Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
Matt setzen wie ein Samurai: Oliver Orschiedt (41) aus
Ludwigshafen möchte Shogi, die japanische Version des Schachspiels, auch bei uns
in Deutschland bekannt machen. Mit dem Inhaber eines Sanitätshauses hat Dr. René
Gralla gesprochen.
Dr. RENÉ GRALLA: Hierzulande haben wir schon das klassische Schach. Wozu
brauchen wir zusätzlich das japanische Schach?
OLIVER ORSCHIEDT: Die japanische Variante ist interessanter, wie ich finde.
Bauern und Offizieren, die ich der anderen Seite abnehme, darf ich in meine
eigene Truppe einreihen. Ständig bleiben also alle Einheiten im Spiel, teils auf
dem Brett, teils außerhalb, in der Reserve. Deswegen ist während einer Partie
Shogi immer einiges los, weil eroberte Steine - von einigen Ausnahmen abgesehen
- auf jedem freien Feld wieder eingesetzt werden können. Die Figuren fliegen ein
wie Fallschirmjäger und landen direkt im gegnerischen Camp. Das macht Shogi
deutlich dynamischer als das klassische Schach, schließlich müssen Sie ständig
mit Überfällen rechnen.
DR. R.GRALLA: Ist Shogi dann nicht zu schwer für normale Westler? Die finden
doch bereits das Standardschach ziemlich komplex und anstrengend.
ORSCHIEDT: Shogi müssen Sie halt eher intuitiv spielen. Denn Sie können einfach
nicht alle Zugmöglichkeiten berechnen. Beim Shogi handele ich häufig aus dem
Bauch heraus.
DR. R.GRALLA: Shogi ist in Japan äußerst populär. Die Topstars sind Profis und
werden sogar vom Staat bezahlt. Wenn wir berücksichtigen, dass Schach eine Art
Gehirnjogging ist: Könnte Shogi der Schlüssel sein, um die beinahe
sprichwörtliche Smartness und Effizienz der Japaner zu verstehen?
ORSCHIEDT: Vielleicht. Eine Kultur, in der strategische Spiele ein hohes Ansehen
genießen, hat mit Sicherheit einige Vorteile im globalen Wettbewerb.
DR. R.GRALLA: Nun möchten Sie quasi im Alleingang das ostasiatische Schach den
Bundesbürgern nahe bringen. Allerdings sind die Steine helle flache Plättchen
mit Schriftzeichen und sehen kaum massentauglich aus.
ORSCHIEDT: Das ist reine Gewohnheitssache, in ein paar Tagen haben Sie das
drauf.
DR. R.GRALLA: Wie sind Sie persönlich zum ersten Mal mit Shogi in Berührung
gekommen?
ORSCHIEDT: Das normale Schach spiele ich seit 25 Jahren, mein größter Erfolg war
die Pfalzmeisterschaft in der Saison 1983-84 mit der Jugendmannschaft meines
Dorfvereins. Als ich im Sommer 2005 via Internet ein großes Turnier im
tschechischen Pardubice verfolgt habe, bin ich zufällig auf Informationen auch
über Shogi gestoßen. Ich kannte diese Schachvariante nicht und habe weiter
recherchiert. Nachdem ich auf dem Schachserver ChessBase auch ein Interview des
„Neuen Deutschland“ mit der elsässischen Shogispielerin Stéphanie Delille
entdeckt und gelesen habe, war meine Neugier geweckt. Und ich wollte Shogi mal
ausprobieren.
Schach-Samurai aus der Pfalz: Oliver Orschiedt
DR. R.GRALLA: Die Leistungsklassen im Japanschach sind gestaffelt nach Kyu- und
Dan-Graden, vergleichbar dem Judo. Die Bandbreite reicht vom 15. bis zum ersten
Kyu und steigert sich anschließend vom ersten bis zum neunten Dan. Wo stehen Sie
aktuell?
ORSCHIEDT: Seit etwa 2005 ist als niedrigste Leistungsstufe der 20. Kyu
festgelegt; das steigert sich dann bis zum ersten Kyu und geht anschließend
weiter vom ersten bis zum sechsten Dan für Amateure. Die Profis haben ihre
eigenen Dan-Grade von eins bis neun, wobei der 1. Dan der Profis höher
anzusetzen ist als der 6. Dan der Amateure. Ich persönlich habe mein erstes
Shogi-Turnier erst vor einem Dreivierteljahr bestritten. Auf Anhieb bin ich als
siebter Kyu eingestuft worden. Zwischenzeitig habe ich den fünften Kyu
geschafft.
