Psychoanalyse des Schachspielers

von ChessBase
13.12.2004 – Die Psychoanalyse des Schachspielers würde sicher erstaunlich Erkenntnisse hervorbringen. Bisher gibt es jedoch nur wenige Schriften zu diesem Thema. Zu umfangreich, zu kompliziert, zu entlarvend? Eine solche Arbeit ist jedoch Reuben Fines Psychologie des Schachspielers (1956). In diesem hat sich der Autor bei seiner Beschreibung von Paul Morphy im Wesentlichen auf ein Essay gestützt, das der englische Freud-Biograph Ernest Jones 1930 veröffentlicht hatte. Ernest Jones Schrift Das Problem des Paul Morphy liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung, angefertigt von Thomas Lemanczyk, vor. Mehr...

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Schach und Psychoanalyse

   Unbestritten ist der Nutzen zahlreicher Erkenntnisse aus der psychoanalytischen Forschung für die Psychotherapie sowie für die Erklärung von Fehlleistungen im Leben der Gesunden. Etliches von dem was SIEGMUND FREUD (1856-1939) und die von ihm begründete psychoanalytische Schule seit ihrem Erscheinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts an seinerzeit Staunenswertem (Unbewußtes, etc.) zu sagen hatten, ist heutzutage Allgemeingut geworden.

   Zieht man dies in Betracht, so bleibt es schwer zu verstehen, wieso so viel Widerwillen und Ablehnung nach wie vor gegenüber der Lehre und manchen ihrer Erklärungen vorherrscht, zwar nicht mehr in gleicher Heftigkeit wie zu FREUDS Lebenszeit, aber dennoch. Aus seiner therapeutischen Praxis ist FREUD ein enormer Erfahrungsschatz erwachsen, der ihm, gemeinsam mit seiner umfassenden kulturellen Bildung und seinem enormen Scharfsinn zur Grundlage seiner Psychoanalyse wurde. Seine Schriften umfaßten nicht allein die klinische Praxis, sondern befaßten sich gleichfalls mit Problemen der Kultur, die mit psychoanalytischer Terminologie zu deuten versucht wurden. Nicht nur die Psyche des Patienten fand die Aufmerksamkeit FREUDS sondern ebenso manches interessante Material menschlicher Kultur. Er schrieb Monographien über das Leben des LEONARDO DA VINCI und MICHELANGELOS, wofür sich weit mehr der Begriff Materialanalyse zu eignen scheint.

   Eine solche Materialanalyse fertigte der Brite, FREUD-Schüler sowie FREUD-Biograph ERNEST JONES (1879-1958) im Jahre 1930 über PAUL MORPHY an. Großmeister REUBEN FINE (1914-1993), Autor der Psychologie des Schachspielers (1956), fußte in eben diesem Werk auf JONES’ sehr unterhaltendem Essay (dies nicht allein auf die Erkenntnisse über MORPHY beschränkt).

   „(...) [Es] kommt uns das Bedenken, daß wir einen Menschen, der ein außerordentlicher Könner auf einem bestimmten Gebiet ist, darum doch nicht ohne weiteres einen großen Mann heißen würden. Gewiß nicht einen Meister des Schachspiels (!) (...)“, heißt es ganz unvermittelt in FREUDS Werk Der Mann Moses und die monotheistische Religion, im Jahre 1939 (hier zitiert nach Ausgabe Frankfurt/Main 1997, S. 110). Sollte dies ein Naserümpfen des Meisters über die Auswahl der JONES’SEN Themen sein? Jedenfalls schrieb Jones (leider) nicht mehr über Schach.

  Es liegt erstmals eine deutsche Übersetzung dieser ersten psychoanalytischen Schrift zu einem Schachmeister vor.




