Neustart eines Gambits
Lucian Miron prüft 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 cxd4!?
Das Von Hennig-Schara-Gambit oder Schara-Hennig-Gambit (wie es mir von GM Liviu-Dieter Nisipeanu vorgestellt wurde) ist eine der schärfsten Antworten gegen 1.d4/2.c4/3.Sc3. Benannt ist es nach Heinrich von Hennig und Anton Schara, die in den frühen 1900er Jahren Schach spielten. In letzter Zeit haben viele Top-GMs dieses Gambit angewendet, darunter Weltmeister Magnus Carlsen und Stars wie Alexander Grischuk, Aryan Tari, Daniel Fridman u.a. Lange Zeit hatte das Schara-Hennig-Gambit einen schlechten Ruf, aber mit Hilfe der neuen Engines begannen die Spieler, es wieder aufzugreifen. Ich persönlich habe es nach meiner Partie gegen GM Mircea Parligras aufgegeben.
Wir erreichen die Ausgangsstellung des Gambits nach den Zügen 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 (Tarrasch-Verteidigung) 4.cxd5 cxd4!?.
Ein sehr interessantes Bauernopfer. Die Idee ist, dass, während Weiß Zeit damit verschwendet, den Bauern zu schlagen, Schwarz eine schnelle und einfache Entwicklung erhält.
Hier hat Weiß zwei Möglichkeiten: A) 5.Dxd4 oder B) 5.Da4+.
Für mich als Anwender des Schara-Hennig-Gambits gab es bis 2021 keinen Unterschied zwischen den Optionen A) und B). Sie würden beide nach 5.Dxd4 Sc6 6.Dd1 exd5 7.Dxd5 Ld7?! oder 5.Da4+ Ld7 6.Dxd4 exd5 7.Dxd5 Sc6?! ineinander übergehen.
Das Problem für Schwarz ist hier, dass es nach 8.Sf3 Sf6 wirklich schwer ist, die Kompensation nachzuweisen, sowohl nach 9.Db3 Le6 10.Dc2 (Mircea Parligras - Lucian Miron 1-0, 2015) als auch 9.Dd1 Lc5 10.a3! (Mustafa Yilmaz - Dieter Nisipeanu 1-0, 2021) mit der Idee, das Feld b4 zu kontrollieren und den Läufer c1 im nächsten Zug zu entwickeln (vorzugsweise nach g5).
A) 5.Dxd4 Sc6 6.Dd1 exd5 7.Dxd5 Ld6!?
Schwarz wird wahrscheinlich Sf6 spielen und in den nächsten beiden Zügen kurz rochieren. Wenn Weiß die Aufstellungen Sf3 und e3 wählt, ist das für Schwarz eine bessere Version als in den Hauptvarianten, weil er keine Zeit mit dem Zug Ld7 vergeudet hat. Weiß hat zwei interessante Optionen, er kann Lg5 oder eine Aufstellung mit g3 wählen, die beide in der Partie So,W - Grischuk,A 1-0 analysiert wurden. Neben 7...Ld6!? habe ich auch 7...Dc7 erwähnt, das meiner Meinung nach ebenfalls spielbar ist.
B) 5.Da4+ Ld7 6.Dxd4 exd5
und jetzt hat Weiß zwei Hauptoptionen: er kann mit B1) 7.Sf3 gegen den isolierten Bauern spielen oder ihn einfach mit B1) 7.Dxd5 nehmen.
Im Falle von B1) 7.Sf3 erhalten wir nach 7...Sf6 eine Stellung, die auch über die Semi-Tarrasch-Zugfolge erreicht werden kann (1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 c5 5.cxd5 cxd4 6.Da4+ Ld7 7.Dxd4 exd5). Hier denke ich, dass Schwarz darauf vorbereitet sein sollte, eine Damenisolani-Struktur zu spielen, aber Sie können sehen, dass ich einen aggressiveren Ansatz gewählt habe (wie 8.e3 Lb4 mit ...Se4-Ideen oder, wenn Weiß 8.Lg5 Sc6 9.Dd3 spielt, 9...h6! und 10...g5). Weitere Details finden Sie in der Partie Jumabayev,R - Fridman,D 1-0, die auch eine Analyse von 7.Sxd5?! enthält.
B2) 7.Dxd5 ist eindeutig die Hauptvariante und man sollte erwarten, dass man diese Stellung in mindestens 80% der Fälle erreicht. Hier sollte Schwarz 7...Sf6 wählen (7...Sc6?! führt zu der oben erwähnten Stellung),
wonach Weiß die Dame nach b3 oder nach d1 zurückziehen muss.
B21) 8.Db3 Sa6!
Dies ist bereits eine neue Idee. Mit der Dame auf b3 macht es viel mehr Sinn, den Springer nach a6 zu entwickeln. Nach 9.e3 Sc5 wird die Dame erneut angegangen. Wenn Weiß 10.Dd1 zieht, kommt direkt 10...Sce4 gefolgt von 11...Lb4 (wie in der Partie Kasparov-Grischuk). Und im Falle von 10.Dc2 Tc8 11.e3 kann man 11...Bd6!? spielen und wie ein normaler Schara-Hennig-Spieler rochieren oder einfach mit 11...Sce4 ausgleichen wie in der Partie Shankland,S - Carlsen,M ½-½. Die Anmerkungen enthalten auch eine Analyse von 8.Dxb7!?
