New in Chess wird digital

von Johannes Fischer
15.04.2014 – Das "New in Chess Magazin" gilt als eine der besten Schachzeitschriften der Welt. Seit 30 Jahren unterhält und informiert sie über das Schachgeschehen in aller Welt. Dem Namen verpflichtet geht das Magazin jetzt neue Wege: "New in Chess" wird digital. Johannes Fischer verrät, warum sich das Lesen lohnt - ob digital oder gedruckt. Mehr...

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Neue Wege, bewährte Qualität: New in Chess wird digital

Die erste Ausgabe von New in Chess erschien im September 1984. Und galt sofort als eine der besten Schachzeitschriften der Welt. Das holländische Magazin, das aus dem legendären Schaakbulletin hervorgegangen war, überzeugte mit umfangreichen Turnierberichten, Partieanalysen von Spitzenspielern, ausführlichen Porträts und vielfältigen Artikeln über Geschichte und Kultur des Schachs. All das informativ, anregend und von hoher Qualität.

Eine frühe Ausgabe (Dezember 1984) mit Anatoly Karpov auf dem Cover

Mittlerweile hat sich die Schachwelt verändert. Das Internet sorgt mit Live-Partien, Analysen, Fotos, Videos und Direktübertragungen von Pressekonferenzen, in denen die Spitzenspieler ihre Partien unmittelbar nach der Runde erläutern, für tägliche und aktuelle Berichterstattung - eine Herausforderung für viele Printzeitschriften. New in Chess reagiert darauf mit zeitlosen Artikeln und Turnierberichten, die weniger auf Aktualität und mehr auf umfangreiche Hintergrundberichte und ausführliche Spielerporträts setzen. Dadurch bleibt die Zeitschrift bei aller Konkurrenz durch das Internet erfrischend anregend und informativ. Das zeigen schon die ersten beiden Ausgaben des Jahres 2014. Das Cover der ersten Ausgabe ziert Hikaru Nakamura, der selbstbewusst erklärt: "I do feel at the moment I am the biggest threat to Carlsen".

Cover der Ausgabe 1/2014

Da Nakamura in 23 Begegnungen im klassischen Schach noch nie gegen Carlsen gewinnen konnte, aber 8 Mal verloren und 15 Mal remis gespielt hat, eine kühne Behauptung. Doch wie Nakamura in seiner Beinah-Gewinn-Partie gegen Carlsen beim Meisterturnier in Zürich Anfang des Jahres zeigen konnte, besteht Grund für seinen Optimismus. Im Interview im Heft zeigt sich Nakamura dann in seinen Aussagen über die Schachwelt, den WM-Kampf zwischen Anand und Carlsen sowie seine Chancen, gegen Carlsen zu bestehen, weiter selbstbewusst, aber auch sachlich und differenziert.

Neben aktuellen Turnierberichten oder Artikel über Schachkultur und Schachgeschichte - wie zum Beispiel einer ausführlichen Betrachtung von Mihai Marin über den Stil von Lajos Portisch in Heft 1/2014 - bietet New in Chess eine Reihe fester Rubriken. Auch sie überzeugen mit einer gelungenen Mischung aus Aktualität und Zeitlosigkeit. So präsentiert Jan Timman regelmäßig Endspiele und Studien, Matthew Sadler wirft einen Blick in neue Bücher, Nigel Short sorgt mit seinen "Short Stories" für intelligente Polemik während Hans Ree und Genna Sosonko gerne in Erinnerungen schwelgen.

New in Chess erscheint acht Mal im Jahr, mittlerweile im DIN A4 Format und mit über 100 Seiten pro Ausgabe. Im zweiten Heft des Jahres 2014 kommen Levon Aronian und Magnus Carlsen zu Wort. Aronian erklärt, warum es reizvoll sein kann, von einem Gegner überrascht zu werden und New in Chess Chefredakteur Dirk Jan ten Geuzendam erzählt, was er bei einem Besuch eines Hamburger-Restaurants in Zürich mit Carlsen erlebt hat.

Die aktuelle Ausgabe (2/2014) auf dem iPad

So weit, so traditionell, so gut. Doch die ersten beiden Ausgaben des Jahres 2014 zeichnet noch etwas aus: Sie sind digital verfügbar. Denn seit kurzem gehen die Holländer einmal mehr neue Wege, dieses Mal in der digitalen Welt. Und so kann man New in Chess ab 2014 digital lesen. Im Moment kommen zwar nur iPad-Nutzer in diesen Genuss, aber bald wird die Zeitschrift auch für Android und auf Amazons Kindle verfügbar sein. Und New in Chess wäre nicht New in Chess, wenn die Verantwortlichen bei der Digitalisierung nicht eine wichtige Neuerung gebracht hätten: den so genannten "Game Viewer", mit dem man die Partien und Analysen sofort am Bildschirm nachspielen kann. Im Internet gehört ein solcher "Game Viewer" zum Standard, aber bei digitalen Schachbüchern und digitalen Schachzeitschriften ist er, obwohl sehr nützlich, vergleichsweise neu. Doch wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange, bis sich der "Game Viewer" als Standard durchsetzt.

Doch so viele Vorteile die digitale Ausgabe der Zeitschrift bietet, die Printausgabe wird durch sie nicht verdrängt. Das gedruckte Heft wird es weiter geben, um, so hoffen jedenfalls die Verantwortlichen bei New in Chess, die digitale Version zu ergänzen.

Print und digital in einträchtiger Harmonie

"Manchmal", so Publishing Director Remmelt Otten, "lesen die Leute gerne im gedruckten Heft, aber manchmal, zum Beispiel, wenn sie unterwegs sind und möglichst wenig Gewicht bei sich tragen möchten, lesen sie lieber auf dem iPad. Möglich ist beides."

In jedem Fall reagieren die Leser positiv auf die Neuerung. "Die Kunden", so Otten, "sind begeistert." Sie waren es vor 30 Jahren, sie sind es heute und werden es wahrscheinlich noch lange sein.

Webseite New in Chess
Mehr über Heft 1/2014
Mehr über Heft 2/2014

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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