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Vlastimil Horts DVD über die Weltmeister
Hort beim Simultan beim Ärzteturnier
Hort und Portisch als "Mainzelmännchen"
Vlastimil Hort gehörte in seiner besten Zeit - in den Siebziger und Achtziger Jahren
des letzten Jahrhunderts - zur absoluten Weltspitze. Mit seinem sechsten
Platz beim Interzonenturnier in Sousse 1967 erregte der in Kladno geborene, damals 23-Jährige
bereits die Aufmerksamkeit der Schachwelt. Beim Wettkampf UdSSR gegen den Rest
der Welt 1970 spielte Hort für den "Rest" an Brett vier. Sechsmal gewann er
zwischen 1971 und 1984 die tschechische Landesmeisterschaft. Bei den
Kandidatenwettkämpfe zur Weltmeisterschaft unterlag Hort 1977 Boris Spassky
knapp mit 8,5:9,5. In dieser Zeit war er einer der zehn besten Spieler der Welt.
Der Statistiker Jeff Sonas führt Vlastimil Hort in seiner Gesamtliste der
besten Schachspieler aller Zeiten auf Rang 83 mit 2717 Elo (*historisch).
Schon 1979 übersiedelte Hort nach Deutschland und spielte in der Bundesliga für die SG Porz, auf den Schacholympiaden aber zunächst weiter für die Tschechoslowakei. Während der Schacholympiade 1982 in Luzern verstarb der Staatschef der UdSSR, der Vorsitzende der KPdSU Leonid Breschnew (10.November 1982). Diesem Umstand trugen die Schweizer Organisatoren der Schacholympiade Rechnung, indem sie vor der Runde eine Gedenkminute einlegten, zu der alle anwesenden Spieler aufstehen sollten. Nicht alle fanden aber, dass der Anlass diese Ehrehrbietung rechtfertigte.
"Nein, daas war keinä gutä Idääh. Nun was solltäh ich machen? Stillstähen für Brähschnähw? Zusahmähn mit dähn Spielärn aus der Sowjätunion? Dann ich kam auf dän elegantän Auwäg. Schnell ging ich auf das stilläh Örtchten, wo man ist ganz alleinä. Was soll ich sagen, wähn traf ich dort? Meinän Kollegen Lubosch Kavaläk. Da hattän wir gleiche Lösung gefunden und standen nun zusammän, aber nicht für Brähschnähw."
Vlastimil Hort bei der Schacholympiade in Luzern
Bekanntlich war das Schach in den Ostblockländern, besonders in den zur
Sowjetunion zusammengefassten Staaten, eine hochpolitische Angelegenheit. Aber
auch in den von der Sowjetunion abhängigen Satellitenstaaten musste der Tod des
obersten Herrn den "großen Bruders" entsprechend betroffen betrauert werden. Dies war im Falle von
Breschnew in der Deutschen Demokratischen Republik nicht ganz einfach, da der
Tod des Generalsekretärs um einen Tag verspätet erst am 11.11. von den DDR-Medien bekannt gegeben wurde und so mit
den fröhlichen Feiern zum Karnevalsbeginn zusammenfiel. Damit nicht etwa
irgendwelche
Missverständnisse entstünden, wurde der Beginn der Karnevalssaison in diesem
Jahr deshalb um
einen Tag verschoben.
Ein besseres Timing hatte etwa 30 Jahre zuvor Josef Dschughaschwili, genannt
Stalin, bewiesen.
Nach dessen Tod am 5. März 1953 kondolierte auch das 14-tägige DDR-Schachorgan "Schach" pflichtschuldig auf der Titelseite seiner 2. Märzausgabe 1953 und gelobte "nun im Geiste Stalins" (!) "noch bewusster für die Völkerverständigung einzutreten":
Titelseite von "Schach" 1953
Nachdem Hort 1986 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte, wurde er
in der Tschechoslowakei zu zwei Jahren Haft verurteilt, später aber von Vaclav
Havel begnadigt: "Därr Lubosch Kavaläkk, ähr hat nur ein Jahr bekommähn, ich zwei, wegähn, ich gläubä - ach habäh ich vergessen."
Mehrfach gewann Hort danach den Titel des deutschten Einzelmeisters.
Bis 2000 spielte er bei der
SG Port, wo Hort dem Mäzen Wilfried Hilgert sehr verbunden war. Doch nachdem
schließlich kaum
noch jemand seiner Generation dort am Brett saß, wechselte Hort 2000 nach Oberhausen in
die Regionalliga. Viel bekannter noch als durch seine Erfolge im
Schach, ist Vlastimil Hort durch seine Kommentare bei den WDR-Schachsendungen geworden. In
unnachahmlicher Weise hat er viele Jahre lang an der Seite von Redakteur Dr. Claus Spahn und seinem GM-Kollegen Dr. Helmut Pfleger die Reihe Schach der Großmeister
mit treffenden und oftmals humoristischen Kommentaren gewürzt.
