11.06.2019 – Dieses Jahr probiert man beim Altibox Norway Chess Turnier etwas Neues aus. Endet die Partie mit klassischer Bedenkzeit Remis, folgt eine Armageddon-Blitzpartie, Weiß hat 10 Minuten, Schwarz 7, aber Weiß muss gewinnen. Die Meinungen über diesen Modus sind geteilt. Aber er führt zu aufregenden Partien. In Runde sechs allerdings nur beim Blitzen. Im klassischen Schach gab es fünf Remis, im Armageddon gab es Drama. Doch Tabellenführer Magnus Carlsen blieb ruhig, gewann eine schlechte Stellung gegen Ding Liren und führt das Feld weiter an. | Foto: Lennart Ootes
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Altibox Norway Chess, Runde 6
Alle fünf Partien mit klassischer Bedenkzeit endeten in Runde 6 ohne große Aufregungen Remis. Drei davon (V. Anand vs Yu Yangyi, Shakriyar Mamedyarov vs Maxime Vachier-Lagrave und Levon Aronian vs Wesley sogar schon nach 31 Zügen.
Alexander Grischuk stand gegen Fabiano Caruana besser und hatte sogar einen Bauern mehr, aber konnte ein Schwerfigurenendspiel mit vier gegen drei Bauern an einem Flügel nicht gewinnen.
Unerwartet viel Probleme hatte Magnus Carlsen, der mit Weiß gegen Ding Liren spielte. Carlsen opferte in der Eröffnung einen Bauern, für den er zunächst Kompensation hatte, die sich dann jedoch irgendwann verflüchtigte. Ernsthaft in Gefahr war Carlsen trotz des Minusbauern jedoch nie und die Partie endete schließlich mit Remis im Bauernendspiel.
Ergebnisse der 6. Runde (klassische Partien)
Für deutlich mehr Aufregung sorgten die Armageddon-Partien. Eine professionelle Vorstellung zeigte dabei Vachier-Lagrave, der mit Schwarz gegen Mamedyarov spielte. "MVL" nahm Mamedyarov systematisch jede Chance aktiv zu werden und so wurde die Partie schließlich Remis, womit Vachier-Lagrave das Duell mit 1,5-0,5 für sich entschieden hatte.
In der Partie Vishy Anand vs Yu Yangyi gewann Schwarz sogar - mit einem energischen Angriff, der im Mittelspiel begann und im Endspiel endete.
Eine Zeitnotschlacht lieferten sich Aronian und Wesley So. Aronian hatte im Mittelspiel eine viel versprechende Angriffsstellung erreicht, aber fand keinen Weg, So Matt zu setzen. Bei der Suche nach Mattmöglichkeiten und der richtigen Verteidigung hatten beide Seiten jedoch viel Zeit verbraucht und das entschied schließlich die Partie.
In dieser komplizierten Stellung spielte So mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr 46...Sf5?? und wurde dann mit 47.Th7# einzügig Matt gesetzt.
Aber auch bei bester Verteidigung ist die schwarze Stellung schwer zu halten. Die schwarzen Figuen stehen unglücklich und können sich kaum bewegen. Weiß wird den a-Bauern erobern und dann wird der weiße a-Bauer sehr schnell sehr stark. Tatsächlich halten die Engines die weiße Stellung für gewonnen - obwohl Schwarz materiell im Vorteil ist.
Levon Aronian nach der Partie | Foto: Lennart Ootes
In der klassischen Partie stand Carlsen gegen Ding Liren gefährdet, und auch beim Armageddon hatte der Weltmeister Probleme. Er hatte Weiß und musste gewinnen, aber war in einer Stellung mit Turm und ungleichfarbigen Läufern gelandet, in der er zudem noch einen Bauern weniger hatte.
Aber einmal mehr retteten Carlsen seine starken Nerven und seine Fähigkeiten im Blitzschach.
Noch unbegreiflicher als diese Fehler von So und Ding Liren war die Art und Weise, wie Grischuk gegen Caruana verlor. Er fiel mit noch etwa acht Minuten Bedenkzeit auf der Uhr einer Halluzination zum Opfer:
Hier spielte Weiß 17.Lh6?? und gab nach 17...Lxh6 kopfschüttelnd sofort auf.
Für einen kurzen Moment hatte Grischuk offensichtlich vergessen, dass sein Springer auf d2 steht und der weiße Läufer auf h6 deshalb nicht gedeckt ist.
Am Montag, den 11. Juni, haben die Spieler Zeit, ihre Nerven am Ruhetag zu beruhigen. Am Dienstag beginnt dann der Schlussspurt.
Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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