DR. R.GRALLA: Demnach marschieren Sie stramm auf den ersten Dan der Amateure zu
...
ORSCHIEDT: ... das wäre ein Lebensziel! (lacht)
DR. R.GRALLA: Wie viele aktive Shogi-Spieler gibt es in Deutschland?
ORSCHIEDT: Knapp vierzig.
DR. R.GRALLA: Ein exklusiver Club. Wie wollen Sie das ändern?
ORSCHIEDT: Das Potenzial ist da, schließlich betreiben an die 100 000 Leute
hierzulande ernsthaft und regelmäßig den Schachsport. Diejenigen, die häufiger
mal privat spielen, ohne in Vereinen organisiert zu sein, sind mit Sicherheit
deutlich mehr, ich gehe von über einer Million Fans aus. Wer das bekannte
westliche Schach liebt, könnte sich ebenfalls für die japanische Version
begeistern. Ich schätze, dass mindestens 50 Prozent auch das Shogi spannend
finden würden. Weil das japanische Schach dem westlichen Schach einerseits
ähnelt und andererseits zugleich in manchen Aspekten viel abwechslungsreicher
ist.
DR. R.GRALLA: Sie setzen auf das asiatische Flair des Shogi?
ORSCHIEDT: Die Exotik wird viele Leute reizen. Und für Jugendliche, die gerne
japanische Mangas lesen, dürfte es richtig cool sein, ein Spiel mit derart
kryptischen Zeichen zu beherrschen.
DR. R.GRALLA: Den Kids bieten Sie etwas Besonderes an. Neueinsteiger im
Normalschach können bestimmte Leistungsnachweise erwerben wie das Bauerndiplom,
und auch Sie haben vergleichbare Zertifikate für Shogi kreiert …
ORSCHIEDT: … bezogen auf alle Figuren, die zum Japanschach gehören, ein
Shogi-Bauern-Diplom, ein Lanzen-Diplom undsofort. Der Verband der
Japanschach-Aktiven, Shogi Deutschland, unterstützt diese Aktion. Die ist
zugleich ein Gemeinschaftsprojekt mit der französischen Shogi-Federation.
DR. R.GRALLA: Mithin grenzüberschreitend ein Beitrag zur deutsch-französischen
Freundschaft?
ORSCHIEDT: So ist es. Die Diplomurkunden werden zweisprachig ausgestellt, auf
deutsch und auf französisch. Die Prüfung dauert 15 bis 20 Minuten. Zum Test
gehören Regelkunde und die Lösung von Mattaufgaben.
DR. R.GRALLA: Außerdem möchten Sie die Gründung von Spielgruppen auch außerhalb
des Großraums Ludwigshafen auf den Weg bringen.
ORSCHIEDT: Das ist meine Vision. In jeder großen Stadt werden sich bestimmt
mindestens 100 Leute finden, die auf Shogi umsteigen.
DR. R.GRALLA: Sie haben eine eigene Website unter www.shoginet.de ins Netz
gestellt …
ORSCHIEDT: … die soll die verschiedenen lokalen Shogi-Szenen virtuell verlinken.
DR. R.GRALLA: Anfang Mai 2007 sind Sie präsent auf der so genannten „Hanami“ in
Ludwigshafen …
ORSCHIEDT: … das ist das japanische Kirschblütenfest. Dort organisieren wir
einen Shogi-Workshop und ein Turnier: die Stadtmeisterschaft und einen
Anfängerwettbewerb.
DR. R.GRALLA: Im Hauptberuf sind Sie selbständig, führen Ihr eigenes
Sanitätshaus. Sie sind Familienvater mit drei Kindern, und obendrein rühren Sie
die PR-Trommel für Shogi. Wie schaffen Sie das alles?
ORSCHIEDT: Die Zeit ist knapp, das ist wahr. Ich muss eben kreativ mit meinen
Terminen jonglieren.
DR. R.GRALLA: 2008 wird, sofern sich Sponsoren finden, die nächste
Amateur-Weltmeisterschaft in Japan ausgetragen. Da fliegen pro Land zwei
Dan-Träger und ein Kyu-Grad hin. Träumen auch Sie von der Shogi-WM in Tokio?
