Prager Schach-Abenteuer
Von Brigitte Hort
Es hat schon eine lange Tradition, bevor wir wichtige Unternehmungen angehen, werden die Karten gelegt. Vlastimil ist da der Spezialist. Ich glaube er hat das Kartenlegen während seiner frühen Turnierjahre von einem alten Schachfreund in Jugoslawien erlernt. So hintergründig und blumig er in seinen Schachkommentaren ist, so geheimnisvoll und spannend interpretiert er auch die Karten. Ich sitze dann davor wie ein (un)gläubiges Kaninchen und rätsle heute noch immer, ob alles, was er erzählt, frei erfunden ist, oder ob die Karten wirklich jene magische Aussagekraft haben, die nur er versteht. Abergläubisch sind wir jedenfalls beide und einen Blick in die Zukunft wagen, wer würde das nicht gerne?
Vieles was Vlastimil in vergangener Zeit vorhergesagt hat, ist auch eingetroffen. "Wenn mit Schach irgendwann kein Geld mehr zu verdienen ist", witzelt er oft, "ziehen wir mit dem Wohnmobil durch die Lande und legen den Leuten die Karten."
Vor unserer Abreise zum Schachturnier "Legenden gegen Talente", anlässlich Vlastimils Buchveröffentlichung "Budu-li míti klickù" in Prag, wurden also die Karten gelegt.
Signierstunde mit Vlastimil Hort, David Navara (hinten) hat ein Buch ergattert
"Wie werde ich spielen, in welcher Laune wird Robert sein, wie die Stimmung zwischen uns beiden, wie wird das Buch ankommen und last but not least, welchen Ausgang wird die gesamte Veranstaltung nehmen?", waren die Fragen an die Karten.
PR-Strategisch war alles gut durchdacht. Start des Wettkampfes zwischen den Schachlegenden Robert Hübner/Vlastimil Hort und den jungen Talenten aus Tschechien, Tadeáš Kriebel/Van Nguyen, war auf Montag, den 16. Januar 2017 festgelegt. Vier Runden klassisches Schach sollten gespielt werden. Austragungsort: Hotel Galeria Royal in Prag . Dessen Prinzipal, Jaroslav Svoboda, ist ein großer Schachliebhaber und Fan von Vlastimil. Bisher waren dort nur Liga-Kämpfe ausgetragen worden, ein Event solcher Art noch nicht. Verständlich, dass die beiden Schachveteranen Hübner/Hort und ich als ehemalige PR-Frau bei Ankunft gleich die Räumlichkeiten inspizierten.
"Ach, Du Schreck", eine beliebte Redewendung von Vlastimil in kritischen Momenten, kam auch stante pede. Der Raum, in dem der Kommentar stattfinden sollte, war ziemlich nah am Turniersaal. "Wird es während der Partie nicht zu laut und unruhig werden", fragten sich die beiden auch gleich.
"Robert ist noch lärmempfindlicher als ich", war das erste was ich am nächsten Morgen von meinem Mann zu hören bekam, "wenn es dem Robert zu bunt wird, er sich wegen des Lärms nicht konzentrieren kann, kann allerhand passieren." Mein Mann war sehr besorgt, denn er erinnerte sich an den Wettkampf Hübner/Petrosjan. Sollte ich für Robert und natürlich auch für meinen Mann schnell noch Ohrstöpsel besorgen, waren sofort meine Gedanken.
Szenenwechsel - das gemeinsame Frühstück mit Robert. Ich unterhalte mich sehr gerne mit ihm, ist er doch, wie bekannt, sehr belesen. Es gibt immer etwas Neues von ihm zu lernen und dazu kurzweilig vorgetragen. Plötzlich der nächste Schock. Robert ist es nicht gewohnt, Partien um 17.00 Uhr zu beginnen. Leider waren die Plakate schon gedruckt und eine Zeitänderung nicht mehr möglich. Wie bloß kann ich Robert aufbauen? Während ich noch überlege, taucht Vlastimil auf und es kommt eine seiner typischen Schwejk`schen Spitzfindigkeiten: "Lieber Robert, wir sind wie die Bremer Stadtmusikanten, was kann uns Schlimmeres erwarten als der Tod!" Jetzt war ich sehr neugierig auf die erste Runde!
Nguyen-Hort
Kriebel-Hübner