New York: Dr. Lasker führt bei Halbzeit

von André Schulz
15.05.2020 – Die elfte Runde war keine Lasker-Runde beim New York Masters. Emanuel Lasker stand gegen Yates zum Schluss eher schlecht und Edward Lasker übersah gegen Marshall einen üblen Trick. Ansonsten reden hier alle über Politk. | Foto: Frank Marshall und Edward Lasker

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Hier in New York bestimmt heute der Rücktritt von Justizminister Harry M. Daugherty die Schlagzeilen der Gazetten. Im Hintergrund steht eine Korruptiosgeschichte, die kein gutes Licht auf die Regierung wirft. Die Affäre zieht sich schon einige Jahre hin und wird sich wohl noch einige Jahre hinziehen, muss man befürchten. Darum geht es: Die US-Regierung hatte in der Vergangenheit Ölfelder erworben, um im Fall eines Krieges sofort auf Öl zuhause zurückgreifen zu können. Dann sind die Ölfelder aber ohne öffentliche Ausschreibung von Innenminister Albert B. Fall, vormals als Richter tätig, an die Firma Mammuth Oil/ Sinclir Oil zur Nutzung verpachtet worden und man vermutete schon vor zwei Jahren, dass der Innenminister, der neuerdings einen recht kostspieligen Lebenswandel pflegt, möglicherweise bestochen worden ist.

An einem dieser Felder steht eine Felsenformation, die an einen Teekessel erinnert, weshalb das Ganze hier "Teapot-Dome-Scandal" genannt wird. Daugherty hat mit der Sache direkt nichts zu tun, aber dem Justizminister werden zu lasche Ermittlungen vorgeworfen. Wie bekannt, ist Präsident Warren Harding, ein Republikaner, im vergangenen Jahr überraschend gestorben. Die Demokraten versuchen seit Jahren aus der Geschichte Kapital zu schlagen, scheiterten aber bei der folgenden Präsidentschaftswahl. Nachfolger von Harding wurde mit Calvin Coolidge nämlich wieder ein Republikaner.

Edward Lasker erzählte mit der Zeitung unter dem Arm diese Geschichte.

Edward Lasker

Edward Lasker stammt aus Berlin, wurde 1912 von seinem Arbeitgeber AEG nach London geschickt und kam schon vor dem Großen Krieg 1914 nach New York. Seit ein paar Jahren ist er auch amerikanischer Staatsbürger. Inzwischen hat der gelernte Ingenieur sich erfolgreich als Erfinder betätigt und hofft, mit der Vermarktung einer neuartigen elektrischen Brustpumpe Geld zu verdienen.

Schach ist für Edward Lasker nur ein Hobby, das er aber intensiv pflegt. Allerdings interessiert er sich auch für andere Brettspiele, Dame zum Beispiel und ein Spiel, das mit kleinen und sehr vielen Knöpfen gespielt wird. Es kommt aus dem fernen Osten und heißt Go. Wie mir Edward Lasker erzählte, kennt er das Spiel schon aus seinen Berliner Zeiten und hat damals zusammen mit Emanuel und dessen Bruder Berthold, ein Arzt und auch guter Schachspieler, versucht hinter die Geheimnisse zu kommen. Nach langem Studium des Spiels gelang es Edward Lasker einen japanischen Kommilitonen zu besiegen. Alle drei Laskers bemühten sich dann zusammen, einen japanischen Go-Experten zu besiegen, doch der schlug sie mit leichter Hand und ohne nachzudenken. Edward Lasker wollte daraufhin nach Japan reisen um an der Wurzel des Spiels neue Erkenntnisse zu sammeln. Doch dann kam der Krieg dazwischen. Edward Lasker trifft sich aber hier in New York regelmäßig in Lee Chumley's Restaurant in Greenwich Village (86 Bedford St) mit Freunden zum Go. Sie überlegen tatsächlich, ob sie nicht einmal einen US-Go-Verband gründen sollen. Ich denke, das wird hier in den USA auf Resonanz stoßen. Die Leute lieben Dinge mit kurzen Namen.