ORSCHIEDT: Ich werde mein Bestes geben, um mich für die Kyu-Gruppe zu
qualifizieren.
TU ES EINFACH ... - WIE ALMIRA UND WLADIMIR...
Smart werden wie die Japaner – mit Shogi-Spiel? Eine Vorstellung, die in der
notorisch konservativen Schachszene als erste Reaktion bloß Kopfschütteln
provozieren dürfte. Vielleicht wird der eine oder andere aber trotzdem noch
einmal genauer darüber nachdenken, wenn er erfährt, dass gerade Topathleten aus
der Superstarliga gerne über den Brettrand der 64 Felder hinausschauen und sich
von der mentalen Martial Art der Japaner inspirieren lassen. Zu den ganz Großen,
die gelegentlich Ausflüge in die spannende Welt des Shogi wagen, zählen
Weltmeister Wladimir Kramnik, GM Joel Lautier und einige weitere bekannte
Spieler.
Hermansson und Sasikiran
spielen bei der Schlussfeier eines Schachturniers....Shogi!
Das beste – und vor allem schönste - Argument für einen Flirt mit der Kampfkunst
aus dem Fernen Osten ist und bleibt jedoch unsere Lieblingssportlerin: die
bezaubernde Almira Skripchenko. Der Schach-Popstar hat 1999 sogar Moldawien
vertreten bei der ersten Amateur-Weltmeisterschaft im Schach der Samurai. Das
haben wir zufällig entdeckt auf der Teilnehmerliste des „1. Internationalen
Shogi-Forum“ vom 19. auf den 20. Juni 1999 in Tokio unter
http://gamelab.yz.yamagata-u.ac.jp/SHOGI/articlesmain.html
(Auszug aus der Teilnehmerliste)
The 1st International Shogi Forum
Kokusai Forum, Tokyo
June 19th and 20th, 1999
Group A:
++++++++
Cho Ul Cha Korea
Kisliuk Lev Ulianovich Russia
Larry Kaufman USA
...
Group B:
++++++++
Boris Mirnik Germany
...
Group C:
++++++++
Tanada Mayumi Japan
...
Shu Jen Don China
Group D:
++++++++
Irina Novikov Israel
...
Group E:
++++++++
...
Simon Morgan Australia
Alse Olufsen Norway
...
Group F:
++++++++
Hayashi Takahiro Japan
Les Blackstock England
Almira Scripcenco Moldova
George Fernandez USA
Group G:
++++++++
Eric Cheymol France
...
Viktor Tyshchenko Ukraine
Group H:
++++++++
...
Wisit Ngaolertloi Thailand
Aoki Mikio Brazil
...
Doch Almira Skripchenko ist nicht die einzige Frau, die sich durch Shogi
angezogen fühlt.
Auch die japanische Girl-Band "Shonen Knife"...
... spielt Shogi gegen ihre Fans, hier Brian Wald aus Kanada.
Wer möchte da nicht spontan nach Fernost aufbrechen und dem
Charme der Tokyo Girls erliegen?! Um womöglich - wie demnächst vielleicht der
Pfälzer Oliver Orschiedt bei der Shogi-WM 2008 zu punkten? Das Beste daran ist:
Die Qualifikation für das „Internationales Shogi-Forum 2008“ (so der offizielle
Name der Amateur-WM) ist machbar, was im Gegensatz dazu von den Titelkämpfen im
FIDE-Schach wohl niemand aus dem Amateur-Fußvolk ernsthaft von sich behaupten
kann.
Jeweils drei Vertreter eines Landes (zwei Dan-Grade und ein Kyu-Grad) fliegen
2008 zu den Shogi-Titelkämpfen, und die Japaner bezahlen das komplette Programm.
Da die Zahl der Japanschach-Samurais in Deutschland - gerade mal gut vierzig
Aktive - momentan überschaubar ist, sollte mit Trainingsfleiß und Siegeswillen
das Ticket für die Kyu-Klasse durchaus drin sein.
Das Projekt Shogi kann sich also sensationell auszahlen. Und sind wir dann erst
einmal in Tokio gelandet, ist der Spaß sowieso garantiert, in der abgefahrensten
Party-Metropole der Welt, egal, ob es tagsüber am Brett gut läuft oder nicht.
Die Nächte in Japans Hauptstadt sind lang und wild, in den Szene-Treffs Shibuya,
Shinyuku und Roppongi.
