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Nachdruck, mit freundlicher Genehmigung
April 2010 | SCHACH-MAGAZIN 64 | 47
PORTRÄT | Niclas Huschenbeth
Huschi, der Teufelskerl
Von Christian Zickelbein
„Wir hatten den Teufelskerl vorhin kurz an der Strippe, er klang glücklich
und das darf er auch!“ antwortete mir Niclas’ Mutter Ines Huschenbeth per
Mail auf meine auf den Anrufbeantworter gesprochenen Glückwünsche. Das Zitat
lässt einige Zusammenhänge ahnen, die zur Spielstärke des neuen Deutschen
Meisters beitragen. Er darf glücklich sein, er muss nicht Schach spielen:
Seine Eltern bewundern und unterstützen ihn auf so sympathische Weise, dass
er weder eingeengt wird noch seine Freiheit bereits mit dem Olymp
verwechseln kann. Mut und Selbstvertrauen, die Voraussetzungen seines auch
in den Gazetten viel gelobten Kampfgeistes, bringt er also von zu Hause mit.
Die Leichtigkeit, die sein Spiel auszuzeichnen scheint, wenn es gelingt –
und es gelingt oft – hat ihm sein Vater Stefan Huschenbeth, Fotograf und
Grafiker, vielleicht nicht vererbt, aber besser noch: Der wahrhaft Kreative
lebt sie ihm vor.
Dass aus Leichtigkeit nicht Leichtsinn wird und die Zielentwürfe auf dem
Schachbrett die konkreten Stellungen nicht überfliegen, ist sicher das
Verdienst von Niclas’ Trainer Wolfgang Pajeken, der jedem Lob mit der
stereotypen Aufforderung, „den Ball flach zu halten“, begegnet. Vor fast
zehn Jahren hat er als damaliger Hamburger Stützpunkttrainer Niclas
Huschenbeth entdeckt, und schon nach einem Monat hatte er erkannt, dass ihm
der SKJE einen geschickt hatte, der mehr Futter brauchte, als ihm in einem
allgemeinen Kadertraining aufzutischen war. Also rief er die Eltern an, und
das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die bis heute besteht.
Wolfgang Pajeken hat seinen Schützling mit harten Vergleichskämpfen gegen
immer stärkere Gegner aufgebaut und mit seinen „Powerchess-Trainings zur
Stärkung der Berechnungskraft im Schach“ für die notwendige Härte bei der
exakten Berechnung langer und verzweigter Zugfolgen gesorgt; als Chef-Coach
berät er Niclas bis heute bei der Gestaltung seines Turnierprogramms, auch
wenn Niclas inzwischen bei besonderen Anlässen auch Anregungen von anderen
Trainern, wie z. B. Großmeister Karsten Müller, aufgegriffen hat.
Vergessen wir nicht weitere Trainer, die Niclas begleitet haben: Markus
Wegner hat ihn aus der Schachgruppe an der Grundschule Turmweg zum SKJE
gebracht. Dort war Dennis Johannsen sein zweiter Schachtrainer, und der für
das Hamburger Jugendschach bedeutende Verein, dem Niclas sich bis heute
verbunden fühlt, hat ihm bis zur Saison 2006/07 eine Heimat geboten. Dessen
Vorsitzender Hendrik Schüler unterstützte schließlich Niclas’ Wechsel zum
HSK, der ihm im Hinblick auf die weitere Entwicklung dank der
Spielmöglichkeiten in der Bundesliga größere Anforderungen bot. Und dann
ging’s sehr schnell: 2006 wurde Niclas als erster Schachspieler vom
Hamburger Abendblatt und der Hamburger Sportjugend als „Hamburger Talent des
Jahres 2006“ ausgezeichnet, im Oktober 2007 gewann er ein vom HSK
veranstaltetes IM-Turnier und schaffte dabei seine zweite IM-Norm. Im selben
Jahr nahm der HSK am European Team Cup in Kemer teil, und Niclas erspielte
sich die erste GM-Norm, der nun bei der Deutschen Meisterschaft in Bad
Liebenzell nach gut zwei Jahren die zweite folgte. Vielleicht hatte er sie
schneller erhofft, aber im Sommer 2009 wurde ihm klar, dass er auch in
seinem Wilhelm- Gymnasium einiges für das Abitur zu leisten hätte, und so
befreite er seinen Kopf und sich selbst für einige Monate von allen
sportlichen Belastungen.
Als der Termin seiner letzten Abitur-Klausur am 12. Februar feststand,
erhielt ich eine Mail mit dem Thema „13. Februar“: „Ich stünde für was auch
immer zur Verfügung …“ Niclas wusste, was das bedeutet: Er musste unserem
Jugendbundesliga- team, das er zwischen Weihnachten und Neujahr in Chemnitz
zur Deutschen Meisterschaft geführt hatte, in zwei winterlichen
Auswärtskämpfen am 13. und 14. Februar in Nordhorn und Wilhelmshaven helfen,
die Tabellenführung zu verteidigen. Dass er sich in dieser Weise auch für
die Jugendmannschaft des HSK einsetzt, obwohl er längst in der 1. Bundesliga
angekommen ist und dort in der nächsten Saison an Brett 3 oder 4 spielen
könnte, trägt ihm im Klub viel Sympathie ein: Die Begeisterung über seinen
Titelgewinn war groß – ob beim Sekt oder Selters-Turnier im HSK
Schachzentrum oder bei der FBL in Lehrte und an vielen Computern zu Hause.
Rainer Grünberg hat Niclas bei seinem letzten Interview als sehr
erwachsen erlebt, und so passt der Kindername „Huschi“ eigentlich nicht mehr
so recht. Aber das liebevolle Prädikat „Teufelskerl“, das ihm seine Mutter
verliehen hat, erinnerte mich an ein frühes Foto von Niclas, auf dem er
Harry Potter zum Verwechseln ähnlich ist. Und so wurde ich den Titel nicht
mehr los, zumal auch viele Freunde immer noch von „Huschi“ reden. Es mag
sein, dass die Assonanz Gusti und Huschi auch dafür verantwortlich ist, dass
sich der Kindername so hartnäckig behauptet, obwohl sein Träger demnächst
nach dem Abitur in die Schule des Lebens eintritt, bei der
Sportförderkompanie der Bundeswehr.