Edward Lasker traf in der 11. Runde, der letzen Runde des ersten Umgangs, auf Frank Marshall. Im letzten Jahr spielten die beiden einen Wettkampf um die US-Meisterschaft, den Edward Lasker knapp verlor. Auch hier beim New York Masters zog der gebürtige Deutsche den Kürzeren, wenn am Ende auch mit viel Pech.

Aljechin hat ein paar Anmerkungen zur Partie gemacht:

 

Überhaupt war dieser Tag kein Lasker-Tag, denn Emanuel Lasker kam gegen Fredrick Yates zu keinem Vorteil, aber in Nachteil.

 

Nach 44. h5. "Wenn hier jemand besser steht, dann ist es sicher nicht Weiß", bemerkte Aljechin etwas süffisant. Die Partie dauerte noch ein paar Züge, endete aber Remis.

Mit seinem eigenen Spiel gegen Efim Bogoljubow war Aljechin auch nicht zufrieden. Nach eigener Einschätzung stand er auf Verlust.

 

Nach 38 Lxb6.

Schwarz spielte 38... Tb4. Aljechin: "Auf diese Weise gewinnt Schwarz einen Bauern, gibt aber den wohlverdienten Sieg aus der Hand. Nach 38... a3 hätte Weiß keine Verteidgung gehabt. 39.Tc7+ Kg8 40.Ta7 a2 41.Lc5 Tc4." 

Nach dem Textzug gibt es gegen optimale Verteidigung keinen Weg mehr, die Partie zu gewinnen: 39.Tc7+ Kg8 40.Tc5 Lc4 41.La5 Tb2+ 42.Ke3 Lxb5 43.Lc3 Tb3 44.Kd2 Ld7 45.g4 Tb7 46.Ta5 Kf7 47.g5 Tb6 48.h4 Td6+ 49.Ke3 Te6+ 50.Kd3 Td6+ 51.Ke3 Lf5 52.Ta7+ Ke6 53.Ld4 Lc2 54.Tc7 Lb1 55.Tb7 Lf5 56.Txg7 fxg5 57.hxg5 Kd5 58.Ta7 Te6+ 59.Le5 Lc2 60.Td7+ Kc5 61.Tc7+ remis.

Zu einem Sieg kam indes Geza Marozcy gegen David Janowsky, auf eher unerwartete Weise.

Geza Maroczy

 

Die Partie sollte remis enden, aber: 44...Lxf3 ["Selbstmord", kommentierte Dr. Aljechin. "Nach 44...Dh3 45.Dg2 Df5 gäbe es für Weiß keine siegverheißende Fortsetzung. Nun ist die Partie natürlich aus." 45.Sxf3 Txf3 46.Dxd6 Kf5 47.Lxe5 h4 48.Dxe6+ Kxe6 49.Lc7 g4 50.Lxb6 g3 51.Lxc5 Tc3 52.Lb4 Tc2 53.Td2 Tc1+ 54.Kg2 Kf5 55.Le7 1-0

Interessant war, was Edward Lasker über Dawid Janowski berichtete. Janowski gehörte nämlich auch zu den Spielern, die 1914 bei Kriegsausbruch in Mannheim mitspielten und in Triburg interniert wurden. Die Gruppe spielte den ganzen Tag Schach und analysierte eine neue Verteidigung gegen 1.d4. Nimzowitsche behauptete, er hätte sie erfunden. Sie wurde "Indische Verteidigung"genannt, heute heißt sie Königsindische Verteidigung, aber niemand hier weiß, wieso eigentlich. Die Triberg-Gruppe war nach dem Krieg recht erfolgreich mit der neuen Idee, weil keiner wusste, wie man gegen die absonderliche Eröffnung spielen soll. Mehr als eine Eintagsfliege wird das aber sicher nicht sein.

Partien

 

Tabelle

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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