Dr. Pfleger, Hort, Dr. Spahn
Vlastimil Hort und Dr. Claus Spahn bei der WM in Bonn
Anfang September fand sich schließlich ein Termin, an dem
Hort Zeit hatte, nach Hamburg zu reisen, um im ChessBase Studio die Aufnahmen
über eine DVD zu den Weltmeistern zu erledigen. Um möglichst viel Zeit für seine
Aufnahmen zur Verfügung zu haben, wollte Hort schon sehr früh in Hamburg sein
und bestieg deshalb am frühen Morgen in seiner Heimatstadt Köln einen Zug. Doch
genützt hat ihm das nichts. Hort kam in Hamburg zur Ankunftszeit nicht an. Am
Bahnhof wartete man vergeblich auf den Gast. Die Anzeigetafel verkündete eine
Verspätung von 45 Minuten, wobei der erfahrene Bahnreisende weiß, dass "45
Minuten Verspätung" in Bahnlingua für "wir haben keine Ahnung, wann der Zug
kommt", steht.
Wo ist Vlastimil Hort?
Aber wo war Hort? Zur Erläuterung der Gründe, die zu seiner Verspätung führte,
sei ein kleiner Einschub erlaubt:
In den Achtziger Jahren wurde Deutschland vom Privatisierungsvirus
ergriffen. Nach der Post, die in die Teile Telekom (mit unzähligen
Tochterfirmen: T-Online, T-Com, T-Mobile, T-Keineahnung), Gelbe Post (DHL!)
und Postbank (nun in Stücken verkauft an Deutsche Bank) zerschlagen wurde, und vielen
Energiekonzernen strebt auch die Deutsche Bahn, bzw. deren Manager
erfolgsprämiert, den Börsengang an.
Wer noch Bahn fährt, versteht schnell, dass sich das
Unternehmen - im Besitz vieler Einkaufszentren in zentraler Lage, aus traditionellen Gründen
derzeit noch Bahnhof genannt -, sich heute eher als Immobilien- und
Handelsgesellschaft versteht, die allerdings noch einige lästige Verpflichtungen im
Transportwesen zu erfüllen hat.
Bahntower in Berlin
Die neue Zielgruppe der Deutschen Bahn sind also die zukünftigen Aktionäre, während die alten Kunden, die Zugreisenden, vor allem Kosten erzeugt. Um sich "fit für die Börse" zu machen, wurden im Zuge der Rationalisierung alle nicht profitablen Strecken still gelegt. In der Regel gibt es jetzt nur noch eine Verbindung zwischen zwei Orten. Wenn diese ausfällt, dann..., - Sie ahnen es.
Doch nicht alles hat sich im Laufe der letzten Jahre bei der Bahn verschlechtert. So wurde z.B. ein neues Fitnessangebot eingeführt, dem man sich nur ganz schwer versagen kann, nennen wir es "Bahnrace".
Bei Bahnreisen empfiehlt es sich - besonders für Familien mit Kleinkindern
und Senioren -, Sitzplätze zu reservieren, da man sonst in den zumeist
überbuchten Zügen die Fahrt u.U. über mehrere Stunden stehend verbringen
muss. Das Auffinden der reservierten Sitzplätze wird durch den
Wagenstandsanzeiger ermöglicht, der an jedem Bahnsteig aufgestellt ist. Sie
stellen sich mit ihrem Gepäck einfach an die Stelle des Bahnsteigs, an der
der Wagen mit ihrem Sitzplatz halten wird. Dies ist ein fein durchdachtes
System, das einst von unseren Großvätern eingereichtet wurde und das immer
noch funktioniert, sofern der Zug in der geplanten Wagenreihung einfährt.
In
einem von vier Fällen wird der ICE, in dem Sie gebucht haben, jedoch
erfahrungsgemäß in "umgekehrter Wagenreihung" in den Bahnhof einfahren. Im Extremfall
befindet sich nun ihr Sitzplatz nicht im vordersten, sondern vielleicht im
letzten Wagen.
Gelegentlich wird diese Änderung am Bahnsteig frühzeitig bekannt gegeben, meistens werden Sie es aber erst erfahren,
wenn die Einfahrt Ihres Zuges angesagt wird, also etwa eine Minute vorher.
Und jetzt
sind Sie an der Reihe! Der Bahnrace beginnt.
Wie lang ist ein ICE?
