Schachfestival Donostia-San Sebastian
Text und Fotos: David Llada
Vorab eine geographische und kulturelle Anmerkung: die Bezeichnung "Das Donostia
Schachfestival in San Sebastian" ist irreführend, denn "Donostia" ist einfach
der baskische Name für "San Sebastian". Das ist, als würde man sagen "Das Schachfestival
Rom in Rom". Der offizielle Name der Stadt lautet "Donostia-San Sebastian".
Donostia ist die bedeutendste Stadt der Region Gipuzkoa, die tiefe baskische
Wurzeln hat. Die meisten Menschen dort sprechen "Euskera" (baskisch) und nicht
Spanisch als Muttersprache und die Unterstützung der baskischen Unabhängigkeitsbestrebungen
ist hier viel ausgeprägter als in der Nachbarstadt Bilbao. Zudem fühlen
sich die meisten Leute hier überhaupt nicht als Spanier, wobei ein Hauptgrund
dafür die brutale Unterdrückung zur Zeit der Franko-Diktatur ist: damals konnte
man bereits verhaftet werden, wenn man in der Öffentlichkeit Euskera sprach
oder die "ikurruña" (die baskische Flagge) zeigte.
Euskera ist eine der wenigen Sprachen der Welt, die mit keiner anderen noch
lebenden Sprache verwandt ist. Ein paar Wörter hat es mit der Sprache gemein,
die in Georgien gesprochen wird, und man sagt, ein paar grammatikalische Strukturen
weisen Ähnlichkeiten mit dem Ungarischen und dem Finnischen auf. Aber niemand
weiß, woher Euskera stammt. Vielleicht war es die verschwundene Sprache, die
irgendwann einmal in ganz Europa gesprochen wurde oder vielleicht kam sie durch
Wanderungsbewegungen aus dem Kaukasus, Nordafrika oder dem Nahen Osten ins heutige
Baskenland. Es gibt viele Theorien und sie sind alle faszinierend. Eins steht
allerdings fest: es ist eine sehr alte Sprache. Ein Beweis dafür ist zum Beispiel
das baskische Wort für Axt: "haizkora" enthält den Stamm "haiz", und das bedeutet...
Stein! Solche Dinge deuten darauf hin, dass die Sprache noch Überbleibsel aus
der Steinzeit enthält.
Schlusstabelle:
Der ehemalige FIDE-WM Ruslan Ponomariov lag nach Sonneborn-Berger Wertung vorne,
aber die Regeln schrieben vor, dass er zu einem Blitzwettkampf - 2 Partien,
5+0 min - gegen US-Großmeister Hikaru Nakamura um den Turniersieg antreten musste.
Hikaru Nakamura vor seiner Partie in der letzten Runde.
Im Tie-Break bewies Nakamura einmal mehr, wie stark er im Blitz ist: Er gewann
beide Partien und holte sich den Titel.
Nakamura mit "txapela", einem Hut, der bei den Basken traditionell als Trophäe
verliehen wird. Nakamura erzielte in diesem Turnier eine Rating-Performance
von 2844, Ruslan Ponomariovs Performance lag bei 2843.
Bilder
GM Hikaru Nakamura, USA. Fast das gesamte Turnier über sah es aus, als
ob wieder ein junger Spieler von der anderen Seite des Atlantiks das Turnier
gewinnen würde, wie es schon 1911 geschah, als Capablanca gewann. In beiden
Fällen war das auch noch der Spieler, der als Letzter ins Feld aufgenommen wurde!
Aber wie es scheint, gibt es dieses Mal keinen Rubinstein, der ihm Steine in
den Weg legt. So viele Parallelen, dass wir ihn "Capamura" (oder "Nakablanca")
getauft haben.
Ruslan Ponomariov gilt fast als "einheimischer Spieler". Seine Freundin
ist Baskin und er mag die baskische Kultur.
Ruslan Ponomariov und seine baskische Freundin Inesa beim Tischfußball
Peter Svidler, Nummer Eins der Setzliste und der einzige Mensch, den
ich kenne, der eine Turnierpartie spielen kann, während er die Live-Ergebnisse
von Cricket-Matches verfolgt. Das Erste, was er überprüft hat, als ich ihn zu
diesem Turnier eingeladen habe, war, ob es sich mit
The
Ashes überschneidet! Wir konnten ihn trotzdem nach San Sebastian holen,
allerdings mussten wir ihm versprechen, dass er die Testwettkämpfe von seinem
Hotelzimmer aus verfolgen konnte.
