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Kein Schachspieler hat so wie Robert James Fischer Presse und
Öffentlichkeit gescheut. Über keinen Spieler gibt es so viele Informationen,
Bücher und Seiten im Internet. Seit seiner Festnahme auf dem Flughafen von Tokio
überschlagen sich zudem die Meldungen und Artikel über den Weltmeister von 1972.
Nach dem Titelgewinn war er für zwanzig Jahre verschwunden und tauchte erst 1992
wieder für einen "Revanche"-Wettkampf gegen Boris Spasski in Jugoslawien auf.
Weil er damit ein US-Handelsboykott brach, wird er seitdem von den Behörden der
USA gesucht. Seine danach in Radio-Interviews veröffentlichten antisemitischen
Äußerungen und sein Jubel über den Anschlag auf das World-Trade-Center kamen
nicht nur in seiner Heimat nicht gut an. Auf der anderen Seite hat kein anderer
Schach im Westen so populär gemacht wie Bobby Fischer. Nach seiner Verhaftung
hat sich deshalb ein "Befreit Bobby-Fischer"-Komitee gebildet, dem sich in
Deutschland besonders Hans-Walter Schmitt, Organisator der Fischer-Schach
("Chess960")-Turniere in Mainz verpflichtet fühlt.
Fischer wird entweder als egozentrisch oder aber sogar als verrückt beschrieben.
Dies war schon der Fall als er noch als Schachprofi tätig war. Als Einzelkämpfer
versuchte er sich gegen die Übermacht der Sowjetspieler durchzusetzen. Auf dem
Interzonenturnier Stockholm 1962 hatte der 19-jährige (!) Fischer überlegen mit
17,5 aus 22 und 2,5 Punkten Vorsprung gewonnen. Spätestens jetzt war den
Sowjet-Großmeister klar, welche Gefahr für sie und den von Ihnen seit 1946
gehüteten Gral, den WM-Titel, ausging. Im folgenden Kandidatenturnier lernte
Fischer die Macht der Sowjetspieler kennen. Von den den acht Kandidaten, die in
Curaco den Herausforderer ausspielen sollten, waren fünf Spieler aus der
Sowjetunion, Petrosian, Geller, Keres, Kortschnoj und Tal. Mit Miroslav Filip
stammte ein Spieler aus der Tschechoslowakei, die zum Ostblock gehörte. Nur Pal
Benko lebte wie Fischer im Westen. Benkö, in Ungarn aufgewchsen, hatte gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges bereits sowjetische Arbeitslager kennen gelernt.
Später wurde er der Spionage für die CIA verdächtiget, weil er während eines
Turniers in der DDR einen Ausflug nach West-Berlin gemacht hatte. 1957 hatte er
in schließlich in Reykjavik Asyl beantragt und war in die USA emigriert.
Aus heutiger Sicht scheint klar, dass die ersten drei des Turniers, Petrosian,
Geller und Keres ihre Partien allesamt auf Remis abgesprochen hatten. Es wurden
fünf Runden jeder gegen jeden gespielt, alle fünfzehn Partien dieser Spieler
endeten remis. Spätestens im 21.Zug war das Remis amtlich. Gegen die anderen
Teilnehmer, besonders gegen Fischer wurde hingegen verbissen gespielt. Fischer
war der Betrug bald klar und nach dem Turnier machte er ihn in einem Interview
öffentlich. Kandidatenturniere werden abgeschafft und durch Wettkämpfe ersetzt.