B22) 8.Dd1 ist definitiv der Test der Variante, gefolgt von 8...Lc5 9.Sf3 0-0 10.e3 (es gibt auch 10.a3!?) De7 11.Le2 Sc6 12.0-0 Tfd8.
Diese Schlüsselstellung kann über verschiedene Zugfolgen erreicht werden (Schwarz kann zuerst De7, Tfd8 spielen). Das große Problem für Weiß ist, dass der c1-Läufer nicht entwickelt ist. Der Hauptweg, dies zu lösen, ist, mit der Dame irgendwo hinzugehen, den Turm nach d1 zu ziehen und Läufer d2-e1 zu spielen (ein anderer Versuch ist a3 und b4 und den Läufer nach b2 zu entwickeln). Weiß muss also entscheiden, wohin er mit der Dame gehen soll - nach c2 oder b3.
B221) 13.Db3
Jetzt ist Schwarz nicht mehr gezwungen, den b7-Bauern direkt zu verteidigen, er kann auch 13...a6!? mit der Idee ...b5 in einigen Varianten spielen. Für weitere Details sehen Sie sich bitte die Partie Ding,L - Grischuk,A 1-0 an. In den Kommentaren finden Sie auch eine Analyse der Option 10.a3!?.
Die letzte wichtige Variante ist B222) 13.Dc2 Tac8 14.a3
Hier ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass das gesamte Gegenspiel von Schwarz auf dem Zug ...Se5 basiert, der früher oder später passieren sollte. Im Diagramm kann 14...Se5 direkt erfolgen oder nach 14...Ld6, während sich Carlsen gegen Le bereits im 12. Zug für ...Se5 entschied! Weitere Details zu dieser Stellung finden Sie in der Partie Ivanisevic,I - Fridman,D 0-1.
Schlussfolgerung: Ich würde sagen, wenn Sie es leid sind, ständig unter Druck zu stehen, wenn Weiß 1.d4 und nur die Hauptvarianten spielt, nehmen Sie das Schara-Hennig-Gambit! Du opferst einen Bauern, aber alle deine Figuren sind entwickelt, und ausnahmsweise ist Weiß derjenige, der Probleme zu lösen hat (die Entwicklung des Läufers auf c1). Ich denke, dass es sehr wichtig ist, die Stellung abzutasten und zu dann zu entscheiden, ob man den Angriff am Königsflügel wagen oder die Schwächen d3/c4/c2 am Damenflügel angehen sollte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, Weiß mit diesem kühnen Gambit unter Druck zu setzen!
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Nach seiner Untersuchung des Londoner Systems gegen Königsindisch im CBM 207 verteidigt Tanmay Srinath in dieser Ausgabe seine Lieblingseröffnung mit Weiß gegen einen überaus kämpferischen Ansatz von Schwarz: 1.d4 Sf6 2.Lf4 c5, was sofort zu scharfem und zweischneidigem Spiel führt. Nach 3.d5 b5!? empfiehlt der Inder das unternehmungslustige Bauernopfer 4.e4!
Eröffnungsvideos
Dorian Rogozenco stellt ein Bauernopfer gegen Grünfeld-Indisch vor, das auch der neue Europameister erfolgreich anwandte. Ivan Sokolov ist in der Ragosin-Variante auf die Neuerung 8...h5 gestoßen, die er in diesem und dem kommenden CBM ausführlich prüft. Und Mihail Marin erläutert, warum er in der Slawischen Verteidigung nach 5...Lf5 die Replik 6.Se5 nicht mehr fürchtet.
Dorian Rogozenco: Grünfeld-Indisch
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Sf3 c5 8.Lb5+
Ivan Sokolov: DG Ragosin-Variante (Teil I)
1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.cxd5 exd5 5.Lg5 Lb4 6.e3 h6 7.Lh4 g5 8.Lg3 h5
Mihail Marin: Slawisch
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.a4 Lf5 6.Se5 Sbd7 7.Sxc4 Sb6 8.Se5 a5
Neue Ideen für Ihr Repertoire
CBM #208 deckt mit 10 Eröffnungsartikeln wie gewohnt ein breites Spektrum ab:
Sergei Grigoriants: Englisch 1.d4 e6 2.c4 b6 3.e4 Lb7 4.Ld3 f5
Petra Papp: Trompowsky 1.d4 Sf6 2.Lg5 c5 (Teil I)
Robert Ris: Sizilianisch Sweschnikow 11.c4 Sd4
Viktor Moskalenko: Franz. Vorstoßvariante 5...Sge7
Roven Vogel: Italienisch 3...Sf6 4.d3 Le7
Spyridon Kapnisis: Spanisch 5.d3 d6 6.c4
Alexey Kuzmin: Angenommenes DG 7.Te1
Lucian Miron: Schara-Hennig Gambit 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 cxd4
Christian Braun: Katalanisch 7.Sa3
Krisztian Szabo: Nimzo-Indisch 4.Dc2 0-0 5.a3 Lxc3+ 6.Dxc3 d5 7.Lg5 c5
Aktuelle Eröffnungsfallen
„Der zweite Blick“, „Unausgesprochene Einladungen“ u.v.m. - Rainer Knaak nimmt acht Fallen aus der aktuellen Turnierpraxis unter die Lupe drei davon stellt er zudem im Videoformat vor.
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