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Bulletin (Conrad Schormann)
Runde 1, 26. Oktober 2019
Für die Damen und Herren im ersten Stock mag es ja ein erhebendes Gefühl gewesen sein, einen ehemaligen WM-Finalisten in ihren Reihen zu wissen. Dieser WM-Finalist höchstselbst allerdings wollte ganz schnell wieder dahin, wohin er gehört: an die Spitzenbretter.
„Kamsky nur remis! Gegen einen Zwölfjährigen!“, war das Gesprächsthema nach der ersten von neun Runden im Gut Kaltenbrunn. In der zweiten Runde ließ Kamsky solche Gespräche schnell verstummen.
Sie wollte ja so gerne Neuschwanstein sehen. Wie es sich für einen guten Ehemann gehört, erfüllte Mihail Marin seiner Gattin Maria Yugina diesen Wunsch. Morgens setzten sich die beiden ins Auto, fuhren zwei Stunden bis zum berühmten Schloss, kraxelten eine Stunde lang herum, labten sich am Anblick, dann fuhren sie zwei Stunden lang zurück.
Dann eine Turnierpartie Schach.
Für Leute, die sich nicht gänzlich frisch und bestens vorbereitet ans Brett setzen, hatte Mihail Marin einen unangenehmen Gegenspieler erwischt. Timo Küppers (19) hat vor gut einem Jahr in Barcelona seine erste IM-Norm gemacht, jetzt jagt er die zweite.
Warum Küppers immer besser wird, darüber bestehen verschiedene Ansichten. Der junge Mann aus Essen hatte nach seinem Erfolg in Barcelona berichtet, dass er gezieltes Rechentraining absolviert, das sich nun auszahle. Tegernsee-Turnierdirektor Sebastian Siebrecht, ebenfalls aus Essen stammend, sieht Küppers Erfolg eher darin begründet, dass der Jurastudent ihm häufig bei „Faszination Schach“ zur Hand geht. „Die ganz harte Schule“, sagt Siebrecht augenzwinkernd.
Tatsächlich hat Küppers über Siebrecht den Weg zum Turnierschach gefunden. Sein erstes Turnier 2009 war nämlich die Essener Grundschulmeisterschaft, und genau die richtet Sebastian Siebrecht seit mittlerweile elf Jahren zusammen mit der Sparkasse Essen aus.
Dommaraju Gukesh (13) war U12-Weltmeister, ist seit März Großmeister und gilt als einer der perspektivreichsten Spieler auf dem Planeten Erde. Andreas Ciolek (22) ist Münchner Stadtmeister, und es ist noch gar nicht so lange her, da galt er als perspektivreichster Spieler des Schachbezirks Bodensee.
Schon die zweite Runde bot die ersten Duelle zwischen Titelträgern. Zum Beispiel dieses am ersten Brett, das GM Pavel Eljanov nach Kamskys Erstrundenstolperer besetzt. IM Christoph Singer vom FC Bayern München vermochte den Ukrainer nicht von dort zu verdrängen.
Turnierdirektor Sebastian Siebrecht im Gespräch
Was verschlägt einen Essener an den Tegernsee?
2004 habe ich hier zum ersten Mal mitgespielt. Die Region hat mir auf Anhieb gefallen. Die Verbindung von Natur und Sport suche ich oft gezielt, hier habe ich sie gefunden. Damals bin ich gleich um den See gelaufen, und das mache ich bis heute jedes Mal, sobald ich hier angekommen bin. Ich bin damals auch viel auf die Berge gegangen, das passte einfach. Und dann habe ich auch noch ein Riesenturnier gespielt, die GM-Norm deutlich übererfüllt, meine erste GM-Norm.
Und dann bist du gerne wiedergekommen?
Ja, und ich habe eigentlich immer gut abgeschnitten. Die Abläufe fand ich prima, vormittags Sport und Natur, mittags ruhen, dann zur Partie. Und ich mag Bayern und die Menschen hier. Mit den Leuten von der Tegernseer Tal Tourismus bin ich schon als Spieler super ausgekommen.
Wie bist du Turnierdirektor geworden?
Für Horst Leckner war klar, dass er irgendwann aufhören würde. Wir beide hatten immer Kontakt, weil ich ja seit 2004 regelmäßig zu Gast war. Er hat verfolgt, was ich daheim in Sachen Schulschach mache, das gefiel ihm. Horst Leckner hat natürlich auch gemerkt, dass ich beim Team ganz gut ankomme. Ende 2015 hat er vorgefühlt, ob ich mir vorstellen kann, mich hier einzubringen. Wir haben die 20. OIBM 2016 dann gemeinsam absolviert, er hat mich eingewiesen. Am Ende des Turniers ist er verabschiedet worden und hat offiziell den Staffelstab an mich übergeben.
