Deutschland gewinnt Gold bei Europameisterschaft!
Große Spannung bei der Europamannschaftsmeisterschaft,
besonders aus deutscher Sicht:
Nach langer Zeit spielte die deutsche Mannschaft in der Schlussrunde sogar um
die Goldmedaille. Die letzten Medaillengewinne der Deutschen bei großen
Mannschaftsturnieren liegen schon etwas zurück: Bei der Schacholympiade in
Istanbul 2000 lag Deutschland auch lange in Führung und gewann dann sensationell
die Silbermedaille. Im folgenden Jahre gab es bei der
Europamannschaftsmeisterschaft in Leon die Bronzemedaille.
Bei der Europamannschaftsmeisterschaft in Porto Carras spielte sich die deutsche
Mannschaft im oberen Bereich der Tabelle fest. Vor der Schlussrunde gab es nur
ein Remis, 2:2 gegen Israel und eine Niederlage 1:3 gegen Bulgarien. Alle
anderen Gegner wurden besiegt, darunter einige sehr starke: Montenegro, Ungarn,
Ukraine, Italien, Rumänien und Aserbaidschan.
Schon bei der Schacholympiade in Dresden 2008 hatte die deutsche Mannschaft in
ähnlicher Aufstellung stark gespielt, auch wenn es später für eine Medaille
nicht reichte. Vor der Schacholympiade in Khanty-Mansiysk 2010 gab es
Differenzen über die Antrittsvergütungen, die vor Beginn der Schacholympiade
auch nicht mehr beigelegt werden konnten. Deutschland wurde ohne seine
A-Mannschaft dort 64ster. Inzwischen haben Spieler und Verband wieder Einigung
erzielt und so konnte Bundestrainer Uwe Bönsch seine Wunschmannschaft zur
Europameisterschaft mitnehmen.
Die Diskussion um eine möglichst professionelle Vorbereitung der Mannschaft bei
den Wettkämpfen führte auch dazu, dass für die Europameisterschaft ein
"Eröffnungstrainer" verpflichtet wurde. Dies hatten sich die Nationalspieler
explizit gewünscht. Mit Rustam Kasimdzhanov konnte man für Porto Carras sogar
einen erstklassigen Sekundanten verpflichten. Kasimdzhanov lebt seit vielen
Jahren in Deutschland, spricht neben anderen Sprachen auch fließend deutsch und
würde, wenn nicht seine Verbundenheit zur usbekischen Heimat bestünde, wo er als
Nationalheld verehrt wird, sogar selber für Deutschland spielen. Somit passt er
ausgezeichnet zum deutschen Team und als einer der Sekundanten von Weltmeister
Anand in den letzten beiden WM-Kämpfen besitzt er ein ausgezeichnetes Portfolio.
Last, but not least sind Naiditsch, Meier, Gustafsson und Kasimdzhanov
Mannschaftskollegen beim deutschen Meister Baden-Baden.
In der Tat hatten die deutschen Spieler keine Probleme in der Eröffnung und
wirkten sehr gut vorbereitet. Die deutsche Mannschaft hing die Tätigkeit des
FIDE-Weltmeisters von 2004 nicht gerade an die große Glocke, machten aber auch
kein Hehl daraus. In seinen Zuschaltungen aus Porto Carras bei den
Zusammenfassungen von Klaus Bischoff lobte der Bundestrainer die Arbeit des
neuen Eröffnungstrainers und auch Arkadij Naiditsch brachte in einem Interview
nach den sensationellen Sieg der Deutschen über Aserbaidschan zum Ausdruck, wie
froh die Mannschaft ist, dass Kasimdzhanov ihnen zur Seite steht.
Für die heutige Schlussrunde, in die Deutschland als Zweite gegen den
Spitzenreiter Armenien ging, hatte der Bundestrainer gestern im Interview bei Klaus Bischoff
eine aggressive Marschroute ausgegeben: "Wir spielen auf Sieg! Wann haben wir
sonst eine solche Gelegenheit und bei dem Lauf, den die Mannschaft gerade hat,
ist alles möglich!"
Auch gegen Armenien kamen die Deutschen überraschend gut aus der Eröffnung.
Arkadi Naiditsch spielte gegen Levon Aronians Berliner Variante ein ganz
langweiliges Abspiel und bot Remis an - vermutlich entsprechend der taktischen
Marschroute der deutschen Mannschaft. Nach der Punkteteilung war der beste
Armenier aus dem Rennen genommen. In den übrigen drei Partien sah es schon bald
insgesamt nicht schlecht aus.
Jan Gustafsson hatte zwar an einem ziemlich wirkungslosen Läufer auf d5 zu
leiden, aber Daniel Fridman kam gegen Vladimir Akopian besser aus der slawischen
Eröffnung und Georg Meier stand mit seinem Klassischen Franzosen gegen Sergey
Movsesian bald ziemlich gut. Diese Französischen Variante wurde von Klaus
Bischoff als deutsche 100%-Variante bezeichnet, denn bisher gewannen die Deutschen
damit alle ihre Partien. Möglicherweise konnte Kasimdzhanov hier auch ein paar
Tipps geben, er ist ein großer Spezialist der Französischen Verteidigung und hat
drei DVDs dazu aufgenommen - witzigerweise aus der anderen Perspektive -- How to
beat (!) the French.
In der Partie Fridman gegen Akopian verpuffte der weiße Vorteil allmählich und
die Partie endetet im 21. Zug remis. Nach zweieinhalb Stunden sah es also
entweder nach einem Remis aus, wenn Georg Meier seine vorteilhafte Stellung
gewönne und Jan Gustafsson seine etwas schwierige Stellung verlöre, wobei die
Chance auf Meiers Gewinn viel realer war als ein Verlust von Gustafsson. Die
deutschen Schachfreunde durften träumen!
Zu diesem Zeitpunkt hatte Aserbaidschan gegen Rumänien mit 3:1 gewonnen und
stand für die Abschlusstabelle mit 14 Punkten und 23 Brettpunkten zu Buche. Das
bedeutete für Deutschland im Falle eines 2:2 höchstens die Bronzemedaille, bei
ebenfalls 14 Punkten und 22 Brettpunkten. Da Bulgarien gegen Ungarn auf Verlust
stand, waren die Bulgaren aus dem Rennen.
Schließlich führte Georg Meier seine gute Partie zum Sieg. Doch dann mussten die
Schachfreunde lange mit Jan Gustafsson zittern. Der Hamburger behielt die
Nerven und führte seine schwierige Position am Ende in ein theoretisches
Remisendspiel.
1) Naiditsch,Arkadij (2712) - Aronian,Levon
(2802) [C67]
18th European Teams Porto Carras GRE (9.1), 11.11.2011