Hätten Sie es gewusst? Der ICE 1 ist 358 Meter lang. Und das ist u. U nämlich die
Entfernung, die sie nun zurücklegen müssen, um zu "ihrem" Wagen zu gelangen. Oder
ist es ein ICE 3? Pech gehabt. Bei doppelter Bestückung (zwei ICE sind
aneinander gehängt) weist der ICE 3 sogar eine Gesamtlänge von 420 Metern auf.
Wo liegt eigentlich der Weltrekord für 400 Meter? Bei 43,18 Sekunden.
Die normale Haltezeit für einen Zug im Bahnhof beträgt 3 Minuten. Diese Zeit
steht Ihnen nun zur Verfügung, um von ihrem Standpunkt bis zum neuen Haltepunkt
Ihres Wagens zu gelangen, Das muss doch zu schaffen sein. Wenn Sie Pech haben,
rennen Sie allerdings wirklich 400 Meter. Im Gegensatz zu Michael Johnson bei
seinem Weltrekord 1999 in Sevilla laufen Sie ohne Spikes, aber dafür mit
Gepäck. An der rechten oder linken Hand befindet sich vielleicht ein Kind, das
Sie nun auch noch hinter sich herziehen. Oder sind Sie Rentner, Mutter mit
Kinderwagen? Sie starten im Handycaplauf.
Leider ist die Laufstrecke auch nicht frei.
Abfalleimer, Anzeigetafeln, Kioske und Bänke stehen herum. Die größte Schwierigkeit beim
Vorwärtskommen bilden die Menschen auf dem Bahnsteig. Diese kommen Ihnen in
großer Zahl entgegen und wollen
zum anderen Ende des Bahnsteigs. Denn dort wird ihr Wagen stehen. Falls Sie daran denken, einfach irgendwo in den
Zug zu steigen und sich innerhalb desselben zum reservierten Platz vorkämpfen zu
wollen - vergessen Sie es. Auch im Zug kommen Ihnen zahlreiche Reisende entgegen,
die genau in die andere Richtung müssen. Und in einem ICE kommen zwei Personen
mit Koffern nur unter größten Mühen aneinander vorbei.
Die gute Nachricht unserer kleinen Betrachtung ist, dass Vlastimil Hort dieses
Angebot für diesmal erspart blieb. Wer sehr früh (oder sehr spät) fährt, kann
auch ohne viele Mitläufer zum Ziel gelangen. Der in der
Tschechoslowakei geborene Großmeister fuhr also frohgemut in Richtung Hamburg
und kam auch bis kurz vor Bremen. Dort gab es aber offenbar einen Schaden an der
Strecke und es ging nicht weiter. Nach einigem Nachdenken und einer Umrüstpause
ging die Fahrt also wieder zurück, denn - s.o. - die Bahn hat die meisten Ausweichstrecken still
gelegt. Zurück ging es bis Oldenburg. Von dort fuhr der Zug dann weiter nach Hannover und schließlich kam
der bekannte Schachgroßmeister nach einer mehr als siebenstündigen Irrfahrt doch
noch, zwar etwas erschöpft und auch ein wenig aufgebracht, am Ziel an.
"Wisseähn sie, es tut
mir so leid. Ich fühläh mich ganz furchtbar. Daahs ist allähs diesä
Mähdonn schuld. Man solltäh ihn trähtähn in den A..., jähddähn Tag."
Vlastimil Hort in Hoogeveen
Doch die gute Laune des Schachentertainers war aber bald wieder hergestellt und er
nahm an diesem und den folgenden Tagen eine DVD über diejenigen Schachweltmeister auf,
die er selbst noch gekannt oder gegen die er gespielt hat.
Pascal Simon weist in die Aufnahmetechnik ein
Der älteste Weltmeister, den Hort noch getroffen hat, war Max Euwe. Gegen den Niederländer hat er allerdings nicht mehr gespielt. Die erste sportlich Begegnung führte Hort mit Michael Botvinnik zusammen. Hort zeigt seine Partie aus dem Turnier von Monte Carlo 1968. Aber natürlich geht es bei einer DVD von Vlastimil Hort nicht nur um die Schachpartien. So gibt es auch über Botvinnik Einiges zu berichten, leider nicht nur Gutes.
Zehn Partien gegen die Weltmeister Botvinnik, Smyslov, Tal, Spassky, Fischer, Karpov und Kasparov bieten Gelegenheit zu einer virtuellen Zeitreise durch die Schachgeschichte, die vier Stunden lang in sehr angenehmer Reisebegleitung dauern wird. Wer allerdings eine ganze Bahnfahrt lang, so wie Hort sie erlebt hat, von Köln nach Hamburg unterhalten werden möchte, muss schon beide, die deutsche und die englische Version nacheinander anschauen.
"Zäh laah Wieh", wie wirr in Tschäschien sahgähn..."
Fritz Trainer |