Notizen aus der schwedischen Provinz

von Holger Blauhut
13.12.2017 – Wenn man in Norwegen nahe der schwedischen Grenze wohnt, kann man auch kurzerhand als Gastspieler in der schwedischen Västergötlandliga mitspielen. Zwar sind die Schachklubs in der schwedischen Provinz etwas rar gesät, aber man trifft Schachfreunde aus der Heimat und dem Rest der Welt. Holger Blauhut berichtet von seinen Erlebnissen. (Foto: Holger Blauhut)

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Gemütliches Beisammensein: Die Västergötlandliga in Schweden

Da ich in Norwegen nahe der Grenze zu Schweden wohne, kam mir der Gedanke, mich auch mal in einem schwedischen Schachklub umzusehen. Eine erste Internetrecherche zeigte, dass das gar nicht so einfach war, da viele Schachvereine in den letzten Jahren verschwunden sind. Selbst so eine große Stadt wie Trollhättan hat keinen Schachklub mehr. Schließlich fand ich in dem Städtchen Tanumshede (ca. 1.700 Einwohner) den Verein Tanums Schacksällskap mit 14 Mitgliedern.

Karte: Google Maps

Quelle: Google Streetview

Vier von diesen sind die Geschwister Badawi, die vor anderthalb Jahren mit ihren Eltern von Aleppo/Syrien nach Schweden gekommen sind. Der Klub hat, unterstützt von der Kommune, für Bana, Ahmad, Ali und Mohamed das Programm Schack & Snack (Schach & Geplauder) gestartet und wurde für dieses Integrationsprojekt bereits ausgezeichnet.

Kurz nachdem ich mich als 15. Mitglied angemeldet hatte, tat dies mit Hellmut Klevenow noch ein Deutscher. Der in Berlin lebende Rentner spielt für Königsjäger Süd-West und ist oft in Schweden. Kurze Zeit später kamen weitere drei Mitglieder hinzu, sodass der Verein entschied, mit zwei Mannschaften in der Västgötlandliga zu starten. In dieser Regionalliga gibt es weder Auf- noch Abstieg. Die Mannschaften werden jedes Jahr im Herbst neu gemeldet. Die Vierermannschaften spielen an drei Spieltagen (immer samstags) je zwei Partien. Die Bedenkzeit beträgt eine Stunde + 30 Sekunden pro Zug. Für die Saison 2017/18 wurden 14 Mannschaften gemeldet, was eine Rekordbeteiligung ist, und so gesehen, geht es wohl mit dem Schach auch in dieser Ecke Schwedens wieder bergauf.

Die erste Doppelrunde wurde im Oktober an drei verschiedenen Spielorten mit vier bzw. sechs Mannschaften gespielt. Da auch in Tanumshede gespielt wurde, hatte ich quasi ein Heimspiel und besuchte zum ersten Mal meinen neuen Klub, der ein tolles Spiellokal hat. Es befindet sich im ehemaligen Teleport, einer Radaranlage, die 1971 in Betrieb ging und Daten über den Atlantik schickte. Seit dem Jahre 2002 ist die Anlage stillgelegt. Aber da die Radarantennen noch stehen, sieht es aus, als sei das Spiellokal bestens für Liveübertragungen von Partien geeignet.

In der Västgötlandliga werden die Mannschaften nach Elo aufgestellt, was im Moment die Aufstellungen recht unvorhersehbar machen, da viele Spieler noch keine FIDE Elo haben und es die schwedische Wertzahl LASK seit diesem Jahr nicht mehr gibt. In Norwegen wird die nationale Wertzahl im kommenden Jahr abgeschafft werden.

In der ersten Runde spielte Tanums SS I (Holger Blauhut, Hellmut Klevenow, Jarl Edgren, Christian Carlsson) gegen Tanums SS II (Mohamed, Ali, Bana und Ahmed Badawi) und gewann mit 4:0. Parallel dazu trennten sich Vänersborg und Uddevalla 2:2. Der Chef des Schachverbands Västergötlands, Fredrik Kjellqvist, fungierte als Schiedsrichter, hielt die weltweit mitfiebernden Fans im Internet auf dem Laufenden und loste die zweite Runde aus. Wir bekamen es mit Vänersborg zu tun. Bevor die zweite Runde begann, konnte man sich im Spiellokal verpflegen oder ein Restaurant in Tanumshede aufsuchen.

Die Nachmittagsrunde verlief sehr erfolgreich. Beide Mannschaften Tanums konnten 3:1 gewinnen. Während die erste Mannschaft in der gleichen Aufstellung spielte, wurden in der zweiten George Ang und Bengt Samzelius für Ahmed und Bana Badawi eingewechselt.

