17.09.2021 – In der 9. Runde des Norway Chess Turniers musste Magnus Carlsen im Kampf um die Tabellenführung ein tiefes Tal der Tränen durchschreiten. Gegen Sergey Karjakin hatte der Weltmeister eine sehr schlechte Stellung. Aber als Karjakin zu ungeduldig spielte, bekam Carlsen Gegenchancen - bei allerdings horrender Zeitnot. | Fotos: Lennart Ootes
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Richard Rapport hatte zu Anfang des Norway Chess Turniers die Führung übernommen und auch nicht wieder hergegeben. Bis gestern. Die Partie des Ungarn gegen Ian Nepomniachtchi in der 9. und vorletzten Runde des doppelrundigen Sechserturniers war schon nach 18 Zügen mit einer Stellungswiederholung zu Ende (remis= 1:1). Rapport, dessen Vorsprung vor Carlsen vor der Runde auf einen halben Punkt zusammengeschmolzen war, konnte nun nur noch zuschauen, ob sein Verfolger ihn überholen würde.
Magnus Carlsens Gegner der 9. Runde war Sergey Karjakin, sein hartnäckiger und fast unbesiegbare Widersacher aus dem WM-Kampf von 2016. Carlsen führte die weißen Steine und in einer Anti-Berliner Variante der Spanischen Partie, die nach dem 8. Zug die letzten Vorbilder verlassen hatte, war Carlsens Position im fortgeschrittenen Mittelspiel nicht so, wie es für den Gewinn der Partie wünschenswert gewesen wäre. Karjakin, der "russische Verteidigungskünstler" des WM-Kampfes von 2016 sah sich ermutigt, gegen Carlsens Königsstellung zum Angriff zu blasen.
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[Die Position entstand aus einer Anti-Berliner Variante der Spanischen Partie. Schwarz hat Raumvorteil im Zentrum und am Königsflügel. Die eher vagen weißen Möglichkeiten liegen am Damenflügel. Schwarz steht deutlich besser. Carlsen war mit dem Verlauf der Partie und mit sich selber hochgradig unzufrieden und räumte das im Interview mit Judit Polgar offen ein.]
23.Tf1 Kh7 24.exf5 Lxf5 25.Le1 Dg5 [Droht Gewinn des d-Bauern nach De3.]
26.Td1 h5 27.Ld2 Dh4 28.Tde1 Ta8 29.Ta1 Taf8
30.Ta6?! [Der Turm steht hier jetzt weit weg vom übrigen Geschehen. Carlsen war sich dessen bewusst und hatte diesen Zug gemacht um Karjakins Reaktion zu provozieren.]
30...e4?! [Schwarz möchte die ungedeckte Position des Tf1 ausnutzen und zum Angriff kommen, aber nun wird die Position unklarer. 30...Dd8!? mit der Absicht h4–h3, sieht gut aus.]
31.Sxd4 exf3 32.Sxf3 Lh3 33.Tf2 [Hier hatte Carlsen tatsächlich nur noch etwa eine Minute auf der Uhr, gegen 20 Minuten von Karjakin, und lebte von der Zugabezeit.]
33... Txf3!? 34.gxf3
34... Tf5? [Wenn nun Tg5 ginge, wäre alles besten für Schwarz. Der Ld2 deckt das Feld aber zuverlässig. Die schwarze Absicht war hier wohl Df6 mit Druck auf der f-Linie und der Möglichkeit Sh4. In Betracht kam 34...Lg4 mit Kompensation: 35.f4=; Ungünstig ist 34...Dd4? 35.Lc3]
35.d4! [Nach diesem starken Zug wendet sich das Blatt. Der Ta6 kann nun auf der 3. Reihe eingreifen und die offene Diagonale c2–h7 spielt jetzt auch eine Rolle. Nicht aber 35.Txb6? Dd4 36.c5 Sh4 und Weiß wird matt.]
35...Dxd4 36.Ta3 [Stärker war 36.f4!?]
36...Tf7?! [Um f5 für den Läufer zu räumen. Möglich und besser war 36...Te5 mit der Drohung Te2 und Matt. Weiß hat dann noch ein paar Pfeile im Köcher: 37.Dd3 Dh4 mit der Idee 38.-- Tg5+ 39.Lxg5 Dxg5+ 40.Kh1 Dc1+–+]
37.Te3?! [Besser 37.Dd3; oder 37.f4 mit Vorteil]
37...Lf5 38.Dc3 Dd8
[Der Ausgang der Partie ist völlig offen. Wenn der Sg6 eingreifen kann, muss Weiß auf der Hut sein.]
41.Dg5 Dxg5+ 42.Lxg5 [Der Damentausch hat Weiß sehr geholfen.]
42...Txc4 43.Tb2 b5 44.Kf2 [Materiell steht es gleich, aber die schwarzen Leichtfiguren finden keine guten Positionen. Der Sg6 könnte höchstens nach f8 ziehen. Den Lf5 hätte man gerne auf d5, aber da kommt er nicht hin. Schwarz versuchte]
44...c5 [um den Freibauern in die Waagschale zu werfen.]
45.bxc5 Txc5 46.Tc1 Td5 47.Td2 Txd2+ 48.Lxd2 Se5 49.Tc7 [Mit der Idee Lc3.]
49...b4
50.Tb7 [Gewinnt den b-Bauern, weil...] 50...Le6 [wegen...] 51.Te7 [... nicht geht. natürlich nicht 51.Txb4?? Sd3+ Haha!]
Magnus Carlsen als Gast bei den Kommentatoren (ab ca 3h:58m)
Magnus Carlsen im Interview mit Anastasiya Karlovich
Interview mit Sergey Karjakin
Den zweiten Sieg des Tages erzielte Alireza Firouzja mit der Najdorfvariante gegen Aryan Tari. Auch hier hieß es schwarzer Angriff am Königsflügel gegen weiße Initiative am Damenflügel - mit einem klaren Befund allerdings.
23.Lf4? [23.h3 Sxe3 (23...Se5? 24.c4 gefolgt von c5, mit weißem Vorteil.) 24.Txe3 Lg5 25.Txe7 Dxe7 26.Dd1 ist OK für Weiß.]
23...Tfe8 [Der Rückzug Le3 ist nun unterbunden.]
24.Lf3 g5 25.Lxg4 [25.Lg3 Se3 26.Tc1 Lb2 war keine Option.]
25...fxg4 26.Le3 [26.Lg3 Te2–+]
26...Tf7 27.c4 Lb2 [Oder auch 27...Lc3 28.Txf7 Dxf7 29.Df2 Lxb4 mit Gewinn.]
28.Txf7 Dxf7 29.Dxb2 Df1+ 30.Lg1 30... Te2 [Game over. Weiß machte noch ein paar Züge. Vielleicht geht ja noch was. Aber es ging nichts.]
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