Norway Chess: Praggnanandhaa schlägt Carlsen

von André Schulz
30.05.2024 – Nach zwei Remisrunden in den klassischen Partien kam es in der dritten Runde des Norway Chess Turniers zu zwei Entscheidungen. Praggnanandhaa überspielte den Weltranglistenersten Magnus Carlsen und Fabiano Caruana besiegte Weltmeister Ding Liren. Hikaru Nakamura gewann das Armgageddon gegen Alireza Firouzja. | Fotos: Stev Bonhage

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In der dritten Runde des Norway Chess Turniers ist der norwegische Remisknoten in den regulären klassischen Partien endlich geplatzt. Nachdem in den beiden Runden zuvor alle sechs Partien keine Sieger hervor gebracht hatten und erst die anschließenden Armageddon-Tiebreaks für mehr Spannung sorgten, sahen die Zuschauer nun spektakuläre klassische Partien und zwei weltmeisterliche Niederlagen. 

Magnus Carlsen vermittelt ja gerne die Auffassung, dass das klassische Schach mehr oder minder ausgelutscht sei, weil die Spieler sich zu gut und perfekt vorbereiten könnten, doch das letzte Kandidatenturnier hat gezeigt, dass das nicht stimmt. Es hängt einfach von den betreffenden Spielern ab und ob sie bereit sind, ein gewisses Risiko einzugehen, um kompromisslos auf Gewinn zu spielen. Wenn beide Spieler diese Einstellung haben, entstehen inhaltsreiche und oft entschiedene Partien. Magnus Carlsen ist aber zugegebenerweise als deutlicher Weltranglistenerste und bester Spieler des Planeten, vielleicht der Schachgeschichte, in einer etwas ermüdenden Situation. Angesichts seiner Überlegenheit mauern viele Spieler gegen den Norweger und sind nur bemüht, die Luft aus dem Kessel zu lassen.

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Mit den jungen Topspielern, die jetzt viele Erfolge verzeichnen, besonders aus Indien, hat sich die Situation etwas verändert. Die jungen Männer sind am Brett einigermaßen respektlos (nur am Brett) und kennen (noch) keine Angst.

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Nach zwei Remispartien gegen Ding und Nakamura mit anschließenden Armageddon-"Siegen" (mit Schwarz reicht ja ein Remis) traf Magnus Carlsen in Runde drei auf Praggnanandhaa.

Derzeit sind die Offenen Spiele die beliebteste Eröffnung im Spitzenschach, mit dem Italienischen Giuoco Piano als Hautvariante, aber Carlsen entschied sich diesmal für die Sizilianische Verteidigung als Antwort auf Praggnanandhaas Königsbauer-Eröffnung und hier für die Paulsenvariante. Nach 5.Ld3 entstand die typische Igel-Formation, in der Schwarz etwas beengt, aber recht sicher steht. Praggnanandhaa ging die schwarze Position mit ein paar frischen Ideen an. Sein Vorstoß f2-f4-f5 zwang Carlsen zum kompromittierenden e6-e5 mit einem hässlichen Loch auf d5. Dann wurde der 16. Weltmeister vom jungen indischen Großmeister ziemlich chancenlos überspielt.

   

   

   

Kein guter Tag für Magnus Carlsen

Fabiano Caruana ist schon etwas länger im Geschäft als Praggnanandhaa und war 2018 beim WM-Kampf gegen Carlsen ziemlich dicht am Weltmeistertitel dran. Auch in der Weltrangliste war der US-Großmeister dem Norweger damals sehr nahe gekommen. Er fiel danach in ein Loch, aber inzwischen ist Caruana wieder stabil die Nummer zwei. Beim Kandidatenturnier verpasste er knapp den Turniersieg. Ein wenig hat Caruana die Rolle des ewigen Zweiten eingenommen. 

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Der US-Großmeister feierte in Runde drei einen schönen Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Ding Liren.

Üblicherweise wählte Caruana gegen Ding in der Vergangenheit immer die Spanische Partie, hier aber einmal das immergrüne Italienische Giuoco Piano. Dort hatte er sich in einer viel gespielten Variante etwas neues ausgedacht. Die Partie verlief einige Zeit recht ruhig, gewann dann aber rasant an Fahrt. Nachdem Ding auf eine gute taktische Möglichkeit verzichtete, nahm Caruana das taktische Heft in die Hand und gewann effektvoll.

Die Organisatoren haben eine "Confession Box" eingerichtet, in dem die Spieler während der Partien zum Publikum über ihre Ideen und Gedanken können. Caruana nutzte diese Möglichkeit und teilte seine Gedanke zu seiner Partie gegen Ding Liren:

„Ich glaube, das ist das erste Mal seit 8 Jahren, dass ich in den "Beichtstuhl" gehe! Ich habe eine neue Idee gespielt, sie ist völlig neu, und sie ist in Dings Lieblingsvariante. Er hat es bei den Kandidaten gespielt, er hat es eine Million Mal gespielt, und er weiß wahrscheinlich alles darüber...aber es sieht so aus, als ob er immer noch ein bisschen überrascht ist, was ich mir ausgedacht habe."

Gemeint war wohl der Tausch auf c6 mit dem folgenden Vorstoß d3-d4.

Die Begegnung zwischen Hikaru Nakamura und Alireza Firouzja endete indes ohne Sieger.

Im Tarrasch-Damengambit hatte Nakamura mit Weiß einen kleinen Vorteil, der sich aber bald verflüchtigte. Im nachfolgenden Armageddon-Tiebreak wählte Firouzja das Slawische Damengambit und gab einen Bauern, um zum Angriff gegen den lang rochierten König von Nakamura zu kommen. Nach einem erzwungenen Damentausch war der Angriff aber zu Ende und Nakamura realisierte seinen Materialvorteil.

In der Tabelle haben sich nun Praggnanandhaa und Caruana etwas vom übrigen Feld abgesetzt.

Partien

Partien Armaggeddon

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.