Statt Fischer wird Petrosian Herausforder von Botvinnik, gewinnt klar mit
12,5:9,5 und beendet die Ära Botvinnik, auch weil Letzterem das Privileg eines
Revanche-Wettkampfes nicht mehr eingeräumt wurde. Fischer hatte zuvor erklärt,
er könne Botvinnik zwei Partien vorgeben und würde einen WM-Kampf immer noch
gewinnen. Das klang anmaßend, war aber vermutlich eine völlig korrekte
Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Nach dem Ränkespiel in Curaco war aber nun
Petrosian Weltmeister, auch mit mehr als zwei Punkten Vorsprung. Fischer spielt
in den nächsten Jahren US-Meisterschaften, Olympiaden und einige wenige Turniere
im Ausland, in Kuba, Jugoslawien, Monaco. An den WM-Zyklen 1964-66 und 1967-69
nimmt Fischer nicht teil. Er fehlt beim Interzonenturnier in Amsterdam 1964. In
Sousse 1967 trat er an, diskutierte um die Spielbedingungen, stellte
unannehmbare Forderungen, führte zur Halbzeit des Turnieres, verschwand dann vom
Turnier, wurde zur Rückkehr überredet, stellte erneut Forderungen und reist
schließlich ab. Danach zog er sich vom Schach zurück und schrieb sein
denkwürdiges Buch mit 60 kommentierten Partien. Ein Klassiker, dessen Autor
nicht den Eindruck macht, er sei größenwahnsinnig oder verrückt.
Allerdings weiß man nicht genau, ob Fischer auch der Autor ist oder nur die
Partieanalysen lieferte.
1970 nimmt Fischer, nun 27 Jahre alt, doch noch einen neuen WM-Anlauf, gewinnt
das Interzonenturnier in Palma, nachdem Benko auf seinen Platz zu Fischers
Gunsten verzichtet hat, und rammt den Rest der Weltspitze ungespitzt in den
Boden. Tajmanov und Larsen müssen ein 0:6 verkraften. Petrosian schafft ein
2,5:6,5 und zu Anfang sogar einen Partiesieg, mit dem er eine Serie von 20
Siegen Fischers in Folge beendet. Als Baturinsky später darauf verzichtet, im
WM-Kampf in Reykjavik Spasskys Delegationsleiter zu sein, war klar, wie
die Aktien standen. Nach dem WM-Sieg verschwand Fischer.
Was lief schief bei Fischer? Einigen Aufschluss liefern die allerdings spärlichen biografischen Daten aus seiner Kindheit. Danach drängt sich die Ansicht auf, dass Fischers sicher schwierige Kindheit einen bestimmten Entwicklungsprozess seiner Persönlichkeit gefördert hat. Dieser war aber wohl durch seine Mutter genetisch angelegt.
Bobby Fischer wurde am 9. März 1943 um 14.39 Uhr in Chicago im Michael Reese Hospital am Ufer des Michigan Sees geboren. Als Vater gab Regina Fischer in der Geburtsurkunde "Gerhardt Fischer" an. Es gibt Spekulationen darüber, dass der wahre Vater Fischers der ungarische Mathematiker und Ingenieur Paul Nemenyi (gest. 1952 ?) sein könnte, mit dem Regina Fischer später gut befreundet war. Dessen Sohn Peter Björn Nemenyi (1927-2002) war überzeugt, mit Bobby Fischer blutsverwandt zu sein. (Peter Nemenyi: Persönliche Korrespondenz und Unterlagen 1952-1979 in "Wisconsin Historical Society Archives" ).
Regina
Wender wurde in der Schweiz geboren und wuchs in St. Louis auf. Mit 15 erwarb
sie die Hochschulreife, danach studierte sie an der Washington Universität. Mit
19 ging sie während der Wirtschaftskrise zu ihrem Bruder Max nach Deutschland,
dann nach Moskau. Sie war jüdischer Abstammung, überzeugte Pazifistin und sehr
wahrscheinlich auch überzeugte Kommunistin. Von 1933 bis 1938 studierte sie am
1.Moskauer Medizinischen Institut.
In Moskau heiratete sie den deutschen Biophysiker Hans-Gerhardt Fischer (geb.
1909 in Berlin). 1938 wird ihre Tochter Joan geboren. Hans Fischer ist zu dieser
Zeit in Spanien und kämpft auf der Seite der internationalen Brigaden gegen
Franco. 1939 fliehen die Fischers aus Moskau und übersiedeln in die USA.
