Politikerschachturnier
Von André Schulz
Fotos: Benjamin Bartels
Das Politikerturnier wächst und wächst.
Vielleicht ist dies ein ermutigendes Signal für alle, die auf mehr politische
Vernunft hoffen, denn Schach und Vernunft sind zwei Dinge, von denen man glaubt,
dass sie zusammen gehören. Dummerweise bestimmen aber anscheinend ausgerechnet
jene die Tagespolitik, die nicht zu den Teilnehmern des Politikerschachturniers
gehören.
Der frühere Regierende Bürgermeister Dr. Klaus Schütz meinte, vielleicht sei es
gar keine so schlechte Idee, Schach als Pflichtfach für die Anwärter seines
früheren Amtes zu machen, wies aber darauf hin, dass es dann manche seiner
Amtsvorgänger -und Nachfolger nicht geschafft hätten, z.B. auch nicht Willy
Brandt.
Otto Schily, Alfred Seppelt
Nachdem im letzten Jahr der Bundeskanzler selbst die Schirmherrschaft übernommen
hatte, überließ er in diesem Jahr seinem Innenminister diese Aufgabe. Otto
Schily, selbst regelmäßiger Teilnehmer des Turniers, erfüllte dies gerne und
lobte in seiner Ansprache die Verdienste des Präsidenten des Berliner Verbandes
Alfred Seppelt. Im nächsten Jahr wird Alfred Seppelt aber nach 20-jähriger
Amtsdauer aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stehen. Am Abend zuvor gab
er dem neuen Radio ChessBase ein Interview und erzählte ein bisschen von der
Geschichte des Turniers, das dieses Jahr zum dreizehnten Mal stattfand, und
verriet, wie er die Politprominenz ans Brett bekommt: "Wissen Sie, man muss die
richtigen Ansprechpartner in den Vorzimmern haben und es gehört auch eine
gewisse Hartnäckigkeit dazu."
André Schulz, Alfred Seppel: Radio ChessBase Interview
Otto Schily versprach Alfred Seppelt in seiner Rede ein Geschenk, dass er leider
vergessen hatte mitzubringen: ein Schachbrett aus kleinen Schnapsflaschen, dass
er selber kürzlich aus Rumänien geschenkt bekommen hatte. "Das wäre aber nichts
für Herrn Ströbele," vergaß der Innenminister seinen früheren Parteikollegen
nicht, der ebenfalls am Turnier teilnahm.
Hans-Christian Ströbele, dahinter li. Benjamin Bartels (ChessBase)
Auch Peter Müller, Ministerpräsident des
Saarlandes, bekam eine Würdigung in der Eröffnungsrede. "Herr Müller hat sich
viel vorgenommen. Er ist sogar im Kampfanzug erschienen."
Peter Müller im "Kampfanzug". Im Hintergrund huscht Matthias
Kribben vorbei. Daneben: Ernst Bönsch.
Ein Thema war die geplante, aber nicht zustande
gekommenen Internetpartie zwischen Kasparov und Otto Schily. "Da hat Kasparov
aber Glück gehabt," warf Peter Müller ein.
Der Innenminister hätte gerne gespielt, musste aber zeitig nach Frankfurt zum
Bundessportball. Kasparov wollte aber seine Vorbereitungsphase nur für Otto
Schily unterbrechen. "Ich empfinde es als Ehre, dass Kasparov sagt, wenn, dann
spiele ich nur gegen Schily. Natürlich kann man es auch so interpretieren, dass
er meint, ich sei hier der schwächste Gegner im Feld und am einfachsten zu
schlagen." kommentierte Schily gut gelaunt. Zuvor hatte ihm Alfred Seppelt im
Auftrag von Kasparov ein von diesem signiertes Fritz8-Programm überreicht.
Durch den Verband und den Innenminister geehrt
wurde die langjährige Besitzerin des Hotel Berlin Silva Franke. Das Hotel ist
seit Jahren nicht nur Gastgeber des Turniers, sondern auch Sponsor, sorgt für
Getränke und lädt die Teilnehmer am Schluss zu einem warmen Buffet ein.