Was macht eigentlich ein Turnierdirektor?
Zu Beginn habe ich unsere Außenwirkung aufgepeppt: Präsenz in den Medien sicherstellen, eine ordentliche Turnierhomepage, Ergebnisse auf chess-results.com. Gute Fotos sind mir wichtig und gute Rundenberichte, damit wir Geschichten rund um das Turnier erzählen und verbreiten. Was das betrifft, haben wir einiges bewegt. Generell beginnt die Arbeit schon Monate, bevor das Turnier beginnt, weil ich das Turnier internationaler machen will, bunter. Leute aus Übersee, aus Asien, die man in Europa nicht so oft sieht, sollen mitspielen, etablierte Spitzengroßmeister genauso wie junge Wilde.
Und du kennst die alle?
Nicht alle, aber viele aus meiner aktiven Zeit. In Spitzenzeiten habe ich für acht europäische Clubs gespielt, da entstehen Verbindungen und Freundschaften. Außerdem bin ich auf Social Media recht aktiv, das macht mein Netzwerk noch größer. Auch hier achte ich darauf, gut vernetzte Leute mit Präsenz in den Sozialen Medien unter den Teilnehmern zu haben. Meistens ist es wegen des engmaschig gestrickten Turnierkalenders gar nicht so einfach, eine gute Mischung hinzubekommen. Dieses Jahr zum Beispiel fehlt die deutsche Nummer eins Liviu Dieter Nisipeanu wegen der Europamannschaftsmeisterschaft. Sonst wäre Dieter natürlich hier – bei einem seiner Lieblingsturniere, wie er sagt.
Mit dicken Geldpaketen kannst du wahrscheinlich nicht wedeln. Wie machst du das Turnier attraktiv?
Der Spielort allein ist ja schon attraktiv wie kaum ein anderer. Direkt am See, die Berge im Rücken: unsere Location ist genial, das macht einiges aus. Abseits davon kümmere ich mich darum, dass sich alle wohlfühlen und das Gefühl haben, dass ihre Anwesenheit geschätzt wird. Wenn jemand nicht weiß, wie er vom Flughafen herkommen soll, dann hole ich den halt ab. Oder wenn einen Spieler aus einem exotischen Land ein Wehwehchen plagt, dann helfe ich mit der Krankenkasse. Solche Sachen. Das führt dazu, dass die eingeladenen Spieler fast immer wiederkommen wollen, obwohl wir sie nicht in Gold aufwiegen.
Hilft ein kämpferischer Stil, an den Tegernsee eingeladen zu werden?
Oh ja! Darauf achte ich sehr. Ich möchte Kampfschach sehen. Aber mit Remisschieberei kommst du hier eh nicht weit. Es ist so ein großes Turnier, da musst du durchpunkten, wenn du etwas holen willst. Außerdem bieten wir Spielern hier eine Plattform, sich zu präsentieren. Wer auf sich aufmerksam machen will, der muss auf dem Brett etwas zeigen.
Ein Gata Kamsky muss ja nicht mehr auf sich aufmerksam machen.
Ja, so einen Topstar hier zu haben, freut mich sehr. Gata habe ich einfach per Facebook angeschrieben, der Kontakt war sofort freundlich, und recht bald hat er gesagt „Why not?“. Das habe ich dann auch gesagt, und jetzt ist er hier. Das ging schnell, professionell, reibungslos – ohne Allüren. Wie bei Pavel Eljanov übrigens. Den hatte ich vor zwei Jahren angeschrieben, da konnte er leider nicht wegen anderer Verpflichtungen. Dieses Mal hat er sich gemeldet, wir waren uns schnell einig. Jetzt ist er auch hier, und der Turnierdirektor freut sich.
Das Regel-Rätsel – die Auflösung
Schiedsrichter Michael Weber schaut genau hin. Als Weber während der ersten Runde einen Spieler sah, der sich Notizen auf die Hand schrieb, ging er der Sache nach: „Bitte die Hand vorzeigen.“ Hätte dieser Spieler sich nämlich Varianten auf die Hand geschrieben, um sie nicht zu vergessen oder sie leichter visualisieren zu können, dann wäre das ein zu ahndender Regelverstoß gewesen.
Es stellte sich heraus, dass der Spieler sich auf seiner Hand den Elo seines Gegners notiert hatte. Warum? Wir wissen es nicht. Aber wir können mit Bestimmtheit sagen, dass das erlaubt ist wie jegliche andere Kritzeleien auf der Hand während der laufenden Partie. Nur keine Varianten, bitte. Dann greift der Schiedsrichter ein.