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HUMPHREY BOGART,
NOFRETETE UND CHE GUEVARA AM BRETT
Frank Mayers bunte
Schachbetrachtungen
Von Peter Münder
Was hat Nofretete mit Che Guevara gemeinsam?
Oder Humphrey Bogart mit Aljechin? Sie waren Schachspieler! Na ja, Nofretete
schätzte zwar das ägyptische Brettspiel Senet, aber auf den alten, bei
Ausgrabungen gefundenen Abbildungen sieht man sie oft mit diesen hübschen
Figuren hantieren, die Schachfiguren ähneln. Wenn Frank Mayer, in Spanien
lebender Pensionär und begeisterter Schachspieler, sich mit prominenten Größen
aus dem Kulturbereich beschäftigt, dann spekuliert er zuerst einmal darüber, wie
eine dieser Größen sich wohl als Schachspieler geschlagen hätte.
In seinem jetzt veröffentlichten, reich illustrierten Buch „Schach und Kultur“
gibt es daher Kapitel über Humphrey Bogart, Che Guevara, aber auch Mutmaßungen
darüber, ob Papst Joannes Paul II. vielleicht Schachkenner oder Patzer war. Ob sich
der durchschnittliche Vereinsspieler über einen verblichenen, früher vielleicht
einmal am Brett grübelnden Pontifex wirklich den Kopf zerbricht, wage ich zu
bezweifeln. Aber amüsant und flott lesen sich Mayers Exkurse über Bogey, Che
Guevara und den begeisterten Spieler und Künstler Marcel Duchamps. Denn Che
Guevara als enthusiastischer Caissa-Jünger, der sich auf anspruchsvoller
Turnierebene wacker schlägt und sich für Schach als Schulfach einsetzt, das war
bisher doch nicht so bekannt. Dazu liefert Mayer noch die schöne Notation einer
Partie gegen den kubanischen Meister Rogelo Ortega von 1964, die Che (mit
Colle-Aufbau) gewann.
Die wunderbaren Filmszenen aus „Capablanca“ nimmt Mayer zum Anlaß, Betrachtungen über den Zusammenhang von Truppenbewegungen und trickreichen Manövern auf dem Brett anzustellen. Sein Fazit: Der talentierte Schachspieler Humphrey Bogart hat offenbar so etwas wie eine „Casablanca“-Variante entwickelt. Der munter in der Welt heumreisende Pensionär Mayer besuchte Schachclubs in London und Buenos Aires, er war im berühmten venezianischen Hotel Des Bains, dem Filmschauplatz der Verfilmung von Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“ und spekuliert dort über früher dort veranstaltete Schachturniere: Hätte Caruso damals nicht auch dabei sein können? Und sich vielleicht auch an einer Simultanvorstellung von Meister Jaques Mieses (1865-1954) beteiligt? Man weiß es nicht, aber das nostalgisch stark aufgeladene Ambiente in diesem Umfeld verleitet natürlich zur romantischen Verklärung: Caruso hätte die Partie sicher verloren, er wäre abends zum großen Opernauftritt indisponiert gewesen... usw.
Mayer besucht auch Friedhöfe, um den in New
York oder London begrabenen alten Meistern seine Reverenz zu erweisen. Dabei
beleuchtet er noch einmal biographische Details- etwa von Wilhelm Steinitz,
Emanuel Lasker, Paul Morphy oder Adolf Anderssen. Spannend ist das Kurzporträt
des Inders Sultan Khan (1905-66): Eine wahrlich exotische Figur! Er kam als
analphabetischer Diener mit seinem Herrn nach London, steigerte in kurzer Zeit
sein Spielniveau und besiegte dann sogar Capablanca, Rubinstein und Flohr. Khan
wurde in England sogar dreimal britischer Meister. Als sein Herr später wieder
nach Indien zurückkehrte, schloß Khan sich ihm an und wurde in Indien Landwirt.
Die Schachkarriere soll er dann aufgegeben hatte, weil er gegen Vera Menchik
(Weltmeisterin 1927-44) eine Partie verloren hatte und diese Demütigung durch
eine Frau nicht verwinden konnte. Es ist also ein buntes Schach-Potpourri, das
Frank Mayer hier vor uns ausbreitet, von der auf Schachmotive spezialisierten
Künstlerin Elke Rehder wunderbar illustriert und mit vielen Photos reich
bebildert. Ob Otto-Normalspieler allerdings so tief in die Tasche greift und für
den Band 39,80,- Euro bezahlt, ist eine andere Frage.
Frank Mayer: Schach und Kultur
175 Seiten, 140 Fotos, kartoniert, 1. Auflage 2010.