Das 20. Ärzteschachturnier 2012
Von Dr. Helmut Pfleger
Fotos: Josef Maus (Deutsches Ärzteblatt)
Das 20. Deutsche Ärzteschachturnier fand vom
20. - 22. April wiederum in Bad Neuenahr statt, lebendig wie eh und je. Und im
Gegensatz zum vom Kopf her stinkenden Sauhaufen Weltschachbund FIDE erfüllt es
dessen Wahlspruch "Gens una sumus" (Wir sind eine Familie) mit Leben.
20 Jahre Ärzteschachturnier ist vielleicht
auch Anlass zur Rückbesinnung, wie es zur "Familiengründung" kam. Alles fing an
mit der Gretchenfrage von Herrn Josef Maus, dem stellvertretenden Chefredakteur
des Deutschen Ärzteblatts: "Wie halten es die Ärzte mit dem Schach?" Ich war
skeptisch, da sei oft eine Affinität zur Musik, mit dem Schachspiel hätten es
wohl eher die Mathematiker und Juristen. Doch er ließ sich nicht abschrecken -
und voilà! Keine andere Berufsgruppe hat etwas auch nur entfernt Vergleichbares
zuwege gebracht.
Viele kommen gerne wieder, elf der Kollegen
waren gar alle 20 Mal dabei - veritable Zwanzigender! Der Neurologieprofessor
Dr. med. Peter Krauseneck aus Bamberg fragte sich und uns vor Jahren bei einem
Mittagessen einmal, warum für ihn das Ärzteturnier etwas Besonderes sei, und
beantwortete die Frage gleich selber: "Es ist diese angenehme Atmosphäre, wo man
sich mit den Jahren immer mehr kennenlernt und unter Freunden ist."
Natürlich gibt und gab es auch einen
ständigen Wandel, teilweise leider auch durch den Tod von Kollegen.
Ganz schmerzlich war für mich der Tod meines
persischen Freundes Dr. med. Modjtaba Abtahi, mit dem ich einst in Erlangen
zusammen studierte. Nie mehr wird dieser orientalische Fabulierer eine Partie
gewinnen, weil sein Springer immer größer wurde und am Schluss so groß wie ein
Elefant war.
Und 2004 waren auf einen Schlag unsere drei
90-jährigen nicht mehr dabei: Der 90-jährige Dr. Reichel, der 91-jährige Dr.
Faulhaber und der 92-jährige Dr. Schütz, der ein Jahr zuvor noch vom Skifahren
in der Schweiz, Abfahrt wohlgemerkt, direkt zum Ärzteturnier gekommen war.
Und auch Dr. Faulhaber, der einst beim 1.FC
Nürnberg als Linksaußen kickte und mit erhobenem Gehstock noch allen zugerufen
hatte: "Wenn der Herrgott mich nicht holt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei!",
musste sich dem höheren und endgültigen Diktat fügen.
Wie heißt es beim persischen Weisen Omar
Khayam:
"Welt ist
ein Schachbrett, Tag und Nacht geschrägt,
wo
Schicksal Menschen hin und her bewegt,
sie
durcheinander schiebt, Schach bietet, schlägt
und
nacheinander in die Schachtel legt."
Aber genug der Rückbesinnung, ein Sprung
hinein ins aktuelle Turnier, bei dem die 157 Kollegen neun Runden (sechs am
Samstag, drei am Sonntag) spielen mussten und jeder pro Partie nur 30 Minuten
Bedenkzeit hatte.
Mag auch Schopenhauer, der das Schachspiel
schon einmal mit dem unsäglichen Leben verglich, aber gleichzeitig der Meinung
war, dass es alle anderen Spiele so sehr überrage wie der Chimborasso einen
Misthaufen, gemeint haben, dass es die Zeit als solche gar nicht gäbe, so litten
doch viele Ärzte unter der unerbittlichen Schachuhr, auf der in ach so
verwickelten Stellungen die Sekunden ach so entsetzlich schnell hinwegtickten,
und nicht nur das Gespenst "Matt", sondern auch das Gespenst
"Zeitüberschreitung" stets über dem Brette schwebte.
Da kamen im Eifer des Gefechts manch
Springer und Läufer abhanden, sprich wurden "eingestellt", da schmolz in
furchtbarer Zeitnot der ganze, mühsam erworbene Vorteil dahin, da irrte der
flackernde Blick unruhig über das plötzlich so unübersichtliche Brett, ohne der
vorher noch so klaren Essenz der Stellung mit ihren gerade noch einsichtigen und
logischen Spielzügen habhaft werden zu können.
Und niemand ist gefeit davor. Als im
Spitzenduell und beiderseitiger hoher Zeitnot Dr. med. Patrick Stiller, der
schließlich das Turnier zum dritten Mal gewinnen sollte, gegen den "alten
Haudegen" Dr. Matias Jolowicz, dem in der allerletzten Partie ein Remis zum
Turniersieg genügt hätte - oh du schreckliches "hätte" - einen Zug macht,
stellen beide plötzlich verblüfft fest, dass es "patt" ist.
"Dann
plötzlich, vor Erstaunen platt,
seufzt er
ein einzig Wörtlein: Patt"
heißt es (fast) bei Eugen Roth, dessen
Gedicht allerdings - ganz anders als bei unseren Protagonisten und den
Teilnehmern des Ärzteturniers überhaupt - so beginnt:
"Ein Mensch
sitzt da, ein schläfrig trüber,
ein andrer
döst ihm gegenüber..."
Patrick Stiller, re, in der 8.Runde gegen den später
zweitplazierten Peter Weber.
