Netflix-Miniserie "Queen's Gambit" geplant

von André Schulz
28.03.2019 – Netflix plant eine Miniserie über eine Schachspielerin. "Queen's Gambit" spielt zu Zeiten des Kalten Krieges. Die Waise Beth Harmon wächst unter schwierigen Bedingungen auf und entdeckt ihr Schachtalent. Im Kampf gegen sich selbst und gegen die besten russischen Großmeister versucht sie an die Spitze zu kommen. Nach einem Roman von Walter Tevis.

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Queen's Gambit ist ein Roman von Walter Tevis, der mit seinen Veröffentlichungen "The Hustler" und "Color of Money" auch schon Billiardspieler in den Mittelpunkt seiner Erzählungen gestellt hatte. Beide Romane wurden mit Paul Newman verfilmt. Tevis vielleicht berühmteste Filmvorlage ist "The Man who fell to earth". 1978 erschienen, handelt dieser Roman von einem Außerirdischen, der auf der Suche nach Wasser für seinen Planeten auf der Erde gelandet ist und versucht, hier zurecht zu kommen. Nicholas Roeg ("Wenn die Gondeln Trauer tragen") verfilmte die Geschichte in verstörender Bildästhetik mit David Bowie in der Hauptrolle.

Der Mann, der vom Himmel fiel

In Queen's Gambit widmete sich Walter Tevis einer Schachspielerin. Man erkennt in der Geschichte und in der Figur einige Motive aus dem Leben von Lisa Lane und von Robert Fischer.

Die Geschichte von "Queen's Gambit"

Beth Harmon wird im Alter von acht Jahren Waise, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Sie wird in einem Waisenhaus in Mount Sterling, Kentucky, untergebracht, wo die Kinder schlecht behandelt und mit Beruhigungsmitteln ruhig gestellt werden. Mit einfachem Gemüt versehen und verschüchtert lernt sie vom Hausmeister im Keller das Schachspiel kennen und entwickelt großes Talent.

Sie wird von Alma und Allston Wheatley adoptiert, besucht nun eine ordentliche Schule, bleibt dort aber Außenseiterin. Familie Wheatley fallt zudem bald auseinander. Die Pflegemutter flüchtet sich in den Alkohol.

Beth möchte gerne ihr Schachtalent weiterentwickeln, hat aber kein Geld für Bücher oder einen Schachlehrer. Also stiehlt sie ein Schachmagazin aus einem Zeitungsladen und einer Mitschülerin Geld, um an einem Schachturnier teilnehmen zu können. Von ihrer Adoptivmutter stiehlt sie Beruhigungsmittel, nach denen sie süchtig ist. 

Mit 13 Jahren gewinnt Beth erstes Schachturnier. Als 16-Jährige nimmt sie an den Offenen US-Meisterschaften teil. Mit 18 Jahren wird sie US-Meisterin. Dann reist sie nach Russland, um sich mit den sowjetischen Schachspielern zu messen, muss aber Rückschläge hinnehmen. Von Selbstzweifeln geplagt und tablettensüchtig stagniert ihre Karriere, doch dann erhält Beth Hilfe von einer Freundin aus dem Waisenhaus, die sie Disziplin lehrt und auf den rechten Weg führt. Sie fährt erneut nach Moskau und setzt sich im Showdown gegen die besser organisierten Russen durch.

Queen's Gambit erschien 1983 bei Random House. Schon 1997 kaufte Rafford Films die Filmrechte, doch das Buch wurde bisher nie verfilmt. Doch nun soll aus dem Stoff eine von Netflix produzierte Miniserie entstehen, mit sechs Folgen. Anya Taylor-Joy (The Witch) wird die Rolle der Beth Harmon übernehmen.

Filmographie von Anya Taylor-Joy

Walter Tevis

Walter Tevis wurde 1928 in San Francisco geboren. Mit zehn Jahren brachten seine Eltern ihn für ein Jahr im "Stanford Children's Convalescent home" unter, da sie in Kentucky Land erworben hatten und versuchten hier Fuß zu fassen. Mit elf Jahren reiste Tevis alleine quer durch die USA zu seiner Familie. Tevis besuchte die Lexington High School und lernte das Billard Spiel und Science Fiction Romane kennen. 