Es ist unklar, ob Hans-Gerhardt Fischer ebenfalls eine Zeit lang in den USA
lebte oder gleich nach Chile ging. Bobby Fischer hatte sich als 18-Jähriger in
einem Interview so geäußert, dass sein Vater bald nach seiner Geburt die USA
verlassen und er keinerlei Erinnerung an ihn habe. Laut
Fischer-Biografen Dr. Frank Brady
sollen sich Vater und Sohn später einmal in Chile gesehen haben. 1945 wird die
Ehe zwischen Hans und Regina Fischer geschieden.
In den USA arbeitete Regina Fischer zunächst als Näherin, dann als Lehrerin und Krankenschwester und erwarb die
akademischen Titel einer Bachelor of Arts sowie einer Master of Arts an der
Universität von Colorado bzw. der New Yorker Universität. Während Regina
arbeitete oder studierte, blieben der kleine Bobby und die
fünf Jahre ältere Schwester Joan zu Hause. Paul Nemenyi soll sich bei
Sozialarbeitern einmal darüber beschwert werden, wie Regina Fischer ihre Kinder
vernachlässige. Auch Regina Fischer hatte selbst Hilfe bei Sozialarbeitern gesucht,
als Fischer im Alter von 14 Jahren immer schwieriger wurde. Sie beschrieb ihn "temperamentvoll, unfähig mit
anderen klar zu kommen, ohne Interessen, außer am Schach". 1960 war ihre
Beziehung zu ihrem Sohn Robert so gespannt, dass sie aus dem gemeinsamen
Appartement auszog und ihn dort allein ließ, wo bald alles im Schmutz versank.
Fischer betrachte es dennoch Erleichterung, als seine Mutter ihn verließ.
Obwohl sie ihren Sohn gerade verlassen hatte, demonstrierte sie jedoch vor dem
weißen Haus dafür, dass die USA eine Mannschaft zur Schacholympiade nach Leipzig
schicken sollen, damit ihr Sohn dort spielen konnte.
1961 beteiligte sich Regina Fischer an dem
achtmonatigen Friedensmarsch von San Francisco nach
Moskau. In dieser Zeit ist laut Reuben Fine, der tiefe Bruch zwischen Bobby
Fischer und seiner Mutter entstanden. Selbst als Fischer 1972 Weltmeister wurde,
kam sie nicht, um ihm zu gratulieren.
Fischer äußerte sich 1962 in einem Interview mit Harper's über seine Mutter so:
“She and I just don’t see eye to eye together. She’s a square. She keeps telling
me that I’m too interested in chess, that I should get friends outside of chess,
you can’t make a living from chess, that I should finish high school and all
that nonsense. She keeps in my hair and I don’t like people in my hair, you
know, so I had to get rid of her …. I don’t have anything to do with her.”
Die Aktivitäten von Regina Fischer wurden vom FBI zwischen 1946 und 1973
aufmerksam beobachtet und in einer 900-seitigen Akte festgehalten. Das FBI hatte
sie verdächtigt, eine Spionin zu sein, dafür aber niemals einen Bewes gefunden
und die Akte schließlich geschlossen. In der Akte finden sich Beschreibungen von
Informanten über Regina Fischers Persönlichkeit. Einer der Informanten
bezeichnete sie als "unerträglich". Offenbar lebte sie mit allen Nachbarn im
Haus im Streit. Sie wurde als prozesssüchtig beschrieben. Das städtische
psychiatrische Institut attestierte ihr eine angegriffene (paranoide)
Persönlichkeit, krankhaft streitsüchtig, aber nicht psychotisch" (David Edmonds
and John Eidinow: “Bobby Fischer Goes To War”).
In dieser Beschreibung offenbart sich der Grund für die ständig gespannte
Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Beide waren sich in ihrer Persönlickeit zu
ähnlich und offenbar hatte Robert seine extremen psychischen Anlagen bereits von
seiner Mutter geerbt.