Das dürfte den letzten Zögerlichen auf Trab bringen. Deswegen jetzt eine...
Kurze Einführung in die Regeln des Shogi
Das Shogi-Brett hat 9x9 Felder, 17 mehr als im Standardschach, die Linien
reichen folglich von a bis i und die Reihen von 1 bis 9. Obwohl auch im Shogi
eine weiße Partei - japanisch: "Gote" - mit den schwarzen Verbänden - japanisch:
"Sente" - um die Vorherrschaft ringt, sind alle Steine bloß einfarbige flache
und vorne zugespitze Plättchen. Die Chips in Form von Pentagrammen tragen
Schriftzeichen, die angeben, um welche Spiel-Einheit es sich jeweils handelt.
Weist die Spitze einer dieser Flach-Figuren - wie bei einer mittelalterlichen
Attacke der Lanzenträger - , direkt auf mich, so weiß ich: Das ist der Feind.
Kehrt mir das Teil dagegen die stumpfe breite Hinterseite zu, in meine Richtung,
dann ist klar: Das ist unser Mann.
Der typisch japanische Look des Shogi soll jene für FIDE-Schachspieler zunächst
ungewohnte Regel praktikabel machen, dass eroberte Steine des Gegners hinterher
wieder zur Verstärkung der eigenen Truppen eingesetzt werden dürfen: durch so
genannte "Drops". Habe ich Kämpfer des Gegners gefangen genommen, werden die
Betreffenden sofort eingegliedert in meine eigene Reserve hinter der Front, das
heißt, zunächst außerhalb des Feldes, als Figur "in der Hand", englisch: "in
hand". Will ich die frisch gewonnene Verstärkung ins Gefecht werfen, platziere
ich sie auf einem freien Feld meiner Wahl, unabhängig von der Schrittfolge, die
normalerweise den Aktionsradius der Einheit definiert.
Beispiel: Nach frühzeitigem Läufertausch – international üblich für diese
Angriffsfigur ist die englische Bezeichnung „Bishop“ (Abk.: B) – auf der
Diagonale a1/i9 schon im zweiten Zug kriegen als Ergebnis der Transaktion sowohl
Weiß als auch Schwarz eine dieser beiden Angriffswaffen für "Drops" in die Hand.
Im dritten Zug kann Schwarz seinen Bishop zentral postieren auf dem Feld d5. Für
den derart attackierten Weißen ist das einer der gefürchteten "Shogi-Schocks",
die sich mit Überfallangriffen von Fallschirmjägern vergleichen lassen. Die
Notation für die beschriebene Läuferaktion aus heiterem Himmel lautet:
3. … B-d5 drops
In diesem Zusammenhang eine Klarstellung: Im Shogi eröffnet Schwarz das Match
gegen Weiß. Daher stehen Japanschachdiagramme aus westlicher Sicht "auf dem
Kopf": Weiß ist „oben“ angesiedelt, Schwarz „unten“.
WEISS ("GOTE")
i1 h1 g1 f1 e1 d1 c1 b1 a1
i9 h9 g9 f9 e9 d9 c9 b9 a9
SCHWARZ ("SENTE")
Übertragen wir nach einem Vorschlag von Douglas Crockford die japanischen
Figurensymbole in eine westliche Optik (siehe
www.crockford.com/chess/shogi.html), sieht die Anfangsstellung aus wie ein
Blick von Down Under in Richtung Rest der Welt.
i1 h1 g1 f1 e1 d1 c1 b1 a1
i9 h9 g9 f9 e9 d9 c9 b9 a9
Um aber die Gemeinsamkeiten zwischen japanischem und westlichem Schach zu
demonstrieren, drehen wir im Nachfolgenden die Shogi-Diagramme einfach um 180
Grad, so wie das in der FIDE-Community bewährt, beliebt und üblich ist.
SCHWARZ ("SENTE")
a9 b9 c9 d9 e9 f9 g9 h9 i9
a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 i1
WEISS ("GOTE")
Das internationalisierte Design von Douglas Crockford macht die Lage gleich viel
klarer.
Es hat sich weltweit eingebürgert, die Figuren mit deren englischen
Bezeichnungen zu definieren.
Die Einheiten von Weiß:
King e1; Gold Generals d1, f1; Silver Generals c1, g1; Knights b1, h1; Lances
a1, i1; Bishop b2; Rook h2; Pawns a3, b3, c3, d3, e3, f3, g3, h3, i3.
