Die Corr Database: Fundgrube für Ideen
Schach ist einer der ganz wenigen Sportarten, die man auch aus der Distanz im Wettbewerb ausüben kann. Von "Fernfußball" oder "Ferntennis" hat noch niemals jemand etwas gehört, auch nicht von "Fernpoker" oder "Fernbridge", obwohl das inzwischen technisch möglich wäre und auf Online-Plattformen in gewissem Sinne auch praktiziert wird. "Fernschach" hingegen hat eine mehrere Jahrhunderte zurückreichende Tradition, ist mit dem "Nahschach eng verbunden, hat aber auch seine ganz eigene Geschichte.
Heute sind wir es gewohnt, dass man sich über das Internet im Prinzip mit nahezu jeder anderen Person auf dem Planeten in Verbindung setzen kann. Im Schach kann man, zum Beispiel auf Playchess mit anderen Schachfreunden überall in der Welt spielen. Das ist zwar auch "entferntes" Schach, aber es ist nicht das traditionell "Fernschach", das im Unterschied zum Nahschach eine Form der Entschleunigung bietet, das bedächtiger (im positiven Sinne) ist und damit auch immer schon weniger fehlerbehaftet war. Im englischen Sprachraum hat sich übrigens die Bezeichnung "Correspondence Chess" durchgesetzt, die einen anderen Aspekt dieser Form des Schachs aus der Ferne betont.
1804: Die ersten überlieferten Fernschachpartien
Fernschachpartien sollen es der Legende zufolge schon zwischen dem oströmischen Kaiser Nikephorus I. und dem Kalifen Harun-al-Raschid gegeben haben. Da die beiden Regenten mit ihren Völkern aber häufig im Krieg gegeneinander lagen, ist diese Überlieferung eher nicht so glaubhaft. Da klingt es schon weitaus plausibler, dass Voltaire und Friedrich der Große über die Entfernung miteinander Schach gespielt haben sollen. Die Züge zwischen Paris und Potsdam wurden mit Hilfe von Kurieren übermittelt. Auch Katherina die Große soll eine der Fernschachpartnerinnen Voltaires gewesen sein.
Die Möglichkeit, die Züge auf dem 8x8 Felder großen Schachbrett eindeutig zu benennen ist eine der Voraussetzungen für die Durchführung eines Fernwettkampfes. Der Partner kann nach Erhalt der Zuginformation den Zug an seinem Ort auf seinem Brett eindeutig reproduzieren, später seine Antwort notieren und absenden. Die andere Voraussetzung ist, dass Schach keine sofortige Reaktion erfordert. Es spielt für den Fortgang der Partie keine Rolle, wie schnell man auf den letzten Zug des Gegners antwortet, einzig die Qualität des Zuges und die Tiefe des dahinter liegenden Gedankens spielen eine Rolle - jedenfalls solange keine Bedenkzeit festgelegt ist. Und dann hat das Fernschach gegenüber dem Nahschach noch einen anderen bedeutenden Vorteil: Man kann auch gut mehrere Partien gleichzeitig spielen.
Die erste Fernschachpartien der Geschichte, deren Notation bekannt sind, sind die Partien von Friedrich Wilhelm von Mauvillon, einem preußischen Offizier. Er spielte diese Partien im Jahr 1804, als er selber in Den Haag stationiert war, gegen einen Schachfreund, der sich in Breda befand. Später hat von Mauvillon drei dieser Partien in seinem Buch "Anweisung zur Erlernung des Schachspiels" (Essen, 1827) veröffentlicht. So wurden sie der Nachwelt überliefert.
Anweisung zur Erlernung des Schachspiels, 1827
Die offizielle Geschichte des Fernschachs hatte begonnen und diese drei Partien sind auch die ersten Einträge in der nun neuen Ausgabe der "Corr Database 2018", die von 1804 bis ins Jahr 2017 reicht und über 1,4 Mio. Fernschachpartien umfasst.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Städte-Wettkämpfe nicht nur unter den europäischen Metropolen populär. Die besten Spieler vertraten in diesen prestigeträchtigen Wettkämpfen ihre Stadt. Nach eingehender Beratung wurde der Antwortzug zumeist in der örtlichen Presse bekannt gegeben. Die Partien wurden also quasi "live übertragen".Die Bevölkerung konnte den Verlauf verfolgen und sich eigene Gedanken machen. Diese Wettkämpfe sorgten auch für eine zunehmende Popularisierung des Schachs zu dieser Zeit. Die ersten Schachklubs wurden gegründet, die ersten Schachmagazine erschienen.