So war es definitiv nicht, wenn auch das
Buch "Unter Haien" neben Dr. med. Benedict Ungars Brett hoffentlich keine
Anspielung auf die liebe Kollegenschaft war, die sich um ihn herum im Bad
Neuenahrer Kursaal tummelte. Schließlich hieß es einmal über den "Lehrmeister
Deutschlands" und vor ca. 100 Jahren nach Emanuel Lasker besten Spieler der
Welt, Dr. med. Siegbert Tarrasch:
"Er ist ja
Arzt und bringt darum
jeden
Gegner sicher um!"
Von links nach rechts: Hannes Knuth (3. Platz), Matias Jolowicz
(5. Platz),
Peter Weber (2. Platz), Patrick Stiller (Sieger), Ulrich Zenker (4. Platz)
und Reimund Koch (Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Sponsor des Turniers).
Ausgerichtet wurde die Schachmeisterschaft für Ärztinnen und Ärzte vom Deutschen
Ärzteblatt mit Unterstützung durch den Deutschen Schachbund und die Deutsche
Apotheker- und Ärztebank.
Zum Schluss sei noch vermerkt, dass zum
Auftakt am Freitagabend sowohl das traditionelle Blitzturnier stattfand als auch
Artur Jussupow an 30 Brettern simultan spielte und nur drei Remisen gestattete,
allerdings nachher anmerkte, dass er selten auf so harten und langwierigen
Widerstand gestoßen sei, und dass bei meinem Uhren-Handicap an 12 Brettern
freundlicherweise alle Kollegen sehr entgegenkommend waren.
Am Samstagabend, nach eines langen Tages
Müh', gab es schließlich noch eine gut besuchte, von Herrn Maus moderierte
"Talkrunde" mit Artur Jussupow, dem Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds
Horst Metzing, dem wandelnden Schachlexikon Manfred Mädler und mir selbst über
alle möglichen Aspekte des Schachs und der Schachwelt, wobei der Schachtrainer
Jussupow auch lehrreiche und amüsante Beispiele am Demo-Brett zeigte.
Und last but not least sei noch vermerkt,
dass alle teilnehmenden Ärzte zur Erinnerung an 20 Jahre Ärzteschach eine DVD
von Chessbase mit vielen Fotos, Berichten der Turniere und Schachspalten aus dem
Deutschen Ärzteblatt und obendrein noch elf der "Schönsten Partien der
Schachgeschichte" erhielten. Kein Wunder, dass (fast) alle zufrieden nach Hause
gingen.
Herbert Bastian und Horst Metzing vom Schachbund
Endstand:
Pl. |
Teilnehmer |
DWZ |
Verein/Ort |
Pkt. |
Buch |
1. |
Dr. Patrick Stiller |
2153 |
SAbt Post-SV Ulm |
7.5 |
51.5 |
2. |
Dr. Peter Weber |
2201 |
Langenfelder Schachfreunde 1933 |
7.5 |
50.0 |
3. |
Hannes Knuth |
2309 |
SC Neukloster |
7.5 |
49.0 |
4. |
FM Ulrich Zenker |
2136 |
SU Ebersberg-Grafing |
7.5 |
44.5 |
5. |
Dr. Matias Jolowicz |
2046 |
SVG Salzgitter |
7.0 |
49.5 |
6. |
Georg Stelzig |
2000 |
Hille |
7.0 |
46.0 |
7. |
Dr. Tsvetomir Loukanov |
2241 |
BG Buchen |
7.0 |
46.0 |
8. |
Prof. Dr. Peter Krauseneck |
2097 |
SC 1868 Bamberg |
6.5 |
50.0 |
9. |
FM Dr. Hans-Joachim Hofstetter |
2165 |
SK 1933 Bad Neustadt |
6.5 |
48.5 |
10. |
Karl-Heinz Hartmann |
1979 |
Schachverein Turm Kamp-Lintfort |
6.5 |
47.5 |
11. |
Michal Michalek |
2100 |
|
6.5 |
47.5 |
12. |
CM Dr. Thorsten Heedt |
2093 |
Schachgemeinschaft Porz |
6.5 |
46.0 |
13. |
Helmut Jacob |
2053 |
Schachklub Ochtrup 61 |
6.5 |
44.0 |
14. |
Klaus Vietinghoff |
1729 |
SV 93 Niepars |
6.5 |
42.0 |
15. |
Dr. Matthias Birke |
2076 |
SF 1954 Conweiler |
6.0 |
49.5 |
16. |
Johannes Dorst |
2172 |
SK Marburg 1931/72 |
6.0 |
47.5 |
17. |
Dr. Giampiero Adocchio |
2197 |
SK Frankenthal |
6.0 |
45.5 |
18. |
Dr. Hans-Joachim Grottke |
2155 |
SC Empor Potsdam 1952 |
6.0 |
45.5 |
19. |
Jonathan List |
2019 |
SK Münster 32 |
6.0 |
44.0 |
20. |
Norbert Sehn |
1928 |
SC Fulda |
6.0 |
42.5 |
21. |
Dr. Nubar Manuelyan |
1712 |
SV Bodenheim |
6.0 |
42.5 |
22. |
Michael Kirchhof |
1851 |
Delitzsch |
6.0 |
42.0 |
23. |
Franz-Jürgen Schell |
|
Mainz |
6.0 |
42.0 |
24. |
Michael Steffens |
|
SC Bad Neuenahr/Aw. |
6.0 |
40.5 |
25. |
Thomas Lenhard |
1723 |
Berlin |
6.0 |
39.5 |
26. |
Heinrich Fasshauer |
1803 |
SF Mengen |
6.0 |
39.5 |
27. |
Dr. Wolfgang Weise |
1936 |
TV Altötting 1864 |
6.0 |
35.0 |
... 157 Teilnehmer