Patrick Stiller ist Deutscher Ärztemeister

von ChessBase
08.05.2012 – Schach hat unter Ärzten große Tradition. Dr. Siegbert Tarrasch ist einer der bekannteste Schachspieler dieser Zunft und musste sich deshalb unter Zeitgenossen den Spruch "Er ist ja Arzt und bringt darum jeden Gegner sicher um" gefallen lassen, wie Berufskollege Dr. Helmut Pfleger in seinem launigen, aber auch nachdenklichen Bericht von der letzten Ärztemeisterschaft selbstironisch vermerkt. Die 20. Deutsche Ärztemeisterschaft fand Ende April (20./21.4) am gewohnter Stelle in Bad Neuenahr statt. Fast 160 Mediziner beteiligten sich am Turnier, das mit Schnellschachbedenkzeit im Schweizer System ausgetragen wurde. Am Ende lagen Dr. Patrick Stiller, Dr. Peter Weber und Hannes Knuth mit 7,5 Punkten in Front. Die bessere Feinwertung sprach für Patrick Stiller - nach 2004 und 2009 ist es seine dritte Meisterschaft. Helmut Pfleger und Artur Jussupov sorgten mit einem Uhrenhandicap bzw. einem Simultan für Sonderschichten bei den Medizinern. Der deutsche Schachbund war mit Herbert Bastian und Horst Metzing zur Jubiläumsveranstaltung prominent vertreten und bedankte sich bei Organisator Josef Maus vom Deutschen Ärzteblatt.Deutsches Ärzteblatt...Bericht und Bilder...

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Das 20. Ärzteschachturnier 2012
Von Dr. Helmut Pfleger
Fotos: Josef Maus (Deutsches Ärzteblatt)

Das 20. Deutsche Ärzteschachturnier fand vom 20. - 22. April wiederum in Bad Neuenahr statt, lebendig wie eh und je. Und im Gegensatz zum vom Kopf her stinkenden Sauhaufen Weltschachbund FIDE erfüllt es dessen Wahlspruch "Gens una sumus" (Wir sind eine Familie) mit Leben.

20 Jahre Ärzteschachturnier ist vielleicht auch Anlass zur Rückbesinnung, wie es zur "Familiengründung" kam. Alles fing an mit der Gretchenfrage von Herrn Josef Maus, dem stellvertretenden Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts: "Wie halten es die Ärzte mit dem Schach?" Ich war skeptisch, da sei oft eine Affinität zur Musik, mit dem Schachspiel hätten es wohl eher die Mathematiker und Juristen. Doch er ließ sich nicht abschrecken - und voilà! Keine andere Berufsgruppe hat etwas auch nur entfernt Vergleichbares zuwege gebracht.

Viele kommen gerne wieder, elf der Kollegen waren gar alle 20 Mal dabei - veritable Zwanzigender! Der Neurologieprofessor Dr. med. Peter Krauseneck aus Bamberg fragte sich und uns vor Jahren bei einem Mittagessen einmal, warum für ihn das Ärzteturnier etwas Besonderes sei, und beantwortete die Frage gleich selber: "Es ist diese angenehme Atmosphäre, wo man sich mit den Jahren immer mehr kennenlernt und unter Freunden ist."

Natürlich gibt und gab es auch einen ständigen Wandel, teilweise leider auch durch den Tod von Kollegen.

Ganz schmerzlich war für mich der Tod meines persischen Freundes Dr. med. Modjtaba Abtahi, mit dem ich einst in Erlangen zusammen studierte. Nie mehr wird dieser orientalische Fabulierer eine Partie gewinnen, weil sein Springer immer größer wurde und am Schluss so groß wie ein Elefant war.

Und 2004 waren auf einen Schlag unsere drei 90-jährigen nicht mehr dabei: Der 90-jährige Dr. Reichel, der 91-jährige Dr. Faulhaber und der 92-jährige Dr. Schütz, der ein Jahr zuvor noch vom Skifahren in der Schweiz, Abfahrt wohlgemerkt, direkt zum Ärzteturnier gekommen war.