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0–0 Sxe4 5.Te1 Sd6 6.Sxe5 Le7
7.Lf1 Sxe5 8.Txe5 0–0 9.d4 Lf6 10.Te1 Te8 11.Txe8+
½–½
(2) Movsesian,Sergei (2710) - Meier,Georg (2659)
[C11]
18th European Teams Porto Carras GRE (9.2), 11.11.2011
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.Sf3 Sc6 7.Se2
Le7 8.g3 0–0 9.Lg2 b5 10.Le3 Da5+ 11.Kf2 f6 12.c3 b4 13.Te1 bxc3 14.bxc3 La6
15.Lh3 f5 16.Ld2 Sb6 17.g4 Sc4 18.gxf5 exf5 19.Tg1 Tab8 20.Tg3 Sd8 21.Tb1 Sb2
22.Dg1 Se6 23.Ta1 Lxe2 24.Kxe2 Da6+ 25.Kf2 Sd3+ 26.Kg2 Sdxf4+ 27.Lxf4 Sxf4+
28.Kh1 Dh6 29.Lf1 c4 30.Df2 Tb6 31.Dc2 g5 32.Da4 g4 33.Dxa7 De6 34.Tg1 Kh8
35.Sd2 Tb2 36.Td1 Tg8 37.Lg2 Lh4 38.Da5 Lf2 39.Tgf1 Le3 40.Txf4 Lxf4 41.Sf1 Dh6
42.Dxd5 Lxh2 43.Dc6 Dxc6 44.Lxc6 Lf4 45.Te1 g3 46.Lg2 Tgb8 47
.a4
Tb1 48.Te2 T8b2 49.Txb2 Txb2 50.a5 Ta2 51.Lc6 Kg7 52.e6 Kf6
0–1
(3) Fridman,Daniel (2661) - Akopian,Vladimir
(2681) [D11]
18th European Teams Porto Carras GRE (9.3), 11.11.2011
1.Sf3 d5 2.c4 c6 3.d4 Sf6 4.Db3 dxc4 5.Dxc4 Lf5 6.g3 e6 7.Lg2
Sbd7 8.0–0 Sb6 9.Db3 Dd5 10.Sbd2 Le7 11.a4 Dxb3 12.Sxb3 a5 13.Se5 Lc2 14.Sc5
Lxc5 15.dxc5 Sbd7 16.Sxd7 Sxd7 17.Ld2 Ke7 18.Tfc1 Lg6 19.b4 axb4 20.Lxb4 f6
21.Ta2 Thd8
½–½
(4) Sargissian,Gabriel (2671) - Gustafsson,Jan
(2633) [D41]
18th European Teams Porto Carras GRE (9.4), 11.11.2011
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 c5 5.cxd5 Sxd5 6.e3 Le7 7.Ld3
Sc6 8.0–0 0–0 9.Le4 cxd4 10.exd4 Sf6 11.Lxc6 bxc6 12.Sa4 La6 13.Te1 Lc4 14.Se5
Ld5 15.Lg5 h6 16.Lh4 Sd7 17.Lxe7 Dxe7 18.Sxd7 Dxd7 19.Sc5 De7 20.Dh5 Tab8 21.b3
Tfd8 22.Tad1 Dg5 23.Dxg5 hxg5 24.f3 Td6 25.Kf2 f6 26.Th1 Kf7 27.h4 gxh4 28.Txh4
Tdd8 29.Tc1 Tb5 30.Ke3 Te8 31.Th5 Td8 32.g4 Tbb8 33.Tch1 Tb5 34.Tc1 Tbb8 35.Tc2
Tb5 36.f4 Tb4 37.Tch2 Tb5 38.Sd3 Tg8 39.g5 a5 40.Th7 a4 41.bxa4 Tb1 42.gxf6 Kxf6
43.a5 Ta8 44.Sc5 Txa5 45.a4 Ta7 46.Th8 Te1+ 4
7.Kd2
Tf1 48.Tf8+ Ke7 49.Thh8 Tf3 50.Te8+ Kf6 51.Thf8+ Kg6 52.Sd3 Txd3+ 53.Kxd3 Txa4
54.Ta8 Tb4 55.Tfb8 Tc4 56.Tb1 c5 57.dxc5 Txc5 58.Tg1+ Kf6 59.Tf8+ Ke7 60.Tg8 e5
61.T8xg7+ Kf6 62.fxe5+ Kxe5 63.T1g5+ Kf6 64.Kd4 Tb5 65.T5g6+ Kf5 66.Tg1 Ke6
67.T1g6+ Kf5 68.Tg1 Ke6 69.T7g6+ Ke7 70.T1g5 Lf7 71.Txb5 Lxg6 72.Ke5 Kf7 73.Tb7+
Kg8 74.Kf6 Le4 75.Tg7+ Kh8 76.Tg4 Lc2 77.Tg3 Le4
½–½
André Schulz