06.09.2022 – Das Schach stand in der 4. Runde des Sinquefield Cups im Hintergrund. Magnus Carlsen hatte vor der Runde mit einem etwas rätselhaften Tweet seinen Rückzug aus dem Turnier erklärt. So etwas hatte es vorher noch nie gegeben. Ist Carlsen plötzlich ein schlechter Verlierer oder gibt es für seinen Rückzug eine andere Erklärung? Vermutungen und Reaktionen... | Fotos: Lennart Ootes
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Die 4. Runde des Sinquefield Cups in Saint Louis wurde vom Rückzug von Magnus Carlsen aus dem Turnier überschattet. So etwas hat es in einem Spitzenturnier noch nie gegeben, schon gar nicht bei Magnus Carlsen, der als fairer Sportsmann bekannt ist. Es hat im Laufe der Karriere einige Turniere gegeben, in denen der Weltmeister indisponiert war. Und Carlsen ist bestimmt niemand, der Niederlagen unbeeindruckt hinnimmt. Aber wegen einer Niederlage würde er niemals ein Turnier abbrechen. Was könnten aber hier die Gründe sein?
In seinem Tweet kurz vor Rundenbeginn hat Carlsen betont, dass er immer gerne in Saint Louis gespielt hat und dass er gerne wieder zurückkommen möchte. Ein Zerwürfnis mit dem Turnierveranstalter hat es also nicht gegeben. Und falls Carlsen krank geworden wäre, hätte er das frei heraus schreiben können. Hat er aber nicht. Stattdessen hat er sich so geäußert:
Und was soll das angehängte Video mit dem José Mourinho Statement: "Ich kann nichts sagen, sonst bekomme ich mächtig Ärger"?
Folgende Vorgänge konnten nach der Bekanntwerden von Magnus Carlsens Rückzug beobachtet werden:
- Es gab eine besonders strenge Kontrolle auf elektronische Geräte an den teilnehmenden Spielern
- Bei der Übertragung der Partien wurde nun eine Verzögerung von 15 Minuten eingeführt.
In der Summe kann das eigentlich nur eins bedeuten: Magnus Carlsen ist davon überzeugt, dass nicht alle Partien mit lauteren Mitteln gespielt wurden. Er hat dies offenbar hinter den Kulissen der Turnierorganisation mitgeteilt. Diese hat auch die genannten Maßnahmen eingeleitet. Aber das reichte dem Weltmeister nicht.
Da Carlsens Rückzug nach seiner Niederlage gegen Hans Niemann geschah, kann man vermuten, dass diese Partie damit in engem Zusammenhang steht. Mit anderen Worten: Alles deutet daraufhin, dass Carlsen vermutet, das Niemann in der Partie gegen ihn mit unlauteren Mitteln gespielt hat. Das kann er aber nicht klar sagen, denn das kann Carlsen nicht beweisen, da Niemann ja nicht auf frischer Tat ertappt wurde. Außerdem würde er als schlechter Verlierer dargestellt werden und das passiert auch jetzt in den einschlägigen Foren und auf Twitter im großen Chor der Ahnungslosen.
Mit ziemlicher Sicherheit war Carlsen schon vorher davon überzeugt oder hatte zumindest den starken Verdacht, dass Hans Niemann mit unlauteren Mitteln spielt. Hikaru Nakamura wies in seinem Live Stream daraufhin, dass Niemann auf chess.com schon zweimal wegen Computer Cheatings zeitweise gesperrt war.
In seiner Partie gegen Niemann wählte Carlsen - mit einer bestimmten Absicht !? - eine sehr selten gespielte Fianchetto-Variante gegen die Nimzoindische Verteidigung, die er sich zuvor genau vermutlich sehr genau angeschaut hatte. Diese Variante hatte Carlsen bisher noch nie gespielt, weder am Brett noch im Internet. Darauf konnte Niemann nicht vorbereitet gewesen sein. Trotzdem kannte dieser sich bestens aus.
Ramirez und Niemann im Post Mortem
Im Interview nach der Partie erklärte Niemann, dass er sich durch einen wundersamen Zufall genau diese Variante am Vormittag vor der Partie intensiv angeschaut hätte. Carlsen geriet nach der Eröffnung in ein etwas schlechteres Endspiel, hatte noch Remischancen, verlor aber nach zwei Fehlern in Zeitnot.
Niemand kann aber öffentlich behaupten, dass Hans Niemann mit unlauteren Mitteln spielt, denn natürlich gibt es dafür keine Beweise - höchstens Indizien. Natürlich können solche auch immer anders gedeutet werden.
Die Spieler halten sich natürlich bedeckt.
Was er denn von Niemanns Leistung in der Partie gegen Magnus Carlsen halte, wollte Anatastasya Karlovich von Ian Nepomniachtchi nach der 4. Runde und Carlsens Rückzug wissen: "Mehr als beeindruckend", antwortete Nepomniachtchi und lachte vielsagend.
Man darf gespannt sein, wie es hier weitergeht. Das meint auch Fabiano Caruana:
Can't wait to hear more about the Hans effect on The Magnus Effect
Schach wurde im Saint Louis Chess Club auch gespielt. Hans Niemann erreichte gegen Alireza Firouzja eine sehr vorteilhafte Stellung, schenkte sie aber mit ein paar kraftlosen Zügen zum Remis weg. Levon Aronian gegen Leinier Dominguez und Ian Nepomniachtchi gegen Wesley So spielten ebenfalls remis.
Fabiano Caruana freute sich über einen schönen Sieg gegen Maxime Vachier-Lagraves Najdorf-Variante.
Und Shakriyar Mamedyarov kam zu einem kampflosen Sieg gegen Magnus Carlsen, über den er sich nicht gefreut haben wird.
Carlsen wird nun aus der Wertung genommen und alle Ergebnisse gegen ihn werden annulliert, auch Niemanns Sieg.
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