
Unter dem Titel "Aufgedeckt: Die Verbindungen zwischen dem Weltschach und der russischen Kriegsmaschinerie" berichtet die ukrainische Sportjournalistin Daria Meshcheriakova von den Verflechtungen Russlands mit dem Weltschachbund FIDE, dem internationalen Schachgeschehen und den Methoden, mit denen Russland und Putin das Schachspiel und die Organisation von Schachturnieren nutzen, um ihre politischen Ziele zu verfolgen.
Der auf der Krim geborene Sergey Karjakin, später nach Russland emigriert, ist ein großer Unterstützer von Putins Partei Einiges Russland und unter allen russischen Schachgroßmeistern der größte Propagandist für die russische Politik in den besetzten ukrainischen Gebieten. Auf seinen Kanälen in den Sozialen Medien zeigt sich Karjakin, wie er Waffen zu den russischen Truppen an der Front bringt. Nach Beginn seiner Aktivitäten wurde er 2022 für sechs Monate gesperrt und konnte nicht am Kandidatenturnier in Madrid teilnehmen. Karjakins fortgesetzte Aktivitäten wurden aber von der FIDE nicht weiterhin sanktioniert. Dies fand besonders die Kritik von Peter Heine Nielsen, dänischer Großmeister und Trainer von Magnus Carlsen. Nielsen ist mit der litauischen Politikerin Viktorija Cmilyte verheiratet und ein besonders kritischer Beobachter der russischen Politik und dem russischen Einfluss in der FIDE.
Nielsen forderte eine längere Sperre von Karjakin. Doch vermutlich wird dies vom russischen FIDE-Präsidenten Arkadij Dvorkovich verhindert. Dvorkovich war einst Wirtschaftsberater der russischen Regierung und stellvertretender Vize-Ministerpräsident. Später gehörte Dvorkovich zum Präsidium des russischen Technik-Innovationszentrum Skolkova. 2018 wurde er in der Nachfolge von Kirsan Illyumzhinov zum FIDE-Präsidenten gewählt. Dvorkovichs Frau Zumrud Rustamova leitete zudem fast zehn Jahre Büro der Investmentholding Nafta Moskva des russischen Oligarchen Suleyman Kerimov in Zypern und bekleidet wichtige Positionen bei russischen Metall-Konzernen, weiß Daria Meshcheriakova zu berichten.
Auch der frühere Weltmeister und Dissident Garry Kasparov kritisiert die Rolle der FIDE als Handlanger für die politischen Ziele Russlands. Er war eine Zeitlang als Oppositionsolitiker in Russland aktiv, doch nachdem einige seiner politischen Freunde ermordet wurden, verließ Kasparov das Land.
Der russische Staat, Staatsfirmen und einige russische Oligarchen waren lange die Hauptfinanziers des Weltschachbundes. Im Gegenzug nutzten russische Delegationen die internationalen Schachturniere in den verschiedenen Ländern zur politischen und wirtschaftlichen Kontaktaufnahme. Kasparov bezeichnete die FIDE als "ausländische Hand des KGB".
Der englische Schach-Organisator und Schach-Journalist Malcolm Pein weist indes auf die heikle Rolle von Dvorkovich hin, der versuche, einen Ausgleich zwischen den russischen und den internationalen Interessen zu schaffen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurden die russischen Sportverbänden sanktioniert und von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen, auch im Schach. Die russischen Sportler können im Schach an Individualturnieren teilnehmen, aber nur unter der Flagge der FIDE und ohne Abspielen der Nationalhymne bei den hochrangigen Wettbewerben. Die Russen drängen seit Langem darauf, die Sanktion aufzuheben, doch der internationale Wiederstand ist (derzeit noch) zu groß.
Russland organisiert in den besetzten Gebieten eine Vielzahl von Schachturnieren, was gegen das Völkerrecht verstößt. Die Ukraine protestierte dagegen beim Weltschachbund. Doch Versuche, den Russischen Schachverband zu sperren, wurden laut den Recherchen von Daria Meshcheriakova von Kommissionsmitgliedern der FIDE verhindert, die mit Russland vernetzt sind.
Original-Artikel bei Politico...