Und auch Dr. Faulhaber, der einst beim 1.FC Nürnberg als Linksaußen kickte und mit erhobenem Gehstock noch allen zugerufen hatte: "Wenn der Herrgott mich nicht holt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei!", musste sich dem höheren und endgültigen Diktat fügen.

Wie heißt es beim persischen Weisen Omar Khayam:

"Welt ist ein Schachbrett, Tag und Nacht geschrägt,

wo Schicksal Menschen hin und her bewegt,

sie durcheinander schiebt, Schach bietet, schlägt

und nacheinander in die Schachtel legt."

Aber genug der Rückbesinnung, ein Sprung hinein ins aktuelle Turnier, bei dem die 157 Kollegen neun Runden (sechs am Samstag, drei am Sonntag) spielen mussten und jeder pro Partie nur 30 Minuten Bedenkzeit hatte.

Mag auch Schopenhauer, der das Schachspiel schon einmal mit dem unsäglichen Leben verglich, aber gleichzeitig der Meinung war, dass es alle anderen Spiele so sehr überrage wie der Chimborasso einen Misthaufen, gemeint haben, dass es die Zeit als solche gar nicht gäbe, so litten doch viele Ärzte unter der unerbittlichen Schachuhr, auf der in ach so verwickelten Stellungen die Sekunden ach so entsetzlich schnell hinwegtickten, und nicht nur das Gespenst "Matt", sondern auch das Gespenst "Zeitüberschreitung" stets über dem Brette schwebte.

Da kamen im Eifer des Gefechts manch Springer und Läufer abhanden, sprich wurden "eingestellt", da schmolz in furchtbarer Zeitnot der ganze, mühsam erworbene Vorteil dahin, da irrte der flackernde Blick unruhig über das plötzlich so unübersichtliche Brett, ohne der vorher noch so klaren Essenz der Stellung mit ihren gerade noch einsichtigen und logischen Spielzügen habhaft werden zu können.

Und niemand ist gefeit davor. Als im Spitzenduell und beiderseitiger hoher Zeitnot Dr. med. Patrick Stiller, der schließlich das Turnier zum dritten Mal gewinnen sollte, gegen den "alten Haudegen" Dr. Matias Jolowicz, dem in der allerletzten Partie ein Remis zum Turniersieg genügt hätte - oh du schreckliches "hätte" - einen Zug macht, stellen beide plötzlich verblüfft fest, dass es "patt" ist.

"Dann plötzlich, vor Erstaunen platt,

seufzt er ein einzig Wörtlein: Patt"

heißt es (fast) bei Eugen Roth, dessen Gedicht allerdings - ganz anders als bei unseren Protagonisten und den Teilnehmern des Ärzteturniers überhaupt - so beginnt:

"Ein Mensch sitzt da, ein schläfrig trüber,

ein andrer döst ihm gegenüber..."


Patrick Stiller, re, in der 8.Runde gegen den später zweitplazierten Peter Weber.
 

So war es definitiv nicht, wenn auch das Buch "Unter Haien" neben Dr. med. Benedict Ungars Brett hoffentlich keine Anspielung auf die liebe Kollegenschaft war, die sich um ihn herum im Bad Neuenahrer Kursaal tummelte. Schließlich hieß es einmal über den "Lehrmeister Deutschlands" und vor ca. 100 Jahren nach Emanuel Lasker besten Spieler der Welt, Dr. med. Siegbert Tarrasch:

"Er ist ja Arzt und bringt darum

jeden Gegner sicher um!"


Von links nach rechts: Hannes Knuth (3. Platz), Matias Jolowicz (5. Platz),
Peter Weber (2. Platz), Patrick Stiller (Sieger), Ulrich Zenker (4. Platz)
und Reimund Koch (Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Sponsor des Turniers).

Ausgerichtet wurde die Schachmeisterschaft für Ärztinnen und Ärzte vom Deutschen Ärzteblatt mit Unterstützung durch den Deutschen Schachbund und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank.