ERNEST JONES: Das Problem des PAUL MORPHY
[1]
Ein Beitrag zur Psychologie des Schachs

(Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Lemanczyk)

   PAUL MORPHY wurde am 22. Juni 1837 in New Orleans geboren; er hatte eine sechseinhalb Jahre ältere und eine zweieinviertel Jahre jüngere Schwester sowie einen zweieinhalb Jahre älteren Bruder.[2] Sein Vater war Spanier, aber von irischer Abstammung, seine Mutter war französischer Herkunft.

   Als PAUL zehn Jahre alt war, brachte ihm sein Vater, selbst kein bedeutender Spieler, Schach bei. Nach ein bis zwei Jahren erwies er sich als stärker als sein älterer Bruder EDWARD, als sein Vater, als sein Onkel mütterlicherseits und als sein Onkel väterlicherseits, der zu dieser Zeit der Schachkönig von New Orleans war. Eine Partie ist überliefert, die er, einem Augenzeugen gemäß, an seinem zwölften Geburtstag blind gegen seinen Onkel gespielt und gewonnen haben soll. Im selben Alter spielte er gegen zwei Meister von internationaler Reputation, die sich zu dieser Zeit in New Orleans aufhielten. Einer der beiden war der berühmte französische Spieler ROUSSEAU, mit dem er etwa fünfzig Partien spielte und volle 90 Prozent gewann. Der andere war der ungarische Meister LOEWENTHAL, einer aus dem halben Dutzend bester damals lebenden Spieler; von den beiden gespielten Partien gewann der junge PAUL eine, die andere endete remis. Nach dieser Periode wurde für etwa acht Jahre nur wenig ernsthaftes Schach gespielt, da er seinen Studien nachging; sein Vater gestattete ihm zwar gelegentlich an Sonntagen zu spielen, aber mit Ausnahme des Richters MEEK, dem Präsidenten des Amerikanischen Schachkongresses, gegen den er als Siebzehnjähriger sechs Partien gewann, stieß er nur auf  klar unterlegene Gegner. Sein Onkel hatte bis dahin New Orleans in Richtung Westen verlassen, ROUSSEAU war anderweitig unabkömmlich, und PAULS Bruder, Vater und Großvater haben Schach aufgegeben als er noch Teenager war. So ist möglicherweise die Behauptung wahr, daß er zu dieser Zeit auf niemanden traf, dem er nicht einen Turm hätte vorgeben können, mithin also auf niemanden, von dem er etwas hätte lernen können. Im Jahre 1851 wurde das erste internationale Schachturnier ausgerichtet, das ANDERSSEN als Sieger verließ, und 1857, als MORPHY gerade zwanzig Jahre alt war, fand eins in New York statt. Er errang mit Leichtigkeit den ersten Platz, wobei er bloß eine von siebzehn Partien verlor. Er spielte während seines Aufenthalts in New York hundert Partien mit den besten dortigen Spielern, verlor davon nur fünf. Unter Umständen, auf die wir bald unsere Aufmerksamkeit lenken werden, besuchte er im folgenden Jahr London und Paris; seine dortigen erstaunlichen Leistungen lesen sich wie ein Märchen. Er schlug nicht bloß jeden Meister, ANDERSSEN eingeschlossen, den er zum Spiel bewegen konnte, sondern er gab auch eine Reihe staunenswerter Blindsimultanvorstellungen gegen jeweils ausgewählte acht Spieler, wobei er die große Mehrheit der Partien gewann. Gegen Ende seines Paris-Aufenthaltes schlug er den gesamten konsultierenden Versailler Schachklub in einer von ihm blind geführten Partie. Nach seiner Rückkehr nach New Orleans erklärte er, gegen jeden auf der Welt unter Vorgabe spielen zu wollen. Als er hierauf  keine Erwiderung erfuhr, erklärte er seine Kariere als Schachspieler, die gerade einmal 18 Monate – einschließlich der sechs Monate öffentlichen Spiels – andauerte, für endgültig und unwiderruflich beendet.