Die Einheiten von Schwarz:
King e9; Gold Generals d9, f9; Silver Generals c9, g9; Knights b9, h9; Lances
a9, i9; Bishop h8; Rook b8; Pawns a7, b7, c7, d7, e7, f7, g7, h7, i7.
Und so ziehen die Akteure im 81-Felder-Shogi-Quadranten:
Der "König" - englisch: "King" (Abkürzung: K) - operiert wie sein Kollege im
westlichen Schach. Die Rochade ist unbekannt; will sich der König verschanzen,
muss er sich in mehreren Schritten seitwärts in die Büsche schlagen und dort
rasch eine Burg ("Castle") bauen. Wird der Shogi-Herrscher attackiert, braucht
der Angreifer keineswegs "Schach" - japanisch: "ote!" - zu sagen, diese Warnung
ist unüblich, weil laienhaft. Sollte tatsächlich jemand die tödliche Bedrohung
seines Oberkommandierenden übersehen, kann der Shogi-Monarch einfach geschlagen
werden. Es ist freilich nicht überliefert, dass es jemals zu einem derart
unrühmlichen Ende einer Partie gekommen ist.
Der "Gold-General" - englisch: "Gold General" (G) - bewegt sich ähnlich wie sein
Chef, der König; allerdings mit der Einschränkung, dass die beiden rückwärtigen
Diagonalfelder (nach hinten schräg links bzw. schräg rechts) für den
hochrangigen Offizier off limits sind. Der "Silber-General" - englisch: "Silver
General" (S) - zieht diagonal jeweils ein Feld pro Schlagwechsel; alternativ
darf sich die Figur um ein Feld vorwärts bewegen.
Der "Springer" - englisch: "Knight" (N) - galoppiert wie ein Pferd im
FIDE-Schach, jedoch mit deutlich eingeschränktem Radius. Der Ritter kann Ziele
allein bekämpfen auf den beiden Feldern, die er erreicht mit einer Bewegung um
ein Feld vorwärts plus ein Feld entweder diagonal nach halblinks oder nach
halbrechts. Nehmen wir einen weißen Panzerreiter, der bereits die Position d5
erreicht hat: Der Reisige visiert dann die Punkte c7 und e7 an, darf aber
ansonsten weder nach seitwärts links (b6) oder rechts (f6) ausbrechen
(geschweige denn sich feige zurückziehen
Auf den FIDE-Schachturmpositionen in den Ecken an der Peripherie sehen wir die
"Lanze" - englisch. "Lance" (L) - , die sich bewegt wie eine schwere
mechanisierte Einheit, deren Lenkung ausgefallen ist. Die Lanze kann auf ihrer
Linie allein nach vorne preschen; ein Rückzug oder laterale Operationen sind
ausgeschlossen.
Der "Turm" - englisch: "Rook" (R) - rollt wie das westliche Gegenstück, ist aber
nur einmal vorhanden. Entsprechendes gilt für den einsamen "Läufer" - englisch:
"Bishop" (B) - , der ebenfalls ohne Kompagnon auskommen muss.
Auf den Reihen a3 - i3 (Weiß) und a7 - i7 (Schwarz) ist die Infanterie
aufmarschiert. Ein Shogi-"Bauer" - englisch: "Pawn" (P) - zieht wie ein Landmann
im FIDE-Schach, vorausgesetzt, er will keinen Gegner einkassieren. Soll der
Shogi-Bauer einen feindlichen Stein aus dem Verkehr ziehen, schlägt er ebenfalls
direkt geradeaus zu, nicht schräg nach vorne links bzw. rechts wie im westlichen
Schach.
Die beiden Bauernreihen der Shogi-Anfangsstellung markieren zugleich die Grenzen
jener zwei Promotionszonen für Weiß respektive Schwarz, wo alle Figuren, sobald
sie den betreffenden Sektor erreicht haben, befördert werden können. Für Weiß
ist die entscheidende Demarkationslinie die Horizontale a7 - i7, für Schwarz die
Laterale a3 - i3 . Allein König und Goldgeneral werden nicht befördert. Schafft
eine Einheit den Vorstoß in die Promotionszone, wird der betreffende Symbolstein
einfach umgedreht; auf der Rückseite markiert ist der neue Dienstgrad, den der
beförderte Stein fortan trägt. Der Vorgang der Beförderung wird deutlich gemacht
durch Anhängen des Zusatzes à „(promotes)" ß in Klammern direkt an die
Aufzeichnung der konkreten Figurenbewegung. Bei einem Folgezug erhält die
Einheit, deren Wirkungsgrad entsprechend gesteigert worden ist, ein zusätzliches
à „pr.“ ß dem Figurenkürzel vorangestellt.