Zum Schluss sei noch vermerkt, dass zum Auftakt am Freitagabend sowohl das traditionelle Blitzturnier stattfand als auch Artur Jussupow an 30 Brettern simultan spielte und nur drei Remisen gestattete, allerdings nachher anmerkte, dass er selten auf so harten und langwierigen Widerstand gestoßen sei, und dass bei meinem Uhren-Handicap an 12 Brettern freundlicherweise alle Kollegen sehr entgegenkommend waren.





Am Samstagabend, nach eines langen Tages Müh', gab es schließlich noch eine gut besuchte, von Herrn Maus moderierte "Talkrunde" mit Artur Jussupow, dem Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds Horst Metzing, dem wandelnden Schachlexikon Manfred Mädler und mir selbst über alle möglichen Aspekte des Schachs und der Schachwelt, wobei der Schachtrainer Jussupow auch lehrreiche und amüsante Beispiele am Demo-Brett zeigte.

Und last but not least sei noch vermerkt, dass alle teilnehmenden Ärzte zur Erinnerung an 20 Jahre Ärzteschach eine DVD von Chessbase mit vielen Fotos, Berichten der Turniere und Schachspalten aus dem Deutschen Ärzteblatt und obendrein noch elf der "Schönsten Partien der Schachgeschichte" erhielten. Kein Wunder, dass (fast) alle zufrieden nach Hause gingen.


Herbert Bastian und Horst Metzing vom Schachbund

 

Endstand:

Pl. Teilnehmer DWZ Verein/Ort Pkt. Buch
1. Dr. Patrick Stiller 2153 SAbt Post-SV Ulm 7.5 51.5
2. Dr. Peter Weber 2201 Langenfelder Schachfreunde 1933 7.5 50.0
3. Hannes Knuth 2309 SC Neukloster 7.5 49.0
4. FM Ulrich Zenker 2136 SU Ebersberg-Grafing 7.5 44.5
5. Dr. Matias Jolowicz 2046 SVG Salzgitter 7.0 49.5
6. Georg Stelzig 2000 Hille 7.0 46.0
7. Dr. Tsvetomir Loukanov 2241 BG Buchen 7.0 46.0
8. Prof. Dr. Peter Krauseneck 2097 SC 1868 Bamberg 6.5 50.0
9. FM Dr. Hans-Joachim Hofstetter 2165 SK 1933 Bad Neustadt 6.5 48.5
10. Karl-Heinz Hartmann 1979 Schachverein Turm Kamp-Lintfort 6.5 47.5
11. Michal Michalek 2100   6.5 47.5
12. CM Dr. Thorsten Heedt 2093 Schachgemeinschaft Porz 6.5 46.0
13. Helmut Jacob 2053 Schachklub Ochtrup 61 6.5 44.0
14. Klaus Vietinghoff 1729 SV 93 Niepars 6.5 42.0
15. Dr. Matthias Birke 2076 SF 1954 Conweiler 6.0 49.5
16. Johannes Dorst 2172 SK Marburg 1931/72 6.0 47.5
17. Dr. Giampiero Adocchio 2197 SK Frankenthal 6.0 45.5
18. Dr. Hans-Joachim Grottke 2155 SC Empor Potsdam 1952 6.0 45.5
19. Jonathan List 2019 SK Münster 32 6.0 44.0
20. Norbert Sehn 1928 SC Fulda 6.0 42.5
21. Dr. Nubar Manuelyan 1712 SV Bodenheim 6.0 42.5
22. Michael Kirchhof 1851 Delitzsch 6.0 42.0
23. Franz-Jürgen Schell   Mainz 6.0 42.0
24. Michael Steffens   SC Bad Neuenahr/Aw. 6.0 40.5
25. Thomas Lenhard 1723 Berlin 6.0 39.5
26. Heinrich Fasshauer 1803 SF Mengen 6.0 39.5
27. Dr. Wolfgang Weise 1936 TV Altötting 1864 6.0 35.0

... 157 Teilnehmer


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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