Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
DR. RENÉ GRALLA: Sie kommen aus der Werbebranche. Was interessiert Sie am
spröden Thema Schach?
SONJA PERK-BARTZ: Ich bin aufgewachsen in einer Schachfamilie, mein Vater hat
mir das Spiel beigebracht. Und von Anfang an habe ich darüber nachgedacht, wie
sich Partien ansprechend darstellen lassen. Jetzt habe ich eine Form dafür
gefunden. Ich zeige das Matchgeschehen aus der Vogelperspektive. Ich benutze
transparentes Material, einen Klebestreifen pro Zug, den ich auf einem
Diagrammhintergrund fixiere. Für die beiden Seiten Weiß und Schwarz wähle ich
verschiedene Farben. Jede Partie hat ihren unverwechselbaren Charakter, ja,
geradezu eine Persönlichkeit, und die arbeite ich heraus.
DR. R.GRALLA: Schach gilt als wenig medientauglich. Wollen Sie auch Menschen
erreichen, die mit dem vertrackten Denkspiel eigentlich nichts am Hut haben?
PERK-BARTZ: Ja, und das funktioniert. Meine Mutter kann das bezeugen. Als ich
die beste Partie meines Vaters – übrigens ein Remis gegen den bekannten
deutschen Großmeister Wolfgang Uhlmann aus Dresden – in ein Bild verwandelt
habe, war meine Mutter begeistert. Die ansonsten gar kein Schach spielt.
DR. R.GRALLA: Für die schwarze Partei wählen Sie mal grüne, mal schwarze
Klebestreifen. Vergleichbares gilt für die weiße Seite: Handeln Sie aus dem
Bauch heraus, oder steckt dahinter ein System?
PERK-BARTZ: Ich finde spannend, was geschieht, wenn sich die farbigen Streifen
überlagern und changierende Töne entstehen. Die Linien zeichnen Bewegungen der
Figuren nach, sie streben aufeinander zu und bilden an bestimmten Punkten
Kraftfelder. Das kreiert ein Farbenspiel von eigenem Reiz.
DR. R.GRALLA: Soll das Ihre Antwort sein auf die alte Streitfrage, ob Schach
nicht bloß ein anspruchsvoller Zeitvertreib ist, sondern womöglich auch Kunst?
PERK-BARTZ: Schach ist definitiv Kunst, und ich führe den Beweis. Die Abfolge
der Züge in einer gelungenen Partie ist eine Form des ästhetischen Ausdrucks.
Das mache ich auch für den Betrachter, der die Regeln des Spiels nicht kennt,
sichtbar und nachvollziehbar.
DR. R.GRALLA: Der Münchner Künstler Ugo Dossi verfolgt einen ähnlichen Ansatz
wie Sie. Auch Dossi visualisiert Schachpartien, indem er Züge in bunte Linien
transformiert.
PERK-BARTZ: Das Thema ist gleich, aber wie wir das umsetzen, da unterscheiden
wir uns doch ganz offensichtlich. Abgesehen davon habe ich erst im Nachhinein
– da hatte ich bereits mein eigenes Konzept entwickelt – einige Werke von
Dossi gesehen. Ugo Dossi, den ich im Übrigen sehr bewundere, reichert seine
Tableaus mit Rundungen und zusätzlichen Effekten an. Ich habe Japanologie
studiert, ich bevorzuge die reduzierte Form und die Konzentration auf das
Wesentliche.
DR. R.GRALLA: Wen wollen Sie mit Ihrer Kunst erreichen?
PERK-BARTZ: Ich plane Ausstellungen bei größeren Turnieren. Einige meiner
Exponate dokumentieren Duelle zwischen absoluten Topstars, ich nenne nur die
letzte Partie zwischen dem russischen Weltmeister Wladimir Kramnik und seinem
bulgarischen Herausforderer Topalow im kalmückischen Elista 2006. Primäre
Zielgruppe sind Spieler, die nach einer optisch ansprechenden Form suchen, um
das flüchtige Geschehen auf dem Brett dauerhaft festzuhalten. Außerdem wende
ich mich an Angehörige, die aktiven Schachsportlern deren beste Partie zum
Geburtstag oder ähnlichen Anlässen schenken wollen. Die können sie bei mir
bestellen, im Format DIN A2, und die Züge werden angefügt in der jeweiligen
Bildlegende. Als Unikat kostet das Stück um die 200 Euro.
DR. R.GRALLA: Und so weiß die Familie endlich, was die oder der Betreffende
jedes Wochenende bei den Schachligakämpfen eigentlich so treiben?
PERK-BARTZ: Auf jeden Fall sieht das gut aus. Und der Partner darf sich auch
darüber freuen, wenn etwas Schönes von Ehefrau oder Ehemann an der Wand hängt.
DR. R.GRALLA: Bereiten Sie eine Vernissage vor für die Schacholympiade 2008 in
Dresden?
PERK-BARTZ: Eine Einladung würde ich natürlich sehr gerne annehmen.
Und nun die Möglichkeit zum Vergleich: So sieht die Partie von GM Dr. Karsten Müller aus, nachdem sie von Sonja Perk-Bartz optisch aufbereitet worden ist
(Bild unten; Foto: Daniel Blank) – und anschließend das Original, in der bewährten
Form der Dokumentation mittels konventionell notierter Züge.

Kann sich jetzt dank Sonja Perk-Bartz eine seiner Partien an die Wand nageln:
der Hamburger Großmeister Dr. Karsten Müller (Foto: Daniel Blank).
Partie zum Kunstwerk...
Dr. René Gralla, Hamburg, Germany
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„Chess Moves“: Werkschau von Sonja Perk-Bartz in Hamburg, Eppendorfer Stieg 2;
Ausstellungsbesuch nach telefonischer Voranmeldung unter 0163 / 345 30 05