenheit und auch geistige Präsenz. Ich muss aber sagen, dass ich mich in meiner Klasse ziemlich wohl fühle. Zum Glück habe ich ja fast alle Nachmittage und die Wochenenden zu meiner Verfügung. Das Lernen für die Schule versuche ich gut zu organisieren, so geht es bis jetzt ganz gut.

Wenn Schach mehr und mehr zum Leistungssport wird, macht es dann noch Spaß?

Natürlich geht es viel um objektiv richtige oder falsche Züge oder Pläne. Trotzdem kann man mit Geduld manchmal wirklich neue Ideen entwickeln. Das finde ich sehr spannend. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich es vielleicht schaffen könnte, auch auf einem höheren Niveau auf meine persönliche Art zu spielen. Das würde mir großen Spaß machen. 

Was ist für dich persönlich das Schönste beim Schach?

Ich mag den Kampf der Ideen, Pläne und Vorausberechnungen, den die Spieler austragen. Wenn ich feststelle, dass ich meine Pläne auf dem Brett verwirklichen kann, dann freue ich mich.

Vincent Keymer (Foto: Georgios Souleidis)

Schachtraining und Turnierteilnahmen sind nicht eben billig. Bekommst du Unterstützung von öffentlicher oder privater Seite?

In der Hinsicht geht es mir sehr gut. Die Grenke AG unterstützt mich finanziell und ermöglicht es mir, an jedem Turnier teilzunehmen, bei dem ich spielen möchte und trägt auch Kosten für die Trainingsstunden. Besonders schön ist es zu wissen, dass dort Menschen sind, die zu mir halten und mich unterstützen. Auch vom Schachbund bekomme ich Unterstützung, zum Beispiel Trainingscamps oder Trainingseinheiten.

Hast du im Schach ein Vorbild? Hast du konkrete Ziele für die nähere oder spätere Zukunft? Hast du schon einmal darüber nachgedacht, später einmal Schachprofi zu werden? 

Ein Vorbild habe ich nicht, obwohl ich viele starke Schachspieler wirklich bewundere. Konkrete Ziele habe ich immer, was die nächste Schachpartie betrifft. Ein Leben als Schachprofi könnte ich mir schon vorstellen. Voraussetzung wäre natürlich, dass ich dafür einmal stark genug werde. Falls nicht, möchte ich aber auch die Möglichkeit haben, mich nach der Schule für ein Studium zu entscheiden.

Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

Die Fragen stellt André Schulz.

 

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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