Neue Repertoireideen (III): „Caro-Kann für Könner”

von ChessBase
13.11.2019 – Die Präsentation neuer Eröffnungsideen ist einer der Schwerpunkte von ChessBase Magazin. In einem der 11 Eröffnungsbeiträge der aktuellen Ausgabe stellt Alexey Kuzmin eine Spezialität von Maxime Vachier-Lagrave vor: das Zweispringerspiel gegen Caro-Kann. Schauen Sie in den dritten Teil unserer kleinen Reihe und lernen Sie, was eine "Interpretation á la MVL" bedeutet!

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Analysen von Giri, Anand, Nisipeanu, Huschenbeth, Vidit, Vitiugov, Tomashevsky, u.v.a. Dazu Videos von King, Shirov und l'Ami, elf Eröffnungsartikel mit neuen Repertoireideen und Trainingseinheiten für jede Partiephase!

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Caro-Kann für Könner

Alexey Kuzmin zeigt das Zweispringerspiel á la MVL

1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.Sc3 Lg4 4.h3

 

Diese Variante wird mit Weiß nicht selten von Maxime Vachier-Lagrave angewendet - und wie man sehen wird, hat er seine Gründe dafür! Offensichtlich verfügt Schwarz hier über zwei Optionen:

1. Läuferrückzug: 4...Lh5

 

In den letzten Jahren wurde selten so gespielt. Weiß hat zwei aussichtsreiche Möglichkeiten:

Die Fortsetzung 6.Lb5+ Sc6 7.g4 Lg6 8.Se5 Tc8 9.d4 e6 10.De2 wird anhand der Partie Dragun,K - Macieja,B ½-½ betrachtet. Die Reaktion 6.g4 Lg6 7.Se5 Sc6 8.d4 sehen wir in der Partie Nabaty,T - Basso,P ½-½.

In beiden Fällen verfügt Weiß über Vorteilaussichten, auch wenn von ihm wegen der Komplexität der Positionen, die entstehen können, genaues Spiel verlangt wird.

2. Läufertausch: 4...Lxf3 5.Dxf3

 

5...e6

Die Alternative 5...Sf6 6.Le2 bedeutet in den allermeisten Fällen nur eine Zugumstellung nach 6...e6. Von seltenen Fortsetzungen ist die Ressource 6...dxe4 7.Nxe4 Nxe4 8.Qxe4 Qd5 zu erwähnen – siehe die Anmerkungen zu Vachier Lagrave,M - Riazantsev,A 1-0, Doha 2016.

6.Le2

 

Meistens entwickelt Schwarz jetzt den Sg8 nach f6, um danach (entweder sofort oder mit einem Zug Verzögerung) auf e4 zu nehmen. Natürlich kann er auch mit 6...Sd7 7.d4 dxe4 8.Sxe4 Sgf6 fortsetzen oder sich sogar für 6…dxe4 7.Sxe4 Sd7 nebst 8...Sgf6 entscheiden. Aber in allen Fällen wird der Bauer d5 gegen den Bauern e4 abgetauscht und Weiß verbleibt mit dem Läuferpaar gegen schwarzen Springer und Läufer – solche Entwicklung der Handlung kommt am öftesten vor und stellt die Hauptrichtung in dieser Variante dar.

Aber gerade weil bei der gerade skizzierten Abwicklung der Anziehende dank seines Läuferpaares risikofrei um die Initiative kämpfen kann, testete Schwarz, besonders in letzter Zeit, auch andere Wege – mit der Absicht, ein solches Spielmuster zu vermeiden. In dieser Hinsicht verfügt er über drei strategische Hauptkonzepte, und jeder davon kann auf unterschiedliche Art und Weise bzw. durch verschiedene Zugfolgen umgesetzt werden. Daher ist es in diesem Fall sinnvoll, nicht mit den konkreten Zugsequenzen, sondern mit Plänen zu operieren.

A) Der Plan mit der Entwicklung des Läufers nach g7

Dies kann sowohl mittels 6...g6 als auch 6…Sd7 7.d4 g6 bzw. 5...Sf6 6.Le2 g6 verwirklicht werden, siehe Vorobiov,E - Motylev,A ½-½. Wie die Analyse zeigt, bekommt Weiß dabei die besseren Chancen.