Offensichtlich hatten sich einige TV-Radakteure
den Termin im Kalender vermerkt, denn es waren zahlreiche Kamerateams unterwegs,
die nicht nur vom Turnier berichteten, sondern die Gelegenheit nutzten, vor
allem Otto Schily und Peter Müller über tagespolitische Ereignisse zu befragen.
Diese gaben bereitwillig Auskunft.
Otto Schily nimmt Stellung.
Das Turnier wird mit Handicap gespielt. Die
Spieler, die im Verein spielen, oder sogar eine Elozahl haben, bekommen weniger
Bedenkzeit als die Hobbyspieler.
Volker Wildt
Seit drei Jahren hat immer Volker Wildt aus
Gauting das Turnier für sich entschieden. Auch in diesem Jahr bleib er ohne
Niederlage, obwohl er am Tag zuvor eine Kiefernoperation über sich hatte ergehen
lassen müssen. Doch diesmal gewann durch Sonderwertung der punkgleiche Ralf
Seibicke. Ebenfalls auf sechs Punkte kam Dr. Jürgen Schwarz.
Der Sieger: Ralf Seibicke
Avi Primor, Alfred Seppelt
In diesem Jahr nahmen auch viele Mitglieder der Botschaften teil. Der
Bundeskanzler hatte sich mehr internationale Präsenz gewünscht. Sogar eigens aus
Israel angereist war der frühere israelische Botschafter Avi Primor.
Alfred Seppelt wurde bei der Organisation von
seinem Vize Matthias Kribben und von Reinhold Kaspar unterstützt.
Reinhold Kaspar
Endstand Politikerturnier 2003
1. Ralf Seibicke, Präsindent Landesrechnungshof Magdeburg, 6 Punkte
2. Volker Wildt, Fraktionssprecher Gauting, 6 P.
3. Dr. Jürgen Schwarz, Landesschatzmeister Dresden, CDU, 6 P.
4. Dietmar Lingemann, Berlin, Bündnis90/Grüne, 5,5 P.
5. Edmund Lorner, Ratsherr Eckernförde, CDU, 5,5 P.
6. Leo Tito Ausan, Sekretär Philippinische Botschaft, Berlin, 5 P.
7. Wilfried Roos, Bürgermeiste Saerbeck, 5 P.
8. Wolfgang Betcke, Bezirksverordn.-Vorsteher, CDU, 5 P.
9. Dr. Fritz Felgentreu, BdA Berlin, SPD, 5 P.
10.Matthias Berninger, Staatssekretär Berlin, Bündnis90/Grüne, 5 P.
21. Prof. Dr. Jens Reich, Berlin, 4 P.
24. Dr. Hans-Olaf Henkel, Vizepräsident BDI, Berlin, 4 P.
33. Otto Schily, Bundesminister des Inneren, Berlin, SPD, 3 P.
41. Dr. Felicitas Tesch, MdA Berlin, SPD, 3 P. (= Damenmeisterin)
45. Peter Müller, Ministerpräsident Saarland, CDU, 2,5 P.
49. Hans-Christian Ströbele, MdB, Bündnis90/Grüne, 2 P.
Berliner Bilderbogen:
Kamerateams: vorne Profi (große Kamera), dahinter Amateur (Homevideo)
Interviews: hinten Ströbele, vorne Schulz für Kohlmeyer (dpa)
Beerfeltz (Bundesgeschäftsführer der FDP) im Interview
Peter Müller
Otto Schily
Hans-Olaf Henkel
Hans-Jügen Beerfeltz
Ströbele hat Spaß!
Avi Primor
Berlin, Berlin
Fotos. André Schulz
Der P(r)otsdamer Platz ist die beste Adresse in
Berlin. Jeder der Geld hat, zeigt sich hier als Firma, z.B. auch die Bahn oder
die Gewerkschaft ver.di.
Der "Bahntower" zeugt von der großen Potenz des bürgernahen
früheren Staatsunternehmens.
Außerdem werden jedes Jahr neue Gebäude fertig.
Eckhaus
Schach-Fundstücke
Diese beiden Schachspiele gibt es im Berliner
Technikmuseum zu bewundern. Das Reiseschach stammt aus den Dreißiger Jahren.