Schach lernten Robert und Joan Fischer
1949, nachdem sie ein Schachspiel geschenkt bekommen hatten. 1951 wurde
Fischer Mitglied im Brooklyn Chess Club, 1955 wechselte er in den Manhattan
Chess Club. 1956 besorgte seine Mutter ihm einen Schachlehrer,
John W. Collins. 1958 reiste Fischer,
ebenfalls mit Hilfe seiner
Mutter, die eine Einladung des Sportkomitee besorgt hatte, nach Moskau und
besuchte den Zentralschachklub. Seine Schwester Joan begleitete ihn. Nach Aktenlage wurde Fischer als Ehrengast großzügig empfangen, mit
Fahrer und Dolmetscher, lehnte jedoch alle außerschachlichen Einladungen, z.B.
ins Bolschoi Theater ab. Er wollte nur Schach gegen Russische GM's
spielen und dafür bezahlt werden. Lev Abramov, Schachvorsitzender des
Sportkomitees: "Es ist nicht
russischer Brauch, Gäste zu bezahlen." Daraufhin pöbelte der 15-jährige
Junge im Schachklub herum und nannte
die Russen öffentlich "einen Haufen Schweine". Schließlich spielte er
Blitzpartien gegen einige junge Spieler, die dort anwesend waren, darunter
Vasjukov, und schlug diese vernichtend. Nun wurde Petrosian gerufen, um gegen
den jungen US-Amerikaner zu spielen. Sie spielten einen Blitzwettkampf. Das
Ergebnis wurde nicht bekannt.
1959 schrieb Regina Fischer einen Brief an die New York Herald Tribune, um Geld
für die Schachausbildung ihres Sohnes zu sammeln. Fischer weigerte sich
allerdings, auch nur einen Cent von den zusammen gekommenen 3000 Dollar zu
nehmen.
Die ersten Antisemitischen Äußerungen
machte Fischer 1962 bereits in dem Interview mit Harper's. Schach sei zu sehr
mit Juden bevölkert, die armselig gekleidet seine und dem hohen Ansehen des
Schachs nicht entsprächen. Auf die Frage, ob er auch Jude sei, antwortete er,
zum Teil, seine Mutter sei Jüdin.
1962 übersiedelte
Regina Fischer in die DDR und studierte an der Medizinischen Fakultät der
Friedrich-Schiller-Universität in Jena (s. Lebenslauf im Anhang zu Regina Pustan:
Hb-Reihenuntersuchungen bei Arbeiterinnen in vier Großbetrieben im Kreise
Saalfeld, Jena/DDR, 1967) Das Staatsexamen legte
sie Dezember 1964 ab; die mündliche Prüfung im Promotionsverfahren folgte
am 16. Februar 1968. Während ihrer Zeit in der DDR heiratete Regina
ihren zweiten Ehemann Cyril Pustan, einen Gesinnungsgenossen, mit dem sie u.a.
anderem in Portugal ein Buch über eine "Kooperativ-Farm für Kaffeebau in
Portugal" veröffentlichte, die in Alentejo entstanden war und
sich zu einer kommunistischen Hochburg des Widerstands gegen die
Salazar-Diktatur entwickelt hatte. Nach Cyril Pustans Tod kehrt Regina
Pustan um 1973 zurück in die USA und lebte nun in Kalifornien in Pablo Alto, wo
ihre Tochter Joan bereits seit 1962 wohnte. Mitte der Siebziger soll sie in
Nicaragua, einem Flüchtlingslager in Honduras und in einem Indianerreservat in
den USA gearbeitet haben.
Regina Fischer sprach sieben Sprachen und übersetzte in den Neunzigern noch das
Buch von Luisa
Gonzales, einem Autor aus Cista Rica.
Regina Fischer starb 1997 im Alter von
84 Jahren in Pablo Alto. Sie und ihr Sohn Robert hatten sich inzwischen wieder
versöhnt. Susan Polgar berichtete, dass Fischer zumindest in den 90ern
regelmäßig miteinander telefonierten. Fischer hatte sich eine Zeitlang in Ungarn
aufgehalten und hatte dort Kontakt zu den Polgars und zu Peter Leko, der sich
aber dazu nicht äußert.
Robert Fischers Schwester Joan Fischer Targ starb im Alter von 60 Jahren am
8.Juni 1998 in Pablo Alto.
Links:
"Unofficial Bobby Fischer Chess Page" mit zahlreichen Artikeln, Videos und Audios...
Materialien über Fischer...
Gerald Schendel: FBI versus Fischer...