B) Der Plan mit dem Vorstoß d5-d4

Das kann mittels 5...e6 6.Be2 d4, 5…e6 6.Be2 Sf6 7.0-0 d4 oder 5...Sf6 6.Be2 d4 geschehen – die entsprechenden Folgen werden anhand der Partie Blohberger,F - Rabatin,J 1-0 betrachtet. Das Abschließen des Zentrums (d5-d4) bietet dem Anziehenden einen klaren Plan an – Vorbereitung und Durchführung von f2-f4, und zwar unabhängig davon, ob der Gegner seinen e-Bauern nach e5 bringt. Stellungen dieser Art lassen sich mit Weiß etwas leichter behandeln.

C) Der Plan mit der Entwicklung des Läufers nach c5 (gegen d2-d4 gerichtet).

Hier muss man wiederum zwischen zwei Richtungen unterscheiden:

C1) Schwarz entwickelt den Sg8 nach e7 – 6...Lc5 7.0–0 Se7.

 

So spielte einige Male Mamedyarov. Aber mittels des „seltsamen“ Zuges 8.Sa4!? gelingt dem Weißen, das oben besprochene „übliche“, für die zentralen Varianten typische Spielmuster heraufzubeschwören - Bacrot,E - Mamedyarov,S ½-½, Paris 2017.

C2) Schwarz entwickelt den Springer nach f6 – 6…Sf6 7.0-0 Lc5.

 

Dieser in letzter Zeit beliebte Plan wird anhand der Partie Vachier Lagrave,M - Navara,D 1-0 erklärt. Meines Erachtens behält Weiß auch hier reelle Chancen, den Kampf um die Initiative zu gewinnen. Noch ein paar andere, weniger populäre Möglichkeiten des Nachziehenden, von der Hauptvariante abzuweichen, werden den Anmerkungen zu der eben erwähnten Begegnung und zur Hauptpartie Vachier Lagrave,M - Riazantsev,A 1-0 vorgestellt.

Und damit schließlich zu unserer eigentlichen Hauptvariante:

6...Sf6 7.0–0 Sbd7 (7...dxe4 8.Sxe4 Sxe4 9.Dxe4 Sd7 ist ähnlich.) 8.d4 dxe4 9.Sxe4 Sxe4 10.Dxe4 Sf6 11.Dd3 Ld6

 

Diese typische Stellung ist mehrmals vorgekommen. Fast in allen Partien platzierte Weiß seinen Läufer auf f3, um danach zu versuchen, den Druck in der Mitte und am Damenflügel weiter zu erhöhen. Vachier-Lagrave behandelte diese Position jedoch anders: Er schob seinen a-Bauern nach a5 vor, um die Bauernstruktur am Damenflügel teilweise festzulegen, und brachte seine Dame nach f3, wonach er den Bauernsturm des gegnerischen Königsflügels vorbereitete. Es macht kaum Sinn, bei der Besprechung eines so mehrstufigen Planes zu versuchen, sich an konkrete Zugfolgen zu halten. Daher schlage ich Ihnen vor, sich einfach anzuschauen, wie der Kampf in zwei Schnellpartien Vachier Lagrave,M - Agrest,E, chess.com INT 2017, und Vachier Lagrave,M - Riazantsev,A 1-0 verlief (die erste davon ist in den Kommentaren zur zweiten enthalten).

Fazit: Vachier-Lagraves Interpretation dieser Variante zeichnet sich in erster Linie sowohl durch einen originellen strategischen Plan des Anziehenden in der auf dem Hauptweg nach 4...Lxf3 5.Dxf3 e6 6.Le2 Sf6 7.0-0 Sbd7 8.d4 dxe4 9.Sxe4 Sxe4 10.Dxe4 Sf6 11.Dd3 Ld6 entstehenden, für das betrachtete System charakteristischen Position aus als auch durch konkrete weiße Handlungen in dem in Mode kommenden Abspiel 7…Lc5. In beiden Fällen gelang es MVL, seine Gegner vor nennenswerte Probleme zu stellen. Sollte ich die Variante mit Schwarz vorbereiten, würde ich meine Aufmerksamkeit vor allem auf die (für dieses System ebenfalls typische) Stellung richten, die nach 5...Sf6 6.Le2 dxe4 7.Sxe4 Sxe4 8.Dxe4 Dd5 aufs Brett kommt, oder versuchen, im Abspiel 7…Lc5 8.Td1 Ld4 9.Df4 Lxc3!?, in dem Schwarz das gegnerische Bauernopfer annimmt, sichere Verteidigungswege zu finden. Einstweilen kann man jedoch sagen, dass Weiß in dieser Variante hoffen darf, einen vielleicht nicht so starken, aber dauerhaften positionellen Druck zu erlangen.

Den kompletten Artikel mit Analysen und kommentierten Partien finden Sie in ChessBase Magazin #192 (November/Dezember 2019).

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