Mit 17 Jahren lernte Tevis zunächst das Handwerk des Zimmermanns und dient auf der USS Hamil in Okinawa. Nach seiner Entlassung studierte er auf er University of Kentucky Literatur. Nach seinem Universitätsabschluss unterrichtete er verschiedene Fächer, von Sport über Naturwissenschaften bis Literatur an verschiedenen kleineren Schulen in Kentucky und begann in dieser Zeit, einige Kurzgeschichten für The Saturday Evening Post, Esquire, Redbook, Cosmopolitan und Playboy zu schreiben.

Sein erste Roman war The Hustler, 1959 von Harper & Row veröffentlicht. Es folgte 1963 The Man Who Fell to Earth. Tevis wechselte an die Ohio University in Athens, Ohio und lehrte 14 Jahre lang Englisch und Kreatives Schreiben. 1978 zog er nach New York und begann wieder selber zu schreiben. Er veröffentlichte vier Romane: Mockingbird, The Steps of the Sun, The Queen's Gambit und The Color of Money, außerdem eine Sammlung von Kurzgeschichten: Far From Home. 1984 starb Tevis an Lungenkrebs. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. 

Schachspieler in der Literatur

Johannes Fischer hat sich schon 2003 für Karl auf seinem lesenswerten Blog "Schöner Schein" anlässlich der Wiedereröffnung von "Queen's Gambit" mit der Darstellung von Schachspielern in der Literatur beschäftigt, nicht nur bei Tevis, sondern allgemein. Die Zusammenfassung seiner Beobachtungen liest sich so:

"Schachspielern in der Literatur oder in Filmen zu begegnen ist nicht immer ein Vergnügen. Oft behaupten sie fünfzig Züge im Voraus berechnen zu können und 100.000 Varianten im Gedächtnis zu haben, aber kennen die Namen der von ihnen gespielten Eröffnungen nicht. In Filmen bauen sie das Brett falsch auf und nehmen die Figuren in die Hand wie ein Nichtraucher eine Zigarette. Von Lasker, Capablanca und Aljechin reden sie wie ein Philosophiestudent im ersten Semester über Heidegger und Wittgenstein. Ihre Kenntnis der Schachgeschichte endet in der Regel kurz vor dem Zweiten Weltkrieg – es sei denn, sie sprechen über Fischer. Angenehme Zeitgenossen unter ihnen gibt es kaum. Die Sensiblen sind verrückt oder werden es bald und die robusteren Naturen nutzen ihren Verstand meist zur Planung perfider Verbrechen."

Obwohl ihm "Queen's Gambit" als Roman durchaus gefällt, sorgt die Beschreibung der Schachspieler bei "Queen's Gambit" für einen schalen Beigeschmack. Zu viele Ungenauigkeiten trübten das Bild, meint Johannes Fischer: 

"Ein Happy-End im Schachroman, das gibt es selten. Aber warum hinterlässt The Queen’s Gambit trotzdem ein zwiespältiges Gefühl? Ist es die bei aller Spannung manchmal naive Darstellung des Spiels? So wirkt es zwar vertraut, wenn sich Beth nach unerwarteten und starken Zügen ihrer Gegner der Magen zusammenzieht und sie Aggressionen gegen ihre Gegner entwickelt; und auch die von Tevis entworfenen Porträts der Schachspieler und ihrer Manierismen erinnern an Figuren, die man bei jedem größeren Open trifft. Aber demgegenüber stehen Beschreibungen von Partien, in denen es vor allem wichtig zu sein scheint, möglichst viele Eröffnungsvarianten richtig zu erinnern und zu wissen, dass man jetzt gerade die Löwenfisch-Variante spielt. Merkwürdig abstrakt bleibt auch die Darstellung der Turnierszene in Amerika, in der Beth’ nach ein paar Erfolgen in offenen Turnieren bereits als amerikanische Meisterin gehandelt wird."

Queen's Gambit: Demnächst gibt es Schach bei Netflix. Mal schauen, was sie draus machen.

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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