09.03.2017 – Der polnische Wintersportort Karpacz erlangte vor anderthalb Jahren auch in deutschen Schachkreisen einige Bekanntheit, als die deutsche Mannschaft dort Jugend-Europameister wurde. Mietek Bakalarz nahm nun mit einer luxemburgischen Delegation dort an einem Open teil und machte dabei interessante Beobachtungen.
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XI Internationales Festival Karkonosze 18.02.-25.02.2017 in Karpacz in Polen
Irgendwann Anfang des Jahres 2015 habe ich gesehen, dass die Europäische Jugend-Mannschaftsmeisterschaft im polnischen Riesengebirge 12.07. - 20.07. in Karpacz (dt. Krummhübel) stattfand Ich habe dann die Veranstalter-Seite besucht und war begeistert von den dort gespeicherten Bildern. Die Veranstaltung wirkte sehr gelungen, was auch der verschiedene internationale Berichte und die Artikel des DSB bestätigten. Deutschland feierte mit Matthias Bluebaum, Jan Christian Schröder, Thore Perske und Vincent Keymer einen schönen Erfolg, gewann die Gold-Medaille im Open (Bei den Mädchen erreichten Josefine Heinemann und Sonja Maria Bluhm Platz 8).
Bei der Europäischen Mannschaftsmeisterschaft in Karpacz holte das deutsche Team in der Aufstellung Matthias Blübaum 3.v.r, Jan-Christian Schröder 2.v.r, Thore Perske 1.v.r Vincent Keymer 2.v.l und National Trainer Bernd Völkler 1.v.l die Goldmedaille. | Foto: David Czerwonski (http://eytcc2015.eu)
Meine Idee war es nun, ein Jugend-Team aus Luxemburg für diese Meisterschaft zusammenstellen, aber die luxemburgische Föderation berücksichtigt Europäische Jugend Mannschaftsmeisterschaften und die Schacholympiaden U16 nicht. In letzten Jahr, 2016, habe ich es aber trotzdem geschafft, eine Schachreise zum X. Festival Karkonosze zu organisieren. Unsere luxemburgische Gruppe war danach sehr zufrieden. Daher haben wir die Reise nun wiederholt, diesmal unter dem Motto „Winterferien mit Schach“.
Und auch diesmal waren wir begeistert: Unterkunft und Spielsaal im komfortablem Haus „Nowa Królowa Karkonoszy“ (dort waren auch die erwähnten Europa-Mannschaftsmeisterschaften ausgetragen) boten tolle Bedingungen. Die Stadt Karpacz als ein beliebter Touristenort und bietet gerade für Familien mehrere Attraktionen, u.a. mehrere Schneepisten für Ski- und Schlittenfahren, was gerade für die Winterferien wunderbar ist. Wir haben einen Teil von diesen besichtigt: die legendäre Stabkirche Wang, der Aquapark im gigantischen Hotel „Gołębiewski“, eine interaktive Lego Ausstellungen. Das ist aber noch lange nicht alles. Wichtiger sind doch die Organisatoren, Teilnehmer, Begleiter (dabei waren erfreulicherweise viele schachbegeisterten Familien mit Kindern) und dies sorgte für eine schöne Atmosphäre.
Jetzt zu Turnieren: Es wurde sehr fair gespielt, die Partien waren interessant und spannend, auch wegen der Teilnahme von sehr vielen Kindern und Jugendlichen, darunter viele Mädchen. Ich habe mich besonders gefreut, meine Schachfreunde von früher zu treffen.
Gruppe A: Die Favoriten haben sich durchgesetzt: GM Mikhail Simantsev Ukraine ELO 2478 hat verdient gewonnen 8/9, aber der bekannte GM Vladimir Malaniuk Ukraine ELO 2450 musste hart um Platz 2 kämpfen, mit 7 aus 9 hatte er bessere Zweitwertung als sehr stark spielender Aleksander Kumala Polen ELO 2217 auch 7/9.
Beeindruckt hat mich folgende Partie:
Gruppe B:
Gewonnen hat Michal Maryniak, ohne ELO, aber mit nationaler Wertung von 1800, vor dem 13-jährigen Wojciech Haliniak, ELO 1460, nationale Wertung 1900.
Viele Schachfreunde aus Westeuropa verstehen die nationale polnische Wertung nicht und fragen dann, warum die Zahlen so rund sind, zumal man gewöhnt ist, dass es bei der DWZ anders ist. Hier eine Erklärung dazu: In Polen hat man seit langem ein System aus der damaliger Sowjetunion eingeführt. Eine Grundlage dafür bilden so genannte Kategorien:
V = 1200, IV = 1400, III = 1600, II = 1800, II+ (plus bedeutet 1 Norm für die I Kategorie) = 1900, I = 2000.
Bei den Frauen sind die Werte entsprechend um 200 Punkten niedriger. Vor Jahren waren die Werte insgeamt noch um 100 Punkten niedriger, aber wegen der ELO Inflation man hat sie angepasst.
Der Grund für dieses System war und ist: bis I Kategorie man betrachtet das Spielniveau als Amateurbereich, also man braucht nicht unbedingt eine bewegliche Wertung. Damit spart man sich eine sehr aufwändige Arbeit und vor allem ermöglicht man jungen Spielern schnelle Fortschritte, was motivierend wirkt.
Um eine ähnliche DWZ zu bekommen, muss ein Kind in Deutschland normalerweise viel länger und auch mehr Partien spielen. In der Praxis sind die Jugendlichen ELO unterbewertet, weil ihnen Partien fehlen. Ein Beweis dafür liefert die ELO-Auswertung dieses Turniers: insgesamt haben Jugendliche (nicht nur meine Gegner) gewaltig an ELO hinzu gewonnen. Oberhalb der I Kategorie haben Spieler in Polen übrigens schon vergleichbare DWZ Wertungen bzw. FIDE-Elozahlen. Was das bedeutet, habe ich am eigenem Leib erfahren: ich habe gegen 7 Jugendlichen gespielt und mit 5 Punkten trotzdem 14 ELO Punkte verloren.
Bemerkenswert ist der Mädchenanteil: von 77 Teilnehmer 24 Mädchen, das bedeutet über 31%. Er ist noch höher, wenn man nur die Jugend betrachtet: unter 54 Teilnehmer 24 Mädchen, über 44%.
Das ist kein Zufall, so wie auch die außerordentlichen Erfolge von polnischen Mädchen (sehr gute Platzierungen bei Jugend Europa und Welt- Meisterschaften) und Frauen (Silber Medaille bei der Schacholympiade Baku 2016!). Angesichts der letzten Umfrage des DSB und mehreren Diskussionen über den geringen Frauenanteil im Deutschen Schachbund wäre es hilfreich zu untersuchen, warum das Frauenschach in Polen viel besser funktioniert.
Mietek BakalarzIM Mietek Bakalarz geboren 1960 in Polen, Nationalität Deutsch. FIDE Trainer seit 2011, A-Trainer des Deutschen Schachbundes seit 1994. Einige seiner Schüler: Georg Meier (Trainer von 1998-2000), Janina Remy (Deutsche Meisterin U16), Stephen Raach Deutsche Meister U11.
Bakalarz ist Inhaber des Schulschachpatents und seit 1994 professioneller Schachlehrer. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und auch seine Ehefrau WFM Grazyna Bakalarz arbeitet professionell als Schachtrainerin.
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