Reisebericht mit Schach
1/4 und 1/2-Finale des
Französischen Mannschaftspokal am am 24./25.Mai.
Von Anna Dergachova-Daus.
Als ich vor elf Jahren nach Deutschland gekommen bin, und die Sprache erst zu
lernen begann, las ich viele Krimis. Besonderes gefallen haben mir die von
Agatha Christie. Egal wo auch immer Miss Marple auftauchte, sie stieß immer
wieder auf einen Mord. So geht es mir mittlerweile auch. Nur dass es sich in
meinem Fall um Schach handelt. Diese lustige Geschichte passierte an einem der
Samstage, an denen ich bei der Zulassungsfirma „Leckebusch“ als freiberufliche
Mitarbeiterin tätig bin. Die Leute kommen zum Automarkt, kaufen ihre Autos und
wollen dann nach Hause fahren. Unsere Firma macht die Kennzeichen und
Versicherungen für sie und wir betreuen die Kunden, indem wir den Papierkram
erledigen, beim Kauf des Autos helfen und gleichzeitig natürlich übersetzen.
Also dieser Samstag war wie jeder andere auch, doch am Ende
des Tages kamen zwei Franzosen, die sich mit dem Verkäufer nicht verständigen
konnten, auf mich zu. Kurz gesagt, ihnen fehlte das Geld um das Fahrzeug zu
kaufen (eines hatten sie bereits gekauft) und sie schlugen vor, dass der
Verkäufer sie nach Hause begleitet, um die restliche Summe zu bekommen. So etwas
passiert häufig, und die meisten sehen da keine Probleme, weil ja schließlich
der eine das Auto kaufen und der andere es verkaufen möchte. Doch in diesem
speziellen Fall handelte es sich um Ausländer, deren zuhause Paris war, und die
dazu noch die schwarze Hautfarbe hatten. Der Verkäufer zweifelte, ich aber
nicht. Im Gegensatz zu Short habe ich keine Vorurteile gegen Afroamerikaner
(siehe Schach 6.), also zweifelte ich keine Minute um ihnen aus der Patsche zu
helfen. Schließlich überzeugte ich auch den Verkäufer und schon bald saß ich im
Auto Richtung Paris.
Da alles ziemlich spontan geschah, hatte ich keine Gelegenheit
darüber nachzudenken, was ich am nächsten Tag in der Hauptstadt machen würde.
Ich versuchte mich krampfhaft zu erinnern, wann der Louvre auf ist und ärgerte
mich, dass ich meine Kamera zu Hause liegen hatte. Habe ich dort gute Freunde?
Eigentlich nicht. Dann fiel mir ein, dass Almira Skripchenko dort seit 7 Jahren
lebt und mich bei unserem letzten gemeinsamen Turnier in Capelle zu sich
eingeladen hatte. Ich rief an und teilte ihrem Anrufbeantworter mit, dass ich
noch heute Nacht nach Paris komme und falls seine Besitzerin diese Nachricht
irgendwann hören würde, um Rückruf auf mein Handy bat.
Natürlich konnte ich vorher nicht wissen, ob Almira nicht zu
irgendeinem Turnier unterwegs war oder ob sie überhaupt bereit war, mich so
kurzfristig zu empfangen. Aber Fortuna lächelte mir und schon sehr bald rief sie
mich zurück und meinte, ich wäre herzlich eingeladen und sie würde auf mich
warten. Ich war davor noch nie mit dem Auto gefahren nach Paris und kannte daher
den Weg nicht besonders gut. Es regnete in Strömen und unterwegs musste man noch
aufpassen, dass uns das zweite Auto nicht verliert. Deshalb dauerte die Reise
ziemlich lang.
Dafür wurde ich aber fürstlich entlohnt: bei Almira erwartete
mich ein schönes Bett und Bad, und am nächsten Morgen hat sie mich, nachdem wir
beim Japaner gegessen hatten, zum NAO-Schachclub geführt, wo an diesem Sonntag
das Halbfinale des Pokals ausgetragen wurde.
Almira Skripchenko am Eingang zum Nao Chess Club in Paris
Sie hatte auch eine Kamera dabei, und so konnten wir dieses
Tag in Bildern festhalten. Unterwegs erzählte sie mir einiges über ihren Club.
Vor einem Jahr hat ihn Madam Ohje gegründet. Diese Frau ist eine sehr ehrgeizige
Schachmäzenin und versucht Spitzenspieler aus ganz Europa mit guten Honoraren in
den neu entstandenen Club zu locken. Dies ist ihr auch gelungen. Vladimir
Kramnik, Peter Svidler, Alexander Grischuk, Michael Adams und Joel Lautier sind
nicht nur gemeldet, sondern haben auch fast alle Kämpfe bestritten.
Almira selbst spielt als beste französische Frau natürlich
auch mit. Und nicht zu vergessen, die jungen Talente aus Frankreich. Die
bekanntesten sind: Fressinet und Nataf.
Laurent Fressinet (21) ist jung, hübsch, erfolgreich und noch zu
haben! (eigene Angaben)
Igor Alexandre Nataf
Dieses Team sollte natürlich alles gewinnen und hat auch schon
die französische Meisterschaft (sowohl die normale als auch die der
Jugendlichen) gewonnen und ist auch auf dem besten Wege auch den Pokal zu holen.
Nach dieser Runde (die sie auf den Bildern sehen) steht NAO im Finale. Das große
Ziel ist aber der Europapokal der Vereinsmannschaften. Kurz zuvor haben Almira
und ich im Internet die Ergebnisse der russischen Mannschaftsmeisterschaft
verfolgt. Unter den Teilnehmer waren auch einige NAO-Spieler. „Was werden sie
tun“, fragte ich meine Gastgeberin, „spielen sie dann für russische Clubs oder
für euch?“ „Natürlich für uns. Das steht überhaupt nicht zur Debatte, dort sind
sie nur, um ihren Teams zu helfen, sich zu qualifizieren, aber bei der
Europäischen Meisterschaft spielen sie für NAO.“ Inzwischen waren wir
angekommen. Ich wunderte mich etwas, da ich zum ersten Mal gesehen habe, dass
sich eine riesige Wohnung in einem vornehmen Viertel zu einem Schachlokal
verwandelt. Wir schellten an und wurden eingelassen. Die Bilder zeigen den Rest.
Nao Paris gegen Mulhouse
Andrej Sokolov
Partienbeaming auf die Wnad.
Laurent Fressinet und Anna Dergachova
Almira Skripchenko und Laurent Fressinet.
Weitere Fotos beim Nao-Chess Club...
Partien zum Nachspielen bei Nao...