Im Zeichen des Schachtürken: Weihnachtsturnier in Paderborn
Text und Fotos: Bettina Trabert
Was tun Schachspieler an Weihnachten und Neujahr? Natürlich Schach spielen!
Aus dem reichhaltigen Turnierangebot "zwischen den Jahren" hat sich der Paderborner
Schachtürken-Cup, der dieses Jahr zum 4.Mal ausgespielt wurde, inzwischen fest
etabliert. Und die Beliebtheit spiegelt sich in den steigenden Teilnehmerzahlen:
179 Spieler waren diesmal in den Open-Turnieren am Start, und weitere 99 Kinder
und Jugendliche kamen zu den Jugend-Schnellturnieren zusammen. Eine noch längere
Tradition hat das parallel ausgetragene Computerturnier, bei dem wieder einige
der stärksten Programme der Welt in Aktion zu sehen waren.
Namensgeber des Turniers ist der Ahnherr aller Schachcomputer, der berühmte
Schachtürke des Wolfgang von Kempelen, der im 18. und 19. Jahrhundert für Furore
sorgte: 1770 hatte er seinen ersten Auftritt am Hofe der Kaiserin Maria Theresia,
in der Folge trat er gegen Berühmtheiten wie Napoleon, Benjamin Franklin und
Francois André Philidor an. Lange Zeit blieb ungeklärt, ob es sich bei dem äußerst
erfolgreichen Schachautomaten um eine echte Maschine handelte, oder ob sich
doch ein menschlicher Spieler dahinter verbarg. Damit war die Situation also
gerade umgekehrt zu den heutigen Zeiten, in denen fast jeder ungewöhnlich gut
spielende Mensch verdächtigt wird, sich der Hilfe eines Computers zu bedienen…
Tatsächlich stellte sich sehr viel später heraus, dass die Bewunderer des Schachtürken
einem geschickten Täuschungsmanöver erlegen waren und ein Mensch in der spielenden
Maschine verborgen war. Das Original fiel 1854 einem Brand zum Opfer, aber 2004
wurde der Schachtürke in Paderborn wieder lebendig: Ein in mühsamer Feinarbeit
rekonstruierter und voll funktionstüchtiger Automat steht heute im Heinz Nixdorf
Museum, in dem auch das Turnier ausgetragen wurde.
Die Vorteile, ein Turnier im größten Computermuseum der Welt auszurichten, liegen
auf der Hand: Die technischen Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Die Bühne
des Auditoriums bot einen ausgezeichneten Rahmen für die ersten 5 Bretter des
Open-Turniers, die sowohl live im Internet übertragen wurden, als auch auf Demonstrationsbrettern
für die Zuschauer vor Ort (die man sich allerdings zahlreicher wünschen würde)
angezeigt wurden: Hier waren die Spielbedingungen besser als bei manchen hochkarätigen
Rundenturnieren.
Der Rest des Feldes musste sich mit "normalen", aber immer noch sehr guten Spielbedingungen
in den anderen Räumen zufrieden geben.
Die meisten der eingeladenen Großmeister hielten sich zwar während des gesamten
Turniers auf der Bühne auf, aber vor der letzten Runde lag die Führung etwas
überraschend bei FM Andreas Brühl und IM Juri Boidman. Die beiden ließen in
Runde 7 jedoch nichts anbrennen und einigten sich schnell auf Remis, was einen
Masseneinlauf von 6 Spielern mit 5,5/7 zur Folge hatte.
Der Glücklichste nach Buchholzwertung war schließlich GM Gerhard Schebler vom
SV Mülheim.
Auf Platz 2 und 3 nach Wertung folgten FM Andreas Brühl und GM Henrik Teske,
dessen Gegner sich hier (noch) nicht sehr beeindruckt zeigt.
Und Platz 4 ging schließlich an den Dauergast und zweimaligen Sieger des Schachtürken-Cups,
GM Lev Gutman.
Im B-Turnier siegte Volker Henkel mit 6/7 vor Viktor Kuhn und Georgi Stambler.
Das jüngste Talent im B-Turnier, der 9-jährige Carsten Hecht aus Paderborn,
schlug sich mit 4 Punkten sehr wacker.

Alle Preisträger

Fototermin beim Schachtürken mit Volker Henkel, Andreas Brühl und Gerhard Schebler.
Der Drittplazierte Henrik Teske versteckt sich in der Maschine.

Nein, doch nicht!
Und das Innere des Tisches ist tatsächlich leer. Bei den Vorführungen des Schachtürken
wurden übrigens alle Türen in einer bestimmten Reihenfolge geöffnet, so dass
der dort verborgene Spieler jeweils nicht zu sehen war.
In den Pausen konnte man einige der stärksten Schachprogramme der Welt bewundern,
die zeitgleich im Computerturnier gegeneinander antraten, wo sich Hiarcs und
Rybka den Turniersieg teilten. Ich muss zugeben, kein ausgesprochener Fan des
Computerschachs zu sein, aber beeindruckend sind Spiel und Analyse der Elektronenhirne
allemal - z.B. wenn ein Computer bei noch relativ vollem Brett auf einmal die
Tablebases einschaltet, d.h. die Stellung auf für Menschen nicht nachvollziehbare
Weise bis auf 6 Steine heruntergerechnet hat…
Eine der Spitzenpaarungen: Rybka gegen Shredder Meiner Erfahrung nach werden
die besten Turniere von echten Schachliebhabern ausgerichtet, die auch selber
gerne spielen. Das trifft auch auf Paderborn zu, wo während der Runden auch
am Tisch der Organisatoren immer mal ein Brett auftauchte.

Schau mal, was ich mit deinem Bauern mache!

Die Analysen wurde abends in der Kneipe fortgesetzt, wo die Organisatoren mit
großmeisterlicher Unterstützung die Partien des Tages Revue passieren ließen.
Die größte Anstrengung für die Ausrichter war wohl das eintägige Kinder- und
Jugend-Schnellturnier, bei denen 99 Teilnehmer samt ihren Eltern Leben in die
Bude brachten. Am Abend hörte man von den Organisatoren Aussagen wie: "Nächstes
Jahr spiele ich stattdessen simultan das A- und B-Turnier!" Oder noch besser:
"Ich spiele dann nächstes Jahr Groningen." Die Begeisterung, mit der gerade
die Kleinsten bei der Sache waren, sollte aber sicherlich alles aufwiegen.

Welchen nehme ich jetzt mal?

Wie ging das noch mal mit dem Schäfermatt?

Halt, lass den stehen!

Bei der Verjüngung der Nationalmannschaft sind doch noch nicht alle Möglichkeiten
ausgeschöpft…
Aus meiner Sicht ist als einziger Minuspunkt des wirklich sympathischen Turniers
vielleicht der sehr straffe Spielplan mit 7 Runden in 3,5 Tagen zu nennen, der
es kaum möglich macht, etwas mehr von der hübschen Stadt Paderborn zu sehen
oder mit etwas Muße das sehenswerte Nixdorf Museum zu besuchen, in dem die Geschichte
der Informationstechnik von der Keilschrift bis zu den neuesten Entwicklungen
der Künstlichen Intelligenz dargestellt wird. Abschließend noch ein kleiner
Rundgang durch Paderborn.