Rustam Kasimdzhanov, einer der charmantesten und höflichsten Menschen,
die man bei einem Schachturnier treffen kann. Er spielt für den einheimischen
Klub Donostia "Xake Gros".
Wenn man Glück hat, trifft man Rustam in Begleitung seiner schönen - und nicht
minder charmanten - Frau
Firuza.
Sergei Movsesian, einst von Kasparov als "Schachtourist" bezeichnet,
ist mittlerweile fest in der Weltspitze etabliert, eine Position, die er durch
sein gutes Ergebnis beim Turnier in Wijk aan Zee zu Beginn des Jahres einmal
mehr bestätigt hat.
Anatoly Karpov: Der einzige Spieler, den die Leute immer noch erkennen,
wenn man mit ihm ein Restaurant besucht. Karpov ist eine lebende Legende, aber
dieses Turnier verlief katastrophal für ihn. Allerdings scheint er gelegentlich
immer noch gerne Schach zu spielen. Wenn er in dem vor kurzem bekannt gegebenen
Match gegen Kasparov nicht untergehen will, dann muss er sich allerdings ernsthaft
vorbereiten.
Maxime Vachier-Lagrave, das Jungtalent aus Frankreich, hat die Hürde
von 2700 Elo-Punkten ohne viel Aufsehen übersprungen - aber dafür sehr
schnell. Er ist erst 19 Jahre alt, aber bereits die französische Nummer zwei.
In der dritten Runde gelang ihm ein eindrucksvoller gegen Karpov, der ihn hinterher
lobte: "Ich wusste, dass er ein sehr guter Taktiker ist, aber er hat auch zwei
oder drei Züge in unserer Partie gemacht, die mich wirklich beeindruckt haben!"
Paco Vallejo. Der Spanier hat nicht mehr allzu viele Möglichkeiten in
Rundenturnieren anzutreten, auch nicht in seinem Heimatland, in dem er nicht
mehr nach Linares eingeladen wird. Die Gründe dafür sind schwer zu verstehen
- und noch schwerer zu erklären. In San Sebastian bewies er mit einer Neuerung
im dritten Zug (3.g4!?) gegen Vachier-Lagrave einmal mehr, wie kreativ er spielt.
Julio Granda. Der peruanische Großmeister ist in letzter Zeit nur noch
selten bei Top-Turnieren zu sehen. Er gilt als eins der größten Naturtalente,
aber man fragt sich, wie groß sein Potenzial wirklich ist. Vor allem, wenn er
motiviert ist, wie hier in San Sebastian, wo er seine wirkliche Stärke zeigen
konnte.
Pablo San Segundo (im Bild rechts neben Felix Izeta, einem nicht mehr
aktiven GM aus dem Baskenland, der die treibende Kraft hinter diesem Turnier
war). Wahrscheinlich ist San Sebastian 2009 für Pablo das Turnier seines Lebens
- oder zumindest das stärkste Turnier, an dem er je teilgenommen hat. Pablo
ist zwar kein Schachprofi mehr - er hat eine erfolgreiche Karriere auf einem
anderen Gebiet gemacht - aber er hat sich gründlich vorbereitet und obwohl er
die niedrigste Elo-Zahl hatte, war er doch ein harter Gegner. Bislang konnte
er nur bei den Ciudad de Madrid Turnieren in den Neunzigern Erfahrung bei Turnieren
dieses Niveaus machen, aber da hat er gezeigt, was er kann: 1994 wurde er Vierter,
genau wie 1998, obwohl er es mit Gegnern wie Judit Polgar, Viktor Korchnoi oder
Vishy Anand zu tun hatte.
Noch mehr Bilder
(von Anastasia Kharlovich
Donostia-San Sebastian bei Nacht
Blick in den Turniersaal
Spieler und Zuschauer
Letzte Runde: Nakamura gegen Kazimdzhanov. Die Partie endete Remis.
Wasser hält das Gehirn aktiv.
Ponomariov (links) gegen Paco Vallejo (rechts). Ponomariov gewann und konnte
zum bislang führenden Nakamura aufschließen.
Dann fiel die Entscheidung im Blitz. Da behielt der Amerikaner mit 2-0 die Oberhand.
Die Damen debattieren.
Der holländische Journalist Dirk Jan ten Geuzendam (links) hört Anatoli
Karpov zu.