   Über die tatsächliche Spielstärke MORPHYS wollen wir später etwas sagen, doch für den Moment genügt mitzuteilen, daß die meisten der kompetenten Beurteiler ihn für den größten Schachspieler aller Zeiten erklärten. Nach seinem überaus verfrühten Rückzug vom Schach begann er, wie sein Vater, als Jurist zu praktizieren. Aber obwohl er viel Geschick in dieser Arbeit zeigte, blieb er in der Praxis erfolglos. Schrittweise fiel er in einen Zustand der Zurückgezogenheit und Introversion[3], der in einer unverkennbaren Paranoia kulminierte. Im Alter von 47 Jahren starb er an einer plötzlichen ‚Blutstauung im Gehirn’[4], vermutlich einem Schlaganfall, wie auch sein Vater vor ihm.

   Es stellt sich das offenkundige Problem, in welchem Verhältnis denn – bzw. ob überhaupt davon gesprochen werden kann – seine tragische Neurose zu den höchsten Leistungen stand, die er in seinem Leben erbrachte, zu Leistungen, für die sein Name in der Schachwelt für immer erinnert werden wird. Allgemein glaubte man, die exzessive Beschäftigung mit Schach hätte sein Gehirn angegriffen, doch seine Biographen, natürlich Schachenthusiasten, die bestrebt waren, das Ansehen ihrer geliebten Beschäftigung zu wahren, beteuerten voll Überzeugung, daß dem in keiner Weise so wäre. Angesichts dessen, was wir bisher über ihn erfahren haben, möchten wir es allerdings für unmöglich halten, daß es keinerlei nähere Verknüpfung zwischen der Neurose, die notwendig etwas zu tun hat mit dem Kern der Persönlichkeit, und den großartigen Sublimierungsanstrengungen, die MORPHYS Namen unsterblich gemacht haben, geben sollte. In Erwägung dieses Problems beginnen wir mit einigen Gedanken über die Natur der in Frage stehenden Sublimierung[5].

   Schon die flüchtigste Begegnung mit Schach offenbart, daß es sich bei ihm um einen Spiel-Ersatz für die Kunst des Krieges handelt, und tatsächlich war es eine der Lieblingserholungen einiger der größten militärischen Führer von WILLIAM dem Eroberer bis NAPOLEON. Im Wettstreit der beiden gegnerischen Armeen entfalten sich, gleichsam wie in einem tatsächlichen Krieg, Strategie und Taktik; vonnöten sind hier die gleiche Voraussicht und Rechenkraft sowie die gleiche Fähigkeit zum Vorausahnen der gegnerischen Pläne. Die Konsequenzen gefällter Entscheidungen ereilen den Spieler mit gleicher Strenge, wenn nicht sogar mit noch rücksichtsloserer. Über all dies hinaus ist deutlich, daß das unbewußte Motiv, welches die Spieler antreibt, nicht die bloße, für alle Konkurrenzspiele charakteristische, Liebe zur Kampflust ist, sondern das weit grimmigere des Vatermordes. Es ist wahr, daß das ursprüngliche Ziel des Fangens des Königs aufgegeben wurde, aber vom Gesichtspunkt des Motivs, ausgenommen hinsichtlich der Roheit, ist das jetzige Ziel der Kastration durch Bewegungsunfähigkeit kein nennenswerter Wechsel. Die Geschichte des Spiels und seine Benennungen haben für uns bestätigendes Interesse. Die Autoritäten scheinen darin überein zu stimmen, daß das Spiel seinen Ursprung in Indien hat, von wo es nach Persien gelangte, dessen arabische Eroberer es vor ungefähr 1000 Jahren nach Europa vermittelten. Sein erster Name, von dem alle anderen abgeleitet wurden, war im Sanskrit Chaturanga, wörtlich: vier Glieder. Dies war zugleich das indische Wort für ‚Armee’, vielleicht wegen seiner vier Bestandteile aus Elefanten, Streitwagen, Pferden und Fußsoldaten. Die alten Perser kürzten den Namen Chaturanga ab in Chatrang, und ihre arabischen Nachfolger, die weder den Anfangs- noch den Endlaut dieses Wortes in ihrer Sprache besaßen, wandelten es ab in Shatranj. Als das Spiel später in Persien wiederauftauchte muß das Unbewußte mit im Spiel gewesen sein, denn der Name wurde nun abgekürzt in Schah, eine offensichtliche Anpassung an den Namen des persischen Shah = König fand statt; ‚Schach’ bezeichnet demnach das königliche Spiel oder das Spiel der Könige. Shah-mat, unser ‚Schachmatt’, englisch ‚check-mate’, französisch ‚échec et mat’, bedeutet wörtlich ‚der König ist tot’. Zumindest die arabischen Schreiber glaubten dies und die meisten europäischen Autoren folgen ihnen darin. Moderne Orientalisten allerdings sind der Auffassung, daß das Wort ‚mat’ persischen und nicht arabischen Ursprungs ist und daß ‚Shah-mat’ ‚der König ist gelähmt, hilflos und besiegt’ bedeute. Wieder macht dies aus der Sicht des Königs nur einen sehr geringen Unterschied.

