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Der Schachkalender 2022 geht gar nicht! Gut, die Ausführungen von Robert Hübner über das „Unentschieden“ mögen noch den üblichen Charme versprühen, was seine exquisite Wortwahl und seinen Humor anlangen. Oder das Interview von André Schulz mit Rustam Kasimdschanow, der die Trennung von Fabiano Caruana, dessen Sekundant der ehemalige FIDE-Weltmeister von 2004 war, „wie eine Scheidung“ empfand. Der Usbeke gibt in dem Gespräch offen Einblick in ihre Zusammenarbeit und dass der verlorene WM-Kampf gegen Magnus Carlsen der bis dahin engen, sechs Jahre währenden Beziehung einen „Knacks“ gab.
Oder der Rückblick von Dirk Poldauf auf das Corona-Jahr 2021 bezeugt, dass es trotz aller Widrigkeiten auch eine aufregende Zeit für Freunde des Denksports war, egal, ob man Fan von Vincent Keymer ist und auf dessen Durchbruch hofft. Oder der unterhaltsame „Streifzug durch eine rochadefeindliche Landschaft“, den Hajo Hecht vornimmt. Der originelle Großmeister unterteilt seine wunderbaren Partie-Beispiele unter die neugierig machenden Kapitel-Überschriften wie „Man kann sogar zweimal rochieren – wie bitte?“ über „Schwarz rochiert zur Mitte“ bis „Niemand rochiert, und das Matt kommt – logisch?“. Oder die Erinnerungen von Fritz Baumbach, der seinen Fernschachfreund Horst Rittner – quasi von Weltmeister zu Weltmeister – würdigt und bei dem im Juli 2021 mit 91 Jahren Verstorbenen außergewöhnlich fand, dass Rittner „seine Analysen nie aufschrieb“! Oder der nützliche wissenschaftliche Hinweis für alle Turnierspieler, dass man vor der aufkommenden Zeitnot besser nicht auf die Toilette rennen sollte, um die Konzentration so hoch wie den Druck auf der Blase zu halten.
Oder das Interview mit dem Grandseigneur der deutschen Schachzeitschriften, IM Otto Borik, der im nächsten Jahr 75 Jahre alt wird und seit 1979 als Chefredakteur das „Schach-Magazin 64“ verantwortet. Das führte Arno Nickel höchstpersönlich. Und der Fernschach-Großmeister ist auch für den absoluten „Tiefpunkt“ des dunkelblauen Schachkalenders 2022 zuständig! Der hat bereits den sonst nicht mundfaulen Helmut Pfleger geschockt, als er ihn erfuhr. Nun wissen alle begeisterten Leser Bescheid und sind entsetzt: Wie kann Nickel nur?
Ab Seite 180 erklärt der Verleger und Autor des Schachkalenders „in eigener Sache“, dass der 40. Jahrgang für ihn der letzte sei! Der Berliner erreicht nun seinen 70. Geburtstag und will daher aufhören. Wo bleiben dann vor allen Dingen die wunderbaren Farbtupfer in dem kleinen Jahrbuch, die etwa erklären, warum Weltmeister Jose Raoul Capablanca zwei Monate vor seinem Tod 1942 noch ein Schachspiel für Zuhause kaufte? Oder all die netten oder traurigen Informationen über den Buchhalter Yates, das beste Jahr 1942 von Klaus Junge, den Pfarrer Mecking, den Tausendsassa Afek oder Edgar Colle, dessen Gesundheit demnach „nicht so stabil wie seine Colle-Aufbau“ war oder den „Großen Griechen“ Georgios Souleidis, der in Pandemie-Zeiten zum Youtube-Schachstar „Big Greek“ aufstieg? Dazu historische Geburtstage und Fotos wie mit Charlie Chaplin, der vor 100 Jahren eine freie Partie gegen Wunderkind Samuel Reshevsky spielte? Arno, das kannst Du nicht kaputt gehen lassen!
Immerhin verströmt Arno Nickel etwas Hoffnung, dass es doch noch weitergehen könnte – wenn auch ohne ihn: Der Verleger bietet einem potenziellen Nachfolger an, die Marke „Schachkalender“ zu übernehmen. Dazu gesellte sich als „Maximallösung“ die Übernahme seines Verlags Edition Marco, der bekannt ist für seine historisch wertvollen Bände. Ob dann noch jemand seinen Schachladen Lasker‘s übernimmt, mag für die Liebhaber des Schachkalenders zweitrangig sein. Der Kauf aller drei Firmenteile böte jedoch zusätzliche Möglichkeiten, weil der Shop bisher der einzige Schachladen in der 3,6 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt ist.
Die Fußstapfen sind groß. Hoffentlich füllt sie jemand aus! Es wäre ansonsten schade, um den wunderbaren Schachkalender.
Schachkalender 2022: 16,-Euro
Schachkalender bei Edition Marco...