Die Französische Verteidigung und die Schottische Partie werden erfunden
1834 bis 1836 spielten London und Paris einen solchen Städte-Wettkampf. Bis dahin war die übliche Eröffnung einer Schachpartie 1.e4 e5 und dann weiter. Alles andere war undenkbar. London eröffnete 1.e4 und Paris antwortete 1...e6. Voilá, die Französische Verteidigung war offiziell geboren! Der Zug war von Pierre de Saint-Amant vorgeschlagen worden - allerdings war diese Verteidigung in Französischen Schachkreisen schon recht populär.
So ähnlich entstand auch der Name für die Schottische Partie, nach einem Wettkampf London gegen Edinburgh, 1824. Zwar waren es die Engländer, die zuerst das das ungewöhnliche 3.d4 (Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6) zogen (nach einem Vorschlag von J. Cochrane), aber die Schotten konnten als erste damit eine Partie gewinnen.
Der Ausbau des Postwesens trug nicht unwesentlich zur Popularisierung des Fernschachs bei. Nicht jeder konnte sich einen Boten leisten, so wie Friedrich der Große, um seine Züge zu einem Schachfreund zu schicken. 1840 wurde jedoch von Sir Rowland Hill die heutige Briefmarke erfunden. Nachdem zuvor immer der Empfänger einen Boten zu entlohnen hatte, gab es nun also ein kostengünstiges "Prepaid"-System, bei dem der Absender für die Kosten des Versandes aufkam. Die erste Briefmarke war übrigens die britische "One Penny" mit Königin Victoria als Motiv. Gut erhaltene Exemplare werden unter Briefmarkensammlern heute im fünfstelligen Euro-Bereich gehandelt. Vielleicht findet ja jemand auf seinem Dachboden eine verstaubte Kiste mit den Fernschachpostkarten seines Urgroßvaters. Dann ist er Millionär.
Die "One Penny" von 1840
Allmählich kristallisierten sich mehr oder weniger verbindliche Regeln heraus. 1870 wurde in England er erste reine Fernschach Club gegründet, der "Caissa Correspondence Club". und 1884 organisierte das französische Schachmagazin "La Strategie" das erste internationale Fernschachturnier. In einigen Ländern gründeten sich die ersten nationalen Fernschachverbände.
Gründung der Internationalen Fernschachverbände
1928 wurde in Berlin unter der Leitung von Erich Otto Freienhagen auch der Internationale Fernschachbund ins Leben gerufen. Das Fernschach-Magazin des IFSB wurde in 60 Ländern verteilt und war damit das populärste Fernschach-Magazin der Welt. Im Zuge der politischen Isolierung Deutschlands und des heran nahenden Zweiten Weltkrieges stellte der IFSB seine Aktivitäten jedoch 1939 ein. Als Nachfolgeorganisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die International Correspondence Chess Association (ICCF) gegründet, 1951.
Die erste Fernschach-Weltmeisterschaft begann 1950. Erster Fernschach-Weltmeister der Geschichte wurde der Australier Cecil Purdy, nachdem die Weltmeisterschaft 1953 abgeschlossen war. Es ist übrigens nicht so, dass die Welt der Schachspieler sich in zwei Teile teilt, die Nahschachspieler und die Fernschachspieler. Alexander Aljechin, Max Euwe oder Paul Keres waren auch begeisterte Fernschachspieler und haben ihre Spielstärke durch das Analysieren von Fernschachpartien weiterentwickelt.
Die elosbesten Nah-und Fernschachspieler in der Corr Database
Die Corr Database 2018 enthält unter anderem 104 Fernschach-Partien von Paul Keres, 87 Fernschachpartien von Alexander Alekhine und 24 Fernschachpartien von Max Euwe. Aber es gibt noch eine Reihe von weiteren bekannten Nahschach-Spielern mit größeren Fernschachaktivitäten, darunter etwa Lothar Schmid, Ulf Andersson oder Krishnan Sasikiran. Letzterer ist auch mit einer aktuellen Partie in der Liste der Kommentatoren vertreten. Alles in allem sind etwa 5000 Partien der Corr.- Database, kommentiert, von durchaus namhaften Kommentatoren. Aljechin ist einer von ihnen.
Liste der Kommentatoren (Auszug)
Aber natürlich hat das Fernschach auch seine eigenen Helden, nicht zuletzt die Fernschachweltmeister, von denen es ein paar mehr gibt als Nahschachweltmeister. 28 Fernschachweltmeisterschaften wurden bisher abgeschlossen und haben 26 Fernschachweltmeister erzeugt. Drei Spieler konnten zweimal die Weltmeisterschaften gewinnen: Töno Öim (1982 und 1999), der im letzten Jahr verstorbene Joop van Oosteroom (2005 und 2007) und Alexander Dronow (2010 und 2014). Deutschland ist mit drei Fernschach-Weltmeistern vertreten: Hort Rittner, Fritz Baumbach und Ulrich Stephan.