   Im Mittelalter wurde eine interessante Neuerung, die beiläufige Erwähnung verdient, in die Regeln des Schachs eingeführt. Zu Seiten des Königs steht eine weitere Figur, die ursprünglich sein Berater gewesen war, Persisch Firz (Türkisch Vizier). Da seine Hauptbeschäftigung nicht im Kämpfen sondern im Beraten und Verteidigen lag, war er in seiner Beweglichkeit die schwächste Figur auf dem Brett. Sein einziger Zug verlief ein Feld diagonal. Im Mittelalter wechselte er stufenweise sein Geschlecht, machte damit die gleiche Wandlung durch wie der Heilige Geist, und wurde bekannt als Regina, Dame, Queen usw. Es ist nicht bekannt, warum dies geschah. FRERET, ein Autor des 18. Jahrhunderts, der über Schach schrieb, behauptete, eine Verwechslung der Wörter ‚Fierge’, französisch für Firz, und ‚Vierge’ müsse stattgefunden haben. Weit allgemeiner wurde angenommen, daß der französische Name für das Damespiel, dames, Anlaß für die Umtaufe gab, da dies die einzige Figur war, in die sich der Bauer umwandeln konnte sobald er die achte Reihe erreichte und er zuweilen auch ‚un pion damé’ genannt wurde. Etwa in der Mitte des 15. Jahrhunderts folgte dem Geschlechtswandel auch ein enormer Machtzuwachs, sodaß diese Figur heute stärker ist als irgendwelche zwei anderen zusammen. Wie auch immer die Wahrheit hierzu aussehen mag, die von mir erwähnten linguistischen Vermutungen jedenfalls lassen dem Psychoanalytiker das Ergebnis des Wandels klar werden: im Angriff auf den Vater bietet die Mutter (=Dame) die größtmögliche Unterstützung.

   Es ist an dieser Stelle sicherlich die Bemerkung angebracht, daß die mathematische Qualität des Spiels ihm eine besonders anal-sadistische[6] Natur verleiht. Die außerordentliche Reinheit und Exaktheit der richtigen Züge[7], besonders in den Problemaufgaben, wird vereint mit  unerbittlicher Forcierung in späteren Stufen und kulminiert im gnadenlosen dénouement[8]. Überragende Meisterschaft auf der einen Seite mißt sich mit auswegloser Hilflosigkeit auf der anderen. Zweifellos ist es dieses anal-sadistische Charakteristikum, das das Spiel so wohlgeeignet macht zur gleichzeitigen Befriedigung sowohl der homosexuellen als auch der antagonistischen Aspekte der Auseinandersetzung zwischen Sohn und Vater. Unter diesen Umständen wird es verständlich, daß eine ernste Partie eine bedeutende Belastung für die psychische Integrität darstellt und daß sie wahrscheinlich jede Unvollkommenheit charakterlicher Entwicklung enthüllt. Alle Spiele sind dