Politische Wirren: Der Wettkampf Eliskases gegen Bogoljubow 1939

von Johannes Fischer
12.02.2019 – Vor 80 Jahren, am 12. Februar 1939, gewann Erich Eliskases in Mannheim einen Wettkampf gegen Efim Bogoljubow mit 11,5-8,5. Der Wettkampf ging über 20 Partien, fand in elf deutschen Städten statt und zeigt die politischen Wirrungen der damaligen Zeit. | Foto: Efim Bogoljubow (links), Erich Eliskases (rechts)

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Erich Eliskases: Ein vergessener Meister

2018 veröffentlichten Frank Zeller und Tim Hagemann unter dem Titel Vergessene Meister ein lesenswertes Buch mit Porträts von fünf Meistern, die in der Schachgeschichte in Vergessenheit geraten waren oder sind: Paul Saladin Leonhardt, Gercz Rotlewi, Mir Sultan Khan, Wladimir Petrow und eben Erich Eliskases.

Eliskases wurde am 15. Februar 1913 als Sohn eines Schneidermeisters in Innsbruck geboren und nach heutigen Maßstäben lernte er Schach erst relativ spät, im Alter von zwölf. Aber dann machte er rasch Fortschritte: "Mit 15 Jahren wurde Eliskases Tiroler Meister, mit 16 nationaler Meister, mit 17 vertrat er Österreich am dritten Brett auf der Schacholympiade 1930 in Hamburg." (Frank Zeller, Tim Hagemann, Vergessene Meister: Ein Lehr- und Lesebuch mit den besten Partien von Leonhardt, Rotlewi, Sultan Khan, Petrow und Eliskases, Schachverlag Kania 2018, S. 176). Eliskases’ Olympiadebüt war ein Erfolg: mit 11 Punkten aus 15 Partien verhalf er Österreich zu einem sehr guten vierten Platz.

1933 machte Eliskases sein Abitur und begann ein Studium an der Hochschule für Welthandel in Wien, das er aber 1934 abbrach, um Schachprofi zu werden. Er verdiente sein Geld als Redakteur der Wiener Schachzeitung, spielte Turniere und arbeitete als Sekundant für Euwe und später auch für Aljechin. Seine größten Erfolge feierte Eliskases in den Jahren 1938 und 1939.

[Er] konnte acht erste oder geteilte erste Preise gewinnen: Mailand, Nordwijk und Krefeld 1938, Bad Elster, Wien und Bad Harzburg 1939, dazu in beiden Jahren die ganz überlegenen Siege bei den Deutschen Meisterschaften in Bad Oeynhausen. Der Höhepunkt dieser Erfolgsserie und wohl auch der ganzen Schachlaufbahn von Eliskases war der klare Turniersieg in Nordwijk vor Keres, Pirc und Euwe, wobei er den ... Exweltmeister in der Schlussrunde ... bezwang. (Vergessene Meister, S. 179-180)

In diese Zeit fiel auch Eliskases’ Wettkampf gegen Efim Bogoljubow, der 1929 und 1934 gegen Aljechin um die Weltmeisterschaft gespielt hatte. Bogoljubow hatte beide Wettkämpfe verloren – den ersten mit 9,5-15,5, den zweiten mit 10,5-15,5 – aber galt immer noch als einer der besten Spieler der Welt und auch als einer der besten Spieler Deutschlands. Und so ging es beim Wettkampf zwischen Eliskases gegen Bogoljubow auch darum, wer der beste Spieler Deutschlands war, denn seit der Annexion Österreichs durch die Nationalsozialisten am 13. März 1938 spielte Eliskases für Deutschland und auch der im April 1889 in der Ukraine geborene Bogoljubow war Deutscher.

Allerdings sehr viel freiwilliger als sein Wettkampfgegner Eliskases. Bogoljubow war während des Ersten Weltkriegs bei einem Turnier in Mannheim interniert worden und nach dem Krieg in Deutschland geblieben. Er war nach Triberg im Schwarzwald gezogen und hatte eine Deutsche geheiratet. 1927 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und 1931 und 1933 gewann er die Deutschen Meisterschaften im Schach.

Doch anders als der in Österreich geborene Eliskases, der die Großdeutschen Meisterschaften 1938 und 1939 gewann, durfte Bogoljubow nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 nicht mehr an Deutschen Meisterschaften teilnehmen, denn er war zwar deutscher Staatsbürger, aber nicht „deutschen Blutes“. (Vgl. Wikipedia-Eintrag über Bogoljubow.)

Efim Bogoljubow | Foto: Wikipedia

Der Wettkampf Eliskases gegen Bogoljubow begann am 4. Januar, endete am 11. Februar, ging über 20 Partien und wurde in elf deutschen Städten ausgetragen: Berlin, Magdeburg, Regensburg, Nürnberg, Bamberg, Augsburg, München, Kaufbeuren, Triberg, Kaiserslautern und Mannheim.

Bogoljubow gewann die erste Partie, Eliskases die dritte, die Partien zwei, vier, fünf und sechs endeten mit Remis. Dann sorgte Eliskases mit drei aufeinander folgenden Siegen in den Partien sieben, acht und neun für eine Vorentscheidung. Vor allem die siebte Partie ist typisch für das positionelle, umsichtige, unspektakuläre, aber starke Schach Eliskases’.

 

Alle Partien

 

Mit diesem Sieg konnte Eliskases nicht nur behaupten, Deutschlands stärkster Schachspieler zu sein, sondern auch Ambitionen auf den Weltmeistertitel anmelden. Wie Hagemann und Zeller schreiben:

Den altberühmten Großmeistern wie Bogoljubow, Spielmann oder Tartakower war Eliskases mittlerweile deutlich überlegen, den jungen Weltmeisterschaftsaspiranten wie Keres, Fine oder Flohr dagegen zu dieser Zeit ebenbürtig. ... Es gab bereits Pläne für einen Titelkampf gegen Aljechin, denen der Weltmeister wohlwollend gegenüberstand. Aljechin sah sich nicht verpflichtet, zuerst gegen Keres, den Sieger des AVRO-Turniers 1938 anzutreten, und hielt Eliskases für einen würdigen Herausforderer. (Vergessene Meister, S. 180)

Doch dazu kam es nicht. Im August 1939 reiste Eliskases zur Schacholympiade nach Buenos Aires und am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die gesamte deutsche Mannschaft kehrte nicht nach Europa zurück, sondern blieb in Argentinien. Bei der Olympiade hatte Eliskases 9,5 Punkte aus 14 Partien am 1. Brett erzielt und damit wesentlich zum Olympiasieg der deutschen Mannschaft beigetragen, doch in Argentinien konnte er nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Dazu schreiben Hagemann und Zeller:

Schaut man nur auf die Resultate, so gelang es Eliskases in Südamerika, seine Schachkarriere nahtlos fortzusetzen, aber die vielen ersten Plätze in kleineren Turnieren täuschen. Eliskases spielte ... nurmehr auf Provinzbühnen, und als das internationale Schachleben nach 1945 wieder aufgenommen wurde, trat er zwar hier und dort wieder in Erscheinung, zur Weltspitze gehörte er indes nicht mehr. Vereinzelt kam Eliskases wohl noch zu bedeutenden Erfolgen, er gewann Mar del Plata 1948 ... gelangte 1952 ins Interzonenturnier und erhielt den Großmeistertitel der FIDE, schlug in Buenos Aires 1960 den noch jungen Bobby Fischer und führte die argentinische Mannschaft bei der Schacholympiade 1964 in Tel Aviv an. Aber es verhielt sich doch so, wie es Bent Larsen ... sagte: Vor dem Krieg hatte Eliskases WM-Format, danach war er ein starker und solider Großmeister. (Vergessene Meister, S.180-181).

1951 wurde Eliskases argentinischer Staatsbürger und 1954 heiratete er die Argentinierin Maria Esther Almedo. Eliskases starb am 2. Februar 1997 in Cordoba, Argentinien.

Erich Eliskases | Foto: Wikipedia

Efim Bogoljubow, Eliskases’ Gegner im Wettkampf von 1939, bereitete die deutsche Mannschaft zwar als Trainer auf die Schacholympiade in Buenos Aires vor, aber durfte aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze nicht für Deutschland spielen. Er blieb während des Krieges in Europa und zog nach einer Einladung des schachbegeisterten Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, nach Polen, wo er Schach spielte und unter anderem in der Krakauer Verwaltung als Übersetzer arbeitete. Als Generalgouverneur war Frank verantwortlich für die Verfolgung, Deportation und Ermordung Hunderttausender und nach dem Krieg wurde er beim Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg 1946 zum Tode verurteilt und am 15. Oktober hingerichtet.

Nach dem Ende nach der nationalsozialistischen Herrschaft durfte Bogoljubow wieder an Deutschen Meisterschaften teilnehmen und 1949 holte er in Bad Pyrmont seinen dritten Titel. Allerdings war Bogoljubow durch seinen Kontakt zu Frank und seine Arbeit im besetzten Polen politisch kompromittiert und stand nach Ende des Krieges im Verdacht, ein Anhänger der Nazis gewesen zu sein. So verlieh ihm die FIDE, die 1950 eine Reihe von starken Spielern mit dem Großmeistertitel auszeichnete – unter anderem Eliskases – den GM-Titel erst 1951. Bogoljubow starb am 18. Juni 1952 in Triberg.

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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