Tanums I – II, Brett 1 und 2 (Foto: Holger Blauhut)

Tanums I – II, Brett 3 und 4 (Foto: Holger Blauhut)

Der zweite Spieltag mit den Runden 3 und 4 wurde zentral in Skara gespielt. Obwohl sich 14 Mannschaften versammelt hatten, gab es kaum Unruhe. Das ganze erinnerte mehr an ein gemütliches Beisammensein als an ein Turnier. Den Turniersaal überblickend, fiel mir auf, dass diese Liga von schwedischen Rentnern dominiert wird, während die meisten jüngeren Spieler ursprünglich nicht aus Schweden kommen.

Mannschaftskampf in der schwedischen Regionalliga (Foto: Holger Blauhut)

Um nicht den weiten Weg nach Skara alleine fahren zu müssen, fuhr ich zunächst nach Tanumshede und stieg dort ins Auto zu Christian Carlsson, dem Sekretär des Vereins. Seit meiner ersten Anfrage, die ich im Sommer geschickt habe, haben wir eine regelmäßige Korrespondenz, und ich fühle mich schon gut über alles in Tanums Schacksällskap informiert. Zusammen fuhren wir nach Håby und wechselten ins Auto zu George Ang. In Uddevalla kam Jarl Edgren dazu, und damit war die erste Mannschaft komplett.
Wieder gewannen beide Tanumer Mannschaften mit 3:1, wobei besonders der Sieg der zweiten Mannschaft stark und überraschend war.

Vara - Tanums I 1:3
Storm - Blauhut 0:1 
Eriksson  - Edgren 1:0  
Gustavsson - Carlsson  0:1
Stensson - Ang 0:1 
Alingsås III - Tanums II 1:3
Pettersson     - Badawi, M 1:0
Marklinder - Haglund   0:1
Karlsson - Badawi, Ah 0:1
Hasselhuhn   - Samzelius  0:1

Tanums I Jarl Edgren, Christian Carlsson, George Ang (Foto: Holger Blauhut)

CB6: Tanums II Mohamed Badawi, Ulf Haglund, Ahmed Badawi, Bengt Samzelius (Foto: Holger Blauhut)

In der Mittagspause lud mich mein Mannschaftskollege George Ang in ein nahegelegenes Café ein. Wie ich erfuhr, übernimmt der Klub die Kosten für das Mittagessen. George erzählte, dass er aus Singapore stammt, Teile seiner Kindheit in Indonesien verbrachte und als Jugendlicher schließlich nach Holland ging. Da er mit einer Schwedin verheiratet ist, zogen sie nach seiner Pensionierung nach Schweden. Als er erfuhr, dass ich aus Rostock – also der DDR – stamme, erzählte er mir von einer Konferenz in Ostberlin, die er in den 1970er Jahren besucht hatte und seinem abenteuerlichen Versuch, mit dem Zug wieder nach Hause zu fahren. Das führte reichlichen Kontakt mit Stasi und Polizei mit sich. Da er schon einmal beim Thema war, begann er DDR-Polizistenwitze zu erzählen, wobei er immer von Volkspolizisten sprach. Diese Bezeichnung hatte ich schon fast vergessen.

George Ang (Foto: Holger Blauhut)

Die Pause verging viel zu schnell und wir mussten uns wieder an die Bretter begeben. Die erste Mannschaft konnte ihren Kampf glücklich gewinnen, während die zweite gegen Ulricehamn chancenlos war. Bei Ulricehamn spielte mit Matthias Menge auch ein deutscher Spieler mit, der in Deutschland bei Iffezheim gemeldet ist.

 

Tanums I - Hova  2,5:1,5
Blauhut - Broddefalt =:=
Edgren - Moberg 0:1
Carlsson - Colliander 1:0
Ang  - Jansson 1:0
Tanums II - Ulricehamn 1:3
Badawi, M - Menge 0:1
Haglund - Klasson 0:1
Badawi, Al  - Karlsson 1:0
Badawi, B - Remar 0:1

Auf dem Rückweg sind einige Spieler noch irgendwo einen Happen essen gegangen (wieder auf Vereinskosten), aber wegen meiner langen Heimreise habe ich mich ausgeklinkt.

Der letzte Spieltag mit Runden 5 und 6 wird Anfang Februar gespielt. Ich freue mich darauf!

Tanums: http://tss.blauhut.info/

Västergötlands Schackförbund: http://vastergotland.schack.se/

Ergebnisse: http://www.schack.se/allsvenskan/vastergotland/

 


Autor, Verleger und Büroarbeiter, lebt in Fredrikstad/Norwegen.

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