Eine Weltmeisterschaftspartie darf natürlich in keiner Fernschachsammlung fehlen:
Teilweise sind die Weltmeisterschaftsturniere übrigens noch gar nicht abgeschlossen, wenn eine neue Weltmeisterschaft beginnt. Das ist Fernschach. Es dauert etwas länger und die Anekdokte, dass die Mannschaft der DDR noch eine Medaille bei der Fernschacholympiade gewann, als die DDR schon gar nicht mehr bestand, ist einigermaßen berühmt.
Eine Fundgrube an Ideen
Natürlich sind alle großen Fernschachturniere, Weltmeisterschaften oder Fernschacholympiaden in dieser Datenbank enthalten. Neben dem geschichtlichen und dem dokumentarischen Aspekt gibt es jedoch einen sehr konkreten und praktischen Anwendungsnutzen für den "normalen" Klub- oder Turnierspieler. In der digitalisierten Welt hat sich das Fernschach sehr gewandelt. Übermittelt werden die Züge nun meist per Email, oder es wird auf Servern gespielt, die von den Fernschachorganisationen bereit gestellt werden.
Auch früher schon konnte man seinen Gegner nicht ganz genau identifizieren. Vielleicht hatte der betreffende Fernschachfreund noch ein paar Berater zur Verfügung, die ihm halfen. Vielleicht spielte jemand ganz anderes. Als die ersten Schachcomputer erschienen, änderten sich die Dinge nach und nach und recht radikal. Heute sind die besten Spieler der Welt vermutlich allesamt Schachengines. Und wohl jeder Fernschachspieler hat einen solchen elektronischen Berater zur Seite. Führende Fernschachspieler und Fernschachspezialisten wie Arno Nickel vertreten die Auffassung, dass das menschliche Urteil, zum Beispiel in der Abwägungen unterschiedlicher Zugvorschläge von verschiedenen Engines weiter eine große Rolle spielt. Es scheint aber, dass viele Fernschachfreunde doch mehr oder weniger per Autopilot spielen. Diese Partien bieten aufgrund der Auswahl von bestimmten Eröffnungsvarianten durchaus sehr interessante Hinweise. Da die Engines nur wenig Fehler machen kann, kann man nämlich hier recht gut ablesen, welche Eröffnungen erfolgreicher und welche weniger erfolgreich sind. Jede Engine holte ja das beste aus der Stellung heraus, die sich in einer bestimmten Eröffnung ergeben hat. Und wenn die Partie verloren geht, könnte es sehr gut an der Eröffnung gelegen haben. Und wenn sie gewonnen wird, ebenso.
Tatsächlich ist es so, dass viele Spitzengroßmeister, beziehungsweise ihre Trainer und Sekundanten sich solche Computerschachpartien sehr genau ansehen und daraus ihre Schlüsse ziehen und dabei viele interessante Entdeckungen machen und neue Ideen erhalten. Das heutige Fernschach ist eben zu einem bestimmten Grad Computerschach. Hier findet man heute schon die Eröffnungstheorie von morgen.
Die Corr Database 2018
ChessBase Corr Database 2018
1,4 Mio Fernschachpartien
Corr Database 2018 ist die große ChessBase-Sammlung von Fernschachpartien aus der Zeit von 1804 bis 2017. Dazu gehören Partien, die im klassischen Fernschach per Post gespielt wurden, aber auch solche, die per E-Mail ausgetragen wurden. Insgesamt 1.431.813 Partien von über 85.470 Spielern aus über 79.800 Turnieren. Das Fernschachlexikon umfasst ca. 522.222 Spieler. Die Datenbank enthält die Fernschachweltmeisterschaften 1-28, Fernschach-Olympiaden 1-18, Fernschach-Europameisterschaften, viele komplette nationale Meisterschaften (AUS, CSR, DEN, GE, NED, USA). Viele Thementurniere (etwa Evans-Gambit, Budapester Gambit, Morra-Gambit, Trompowsky-Angriff, Sizilianisch Drachen u.v.m.) sind eine große Bereicherung der bekannten Eröffnungstheorie. Ein Muss für jeden Fernschachspieler!
Systemvoraussetzung: 1 GHz Pentium PC, Windows 10, 8.1 oder 7, 512 MB RAM, DVD-ROM Laufwerk, ChessBase 14, 13 oder 12.
• Language: English
• DVD-ROM
• ISBN 978-3-8661-622-0
• UVP: 189,90 EUR incl. 19% MwSt
Update nur von CORR 2015: 99,90 EUR. Bitte Seriennummer einreichen.
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