Norway Chess: Eine weitere 9-Punkte-Runde

von André Schulz
16.09.2021 – Die Spieler des Norway Chess Turniers meinen es gut mit den Zuschauern. Zum zweiten Mal hintereinander gab es eine Runde, in der alle Partien entschieden wurden. Magnus Carlsen besiegte Richard Rapport und ist in der Tabelle nun ganz dicht an den Ungarn herangerückt. | Fotos: Lennart Ootes

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Die Spieler des Norway Chess Turniers haben sich gegen Ende des Turniers nun ordentlich warm gespielt und drehen auf. Am 7. Spieltag gab es schon drei entschiedene Partien, am 8. Spieltag gestern folgten drei weitere Siege.

Die Bühne

Ein Sieg wird in Stavanger mit drei Punkten belohnt. Für ein Remis gibt es hier einen Punkt. Und wenn man das Pflicht-Armageddon im Anschluss an ein Remis gewinnt (mit Schwarz also remis spielt), gibt es noch eine halbe Kirsche obendrauf. Das sorgt für ein etwas ungewohntes Tabellenbild.

Richard Rapport führte nach der 7. Runden mit 15,5 Punkten und dreieinhalb Punkten Vorsprung vor Magnus Carlsen, der sich mit seinem Sieg über Alireza Firouzja saniert hatte. Dreieinhalb Punkte ist in einer normalen Schachtabelle ein riesiger Vorsprung, hier nicht. Carlsen war praktisch auf Schlagdistanz am Tabellenführer dran. Und hatte es selber in der Hand, den Vorsprung weiter zu verkürzen, denn in Runde acht kam es zum Spitzenspiel zwischen den temperamentvollen und taktisch stets originell spielenden Ungarn und seinem Verfolger. 

Rapport bot gegen Carlsens Spanische Eröffnung eine Berliner Verteidigung an und wählte dann eine bislang eher selten gespielte Variante mit einem frühen Manöver Sc6-e7-g6, so wie man es auch aus vielen Italienisch-Partien kennt. In einer langen Phase des Lavierens, in der Rapport zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit für irgendeinen originellen Einfall bekam verbesserte Carlsen seine Stellung in Mikroschritten. Es dauerte bis zum 58. Zug. Dann hatte der Weltmeister seinen Gegner müde gespielt.

Carlsen,Magnus (2855) - Rapport,Richard (2760) [C65]

9th Norway Chess 2021 Stavanger (8.1), 15.09.2021 [as]

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 Se7 [Eine Trickvariante, die in den 1880er Jahren recht modern war, vergessen wurde und in jüngster Zeit wiederentdeckt wurde.]

5.0–0 [5.Sxe5? c6]

5...c6 6.La4 Sg6 7.Te1 Le7 8.d4 d6 9.c3 0–0 10.Sbd2 h6 [10...exd4 11.Sxd4 Te8 12.Sf1 Ld7 13.Sg3 Lf8 14.Lb3 d5 15.Lg5 h6 16.Lxf6 Dxf6 17.exd5 Txe1+ 18.Dxe1 Sh4 19.dxc6 bxc6 20.De4 Te8 21.Dd3 c5 22.Sc2 Lc6 23.Se3 Txe3 24.fxe3 Lxg2 25.Ld5 Lh3 26.De4 g5 27.Td1 Da6 28.Td2 Kg7 29.Sh5+ Kh8 30.Tf2 f5 31.De5+ Kh7 32.Dc7+ 1–0 (32) Leko,P (2690)-Hess,R (2574) Douglas 2018]

11.Sf1 Te8 12.Sg3 a5 13.Lc2 Dc7 14.a4 Ld7 15.h3 b5 16.Le3 Tab8 17.Dd2 b4 18.Ld3 bxc3 19.bxc3 Le6

 

[Eine recht typische Stellung der geschlossenen Spanischen Partie, mit dem Unterschied, dass ein schwarzer Springer auf g6 steht. Es folgt eine längere Phase des Lavierens.]

20.Dc2 Tb7 21.Sf1 Sh5 22.S1d2 Shf4 23.La6 Tbb8 24.dxe5 dxe5 25.Tab1 Ld7 26.Lc4 Se6 27.Da2 Sh4 28.Sxh4 Lxh4 29.Sf3 Le7 30.Tbd1 Lc8 31.Dc2 Sf8 32.Td2 Le6 33.Da2 Ted8 34.Txd8 Lxd8 35.Td1 Le7 36.h4 Td8 37.Tb1 Tb8 38.Txb8 Dxb8 39.g3 Ld8 40.Kg2

 

[Die Türme und ein Springerpaar sind verschwunden. An der grundsätzlichen Struktur der Stellung hat sich nichts geändert. Die Chancen sind gleich. Weiß hat aber Ideen und Schwarz muss wachsam sein.]

40...Lc7 41.Lxe6 Sxe6 42.Dc4 [Nach dem Tausch der weißfeldrigen Läufer kann der Bauer a5 vom weißen Läufer angegriffen werden, der Bauern a4 aber nicht vom schwarzen Läufer.]

42...De8 43.h5 Kh7 44.Dd3 De7 [Die trickreiche Maschine regt hier 44...f5!? an, weil 45.exf5 wegen 45...e4 46.Dxe4 Sf4+ nicht geht.]

45.Sd2 Ld6 46.Sc4 Lc7 47.Dd1 Sf8 48.Dg4 Sd7 49.Kf1 De8 50.Kg2 De7 51.Df5+ [Weiß hat sich dem Königsflügel zugewandt und hat hier die Initiative. Das Gleichgewicht ist aber noch nicht nachhaltig gestört.]

51...Kg8 52.g4 Sf8 53.g5 hxg5 54.Lxg5 Dc5 55.Se3

 

[Eine dunkle Wolke braut sich über dem schwarzen Königsflügel zusammen. Weiß plant dort eine Vollversammlung seiner Figuren.]

55...Dd6 [Nicht 55...Dxc3? wegen 56.Sg4 mit Problemen, z.B.: 56...Se6 57.h6 g6 58.h7+ Kh8 59.Df6+ Sg7 60.Lh6 und Matt.]

56.Dg4 g6 [Es drohte 56...-- 57.Sf5 De6 (57...Dd7 58.Lf6) 58.Ld8; Möglich war auch 56...Se6!? 57.Sf5 Dd7 58.h6 Ld8]

57.Lh6 Sd7 58.Sc4

 

58... Sf6? [Danach kann Weiß in ein gewonnenes Endspiel abwickeln. Die einzige Verteidigung war 58...De6 59.Dxe6 fxe6 60.hxg6 Sc5 z.B.: 61.Se3 Sxa4 62.Sg4 Ld8 63.Sxe5 (63.c4 Sb2) 63...Sxc3=.]

59.Dc8+ Dd8 60.Dxd8+ Lxd8 61.Lg5 gxh5 62.Lxf6 Lxf6 63.Sxa5 Kf8 [63...c5 64.Sb7 und der a-Bauer läuft durch.]

64.Sxc6 Ke8 65.Sb4 Ld8 66.Sd3 f6 67.Kg3 Kd7 68.f3 La5 69.c4 Ke6 70.Kh4 f5 71.Kxh5 fxe4 72.fxe4 Kd6 73.Kg6 Lc7 74.Kf5 Kc6 75.Ke6 [Am einfachsten. 75.Sxe5+ reicht auch zum Sieg: 75...Kc5 76.Sd3+ Kxc4 77.e5 Kxd3 78.e6 Ld6 79.a5]

75...Kb6 76.Kd7 Lb8 77.c5+ 1–0

 

Interview von Anastasya Karlovich mit Magnus Carlsen

 

 

Richard Rapport im Interview mit Anastasiya Karlovich

 

Alireza Firouzja

Einen sehr überzeugenden Vortrag zum Thema "Die Najdorfvariante aus schwarzer Sicht" lieferte Alireza Firouzja. Seinem Gegner Sergey Karjakin war die Eröffnung missglückt. Nach einem Fehler geriet der Vizeweltmeister von 2016 in einen unaufhaltsamen Angriffsorkan.
 

 

[Eine Stellung aus der Najdorfvariante. Weiß spielte]

16.Sed5? [Spielbar war 16.Scd5 Lxd5 17.exd5 aber Schwarz steht sehr bequem.]

16...Sxc3 17.Sxf6+ [17.Sxc3 Sxg4]

17...Lxf6 18.Dxf6 Kd7 19.g5 Sxe4 [Die Fesselung des Se4 ist nur von vorübergehender Dauer.]

20.Df3 d5 [20...Ld5!? 21.Dd3 Tac8]

21.Dd1 Db6

 

22.Le3 [22.Lxe4 Db4+ hilft Schwarz nicht.]

22...Dxb2 23.Lxe4 Db4+ 24.c3 Dxe4 [Die Partie ist Weiß völlig aus den Händen geglitten. Der Kd7 ist völlig sicher, der Ke1 nicht.]

25.Tb1 hxg5 26.Tb4 d4 27.cxd4 Ke8 28.hxg5 Th3 29.Kd2 Lf5 30.Db3 Tc8 31.Tc1 Txc1 32.Kxc1 Th1+ 33.Kd2 b5 34.d5 Df3 [Droht Tb1 oder Lg4. Weiß hatte genug von dieser Partie.] 0–1

Interview mit Alireza Firouzja
 

 

Einen Sieg feierte auch Aryan Tari - norwegischer Doppelsieg also an diesem Tag. Der Punktelieferant war immerhin WM-Herausforderer Ian Nepomniachtchi. 

 

 

[Schwarz hat einige Mehrbauern. Aber Weiß droht Matt nach Txh6. Was tun?] 26...Tg4! 27.T1xg4 [27.T6xg4 fxg4 28.Dxd3 Sb4–+ ist das gleiche in Grün.]

27...fxg4 28.Dxd3 Sb4 29.De4 Te7 [Schwarz ist safe und kann seinen Materialvorteil verwerten.]

30.Df4 Sxd5 31.Dc4 Df5 32.Txg4 Kh7 33.Ld2 Df3+ 34.Kg1 Dd1+ 0–1


Interview mit Aryan Tari


Stand vor den letzten beiden Runden

Partien regulär

Partien Armageddon

 

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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