Bauer, Lanze, Ritter und Silbergeneral, die befördert worden sind, stürzen sich
als "pr. P", "pr. L", "pr. N" beziehungsweise "pr. S" erneut ins Getümmel und
fechten jeweils wie ein "Gold-General". Der aufgewertete Turm erlangt den Rang
eines "Drachenkönigs" - englisch: "Dragon King" (Abkürzung: "pr. R") - und
beherrscht zusätzlich, ergänzend zu seinen Standardfeldern als Schwerfigur,
jeweils das diagonal nächstgelegene Feld. Der Läufer mit Promotion verwandelt
sich in das feurige "Drachenpferd" - englisch: "Dragon Horse" (abgekürzt: "pr.
B") - , das nicht nur diagonal traben, sondern eventuellen Widerstand auch auf
dem jeweils vertikal und horizontal in alle vier Richtungen angrenzenden Feld in
Grund und Boden stampfen kann. Abschließend ein wichtiger Hinweis für den Fall,
dass eine beförderte Einheit dem Feind in die Hände fällt: Zur Strafe wird sie
zurückgestuft auf ihren ursprünglichen Dienstgrad vor der Promotion.
Wer das Vorstehende aufmerksam gelesen hat, kann sein erstes Match Shogi wagen.
Und das sollte entspannt angegangen werden, weil Königsangriffe gleich mit den
ersten Zügen im Shogi praktisch ausgeschlossen sind. Der Grund: Durch die
weitgehend freie zweite Reihe hat der Shogi-Herrscher in der Grundstellung
reichlich Auslauf, ein "Narrenmatt"-Überfall kann deswegen im Normalfall nicht
zum Erfolg führen.
Anders sieht die Lage natürlich aus in einem späteren Stadium der Partie,
nachdem beide Seiten schnelle Eingreifreserven für Luftlandeunternehmungen in
die Hand bekommen haben. Da schlägt das Verhängnis oft gnadenlos drein wie ein
Blitz aus heiterem Himmel. Bis dahin ist es jedoch meist ein weiter Weg, so dass
selbst ein unerfahrener Spieler gegen einen Shogi-Routinier mit Würde eine
angemessene Zahl von Zügen durchhalten kann, die es ihm erlauben, sogar im Fall
der unvermeidlichen Niederlage asiatisch cool das Gesicht zu bewahren.
Während die übrigen Schachvarianten - angefangen mit dem FIDE-Original und
dessen ewegem Anfängerschreck (1.f3?! e5 2.g4??? Dh4# bis hin zu
chinesischem, thailändischem und gar arabischem Schach - alle ihr "Fool's Mate"
kennen nach spätestens drei Zügen, ist ein derart rasches Aus im Shogi technisch
nicht möglich.
Das denkbar kürzeste Matt verlangt mindestens acht (!) Züge nach Eröffnung der
Partie. Und das lässt sich auch nur dann realisieren, sofern der Weiße, aus
welchen Gründen auch immer, beschlossen hat, "Seppuku" zu begehen am Brett der
Samurai. Schließlich ist "Seppuku" die speziell japanische Art des
ritualisierten Suizides,bei dem sich der Betreffende, nachdem er zuvor noch ein
Todesgedicht geschrieben hat, einleitend den Bauch aufschneidet - jenes bekannte
"Harakiri", mit dem unwissende Gaijin, die Ausländer, fälschlich die Aktion
insgesamt bezeichnen (was von traditionsbewussten Japanern als Beleidigung
aufgefasst werden kann). Anschließend schlägt ein hinter dem
Selbstmordkandidaten stehender Assistent, der Kaishaku-Nin, dem Mann mit einem
Schwert das Haupt ab, um dessen Leiden abzukürzen.
Weniger abträglich für das physische Wohlbefinden ist Seppuku im Shogi. Name der
Eröffnung: "Genshi Sujichigai Kaku", das heißt, der "Einfache
Parallel-Diagonalläufer".
"Genshi Sujichigai Kaku" - "Der einfache Parallel-Diagonalläufer".
1. … Pg7–g6
Schwarz legt los und öffnet mit dem Vorgehen des g-Bauern für seinen Läufer -
japanisch: "Kakugyo", das bedeutet wörtlich "Eckengeher" - die Diagonale h8/d4.
Der Oberkommandierende von "Sente" heißt auf Japanisch "Gyokusho", übersetzt:
"Juwelen-General"; die weiße Armee wird befehligt vom "Osho", dem "Königlichen
General".
2.Pc3-c4 ...
Weiß zieht nach, der weiße "Kaku" auf b2 - Kurzform für "Kakugyo" - und sein
schwarzer Widerpart h8 belauern sich auf der jetzt offenen langen Diagonalen
b2/h8.
2. ... Bh8xb2 (promotes)
Nachdem der schwarze Läufer h8 den weißen Opponenten auf b2 gefangengenommen hat
- 2. ... Bh8xb2 (promotes) - , verfügt Sente über eine mobile Eingriffreserve in
Gestalt eines Kaku, der bereit steht für den Absprung ins Getümmel. Der
frühzeitige Abtausch der beiden Diagonalwaffen ist allerdings wenig beliebt,
weil er eigentlich die Entwicklung von Gote befördert.
3.Rh2xb2? ...
Nach 2. … Bh8xb2 (promotes) hat Schwarz sogar seinen Läufer auf b2 in ein
Drachenpferd - japanisch: "Ryuma" - verwandeln können. Das ist jedoch ein
äußerst kurzfristiger Erfolg gewesen: Der weiße Turm - japanisch: "Hisha",
wörtlich übersetzt: "fliegender Wagen" - rauscht ran und schnappt sich den
Eindringling. Der wandert seinerseits - zurückgestutz auf das Normalmaß als
Läufer - in die Etappe von Sente. Trotzdem hätte Weiß die schwarze
Angriffseinheit besser mit seinem linken Silber-General - japanisch: "Ginsho" -
aus dem Weg räumen sollen: 3.Sc1xb2! ... .
3. ... B-e6 drops?!
Der Läufer fliegt ein als Paratrooper. Besser wäre zwar 3. ... B-d5 drops!
gewesen mit einer Läufergabel auf die ungedeckten Bauern f3 und c4 (nicht
vergessen: der vom schwarzen Kaku, der plötzlich auf d5 aufgetaucht ist,
unmittelbar bedrohte weiße Infanterist c4 kann allein auf das geradeaus vor ihm
liegende Feld c5 ausweichen respektive dort zuschlagen, anders als im
FIDE-Schach aber nicht den auf d5 postierten schwarzen Läufer erreichen). Dass
Sente den schwarzen Läufer über e6 abspringen lässt, hat jedoch einen tieferen
Sinn: Da der schwarze Kaku über die kurze Diagonale e6/h3 den weißen Bauern h3
bedroht, soll der rechte weiße Gold-General - japanisch: "Kinsho" - nach g2
gelockt werden, um dem Infanteristen h3 zur Hilfe zu eilen.
4.Gf1-g2 ...
General Gold verteidigt den Fußsoldaten h3.
4. ... Rb8-f8
Sente ist nicht daran interessiert, den weißen Bauern c4 abzuräumen. Vielmehr
möchte Schwarz den Weißen dazu provozieren, ihm den Gote-Turm auf der f-Linie
gegenüberzustellen: ein nicht unüblicher Zugwechsel im Shogi, selbst wenn die
betreffende Horizontale - wie hier - durch mehrere Steine (noch!) verstellt sein
sollte.
5.Rb2-f2?!?! ...
Die kleine Provokation hat funktioniert: Reflexhaft postiert auch Gote seinen
Turm auf der f-Linie. Weil im Shogi, bei dem Profi-Partien oft über zwei Tage
gehen, Angriffe meist von langer Hand geplant werden müssen.
5. ... Pf7-f6
Sente will unbedingt den weißen Turm auf f2 festhalten und schiebt deswegen den
f-Bauern vor, um einen vom Turm f8 unterstützen Rammstoß gegen f3 vorzutäuschen.
6.B-e2 drops?!?!? ...
Weiß sieht Gespenster und möchte den Stützpunkt f3 von hinten befestigen.
Anschließend könnte der Aufzug 6.Pd3-d4 ... den Bauern c4 durch den Läufer e2
absichern.
6. ... Nh9-g7
Der linke schwarze Ritter - japanisch: "Keima", übersetzt: "Lorbeer-Pferd" -
trabt los von seiner Startposition h9. Denn Sente hat plötzlich eine Vision ...
7.Ke1-f1?!?!? ...
Weiß erkennt, dass es schwierig sein wird, eine Burg auf dem linken Flügel zu
bauen, weil er zu viele Einheiten halbrechts massiert hat. Und so kommt Gote auf
die - suizidale - Idee, sich ein zentrales Castle zu zimmern. Vielleicht ist das
alles aber auch nur inszeniert: Seppuku im Shogi - der erste Streich ...
7. ... Ng7-f5
Schwarz ist schon lange nicht mehr interessiert am kümmerlichen weißen Kameraden
auf c4. Sente möchte Gote vom Seppuku bestimmt nicht abhalten ...
8.Gd1-e1?!?!?! ...
Die zentrale weiße Burg ist vollendet: Seppuku im Shogi - der zweite Streich ...
8. ... Nf5xe3
Der Kaishaku-Nin waltet seines Amtes - auf e3 (Diagramm).
Die Koordinaten der finalen Position:
Weiß - Lance a1 , Knight b1, Silver General c1, Gold General e1, King f1, Silver
General g1, Knight h1, Lance 1; Bishop e2, Rook f2, Gold General g2; Pawn a3,
b3, d3, f3, g3, h3, i3; Pawn c4;
Schwarz - Knight e3; Bishop e6, Pawn f6, Pawn g6; Pawn a6, b6, c6, d6, e6, h6,
i6; Rook f8; Lance a9, Knight b9, Silver General c9, Gold General d9, King e9,
Gold General f9, Silver General c9; Lance i9; in der Hand: 1 Pawn.
Nach dem Verständnis des FIDE-Schachs ist Weiß "matt". Um seinen Triumph auch
formal zu vollenden, müsste Sente allerdings eigentlich erst noch im nächsten
Zug mit seinem schwarzen Ritter e3 dem Osho von Weiß auf e1 den entscheidenden
Stoß versetzen. So weit würde es Weiß allerdings nie kommen lassen, daher ist
spätestens jetzt alles vorbei:
0:1.
Das ist virtuelles Seppuku: das totale Aus im Shogi nach acht Zügen.
Mit der fatalen Position des Pferdes auf e3 ist auf dem Shogi-Brett zugleich
eine verrückte Parallele komponiert worden zum FIDE-Schach, nämlich zu einer
berühmten Kurzpartie aus den 20-er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Weiß: Amateur
Schwarz: Frédéric Lazard
Paris um 1922
1.d4 d5 2.b3 Sf6 3.Sd2 e5 4.dxe5 Sg4 5.h3? Se3!
Das Diagramm mit dem schwarzen Springer auf e3 ähnelt der Abschlussposition des
Shogi-Seppukus. Bloß mit dem Unterschied, das Lazards Reiter hier nicht den
weißen Oberkommandierenden, sondern dessen Dame bedroht: ein Schlag, der
trotzdem letal ist, weil es am Ende doch dem weißen König an den Kragen geht.
6. Aufgabe 0:1
Falls nämlich 6.fxe3 ..., dann wird Weiß matt gesetzt mit 6. ... Dh4+ 7.g3 Dxg3#
0:1 . Wer sich mit Shogi beschäftigt, kann deswegen hinterher auf manche Idee
auch im Westschach kommen - wobei wir natürlich nicht wissen, ob Maître Lazard
das Japanschach gekannt hat.
Wobei wir an dieser Stelle die Kontroverse nicht noch einmal vertiefen wollen,
ob es sich bei der soeben gezeigten Zugfolge tatsächlich um die authentische
Version der Schachminiatur von Lazard handelt. Durch die Literatur geistert noch
eine zweite Version, die angeblich sogar der französische Meister Aimé Gibaud
gegen Lazard in Paris 1924 folgendermaßen verpatzt haben soll: 1.d4 Sf6 2.Sd2 e5
3.dxe5 Sg4 4.h3 Se3! 5.Aufgabe 0:1 .
Wie dem auch sei: Der Parallel-Fall aus dem Westschach demonstriert, wie nahe
sich die FIDE-Version und das Samurai-Schach stehen.
So let's do the Shogi - die Tokyo-Girls üben schon ,,,
Dr. René Gralla, Hamburg/Germany
------------------------------------------------------------------------------------------
Weitere Infos: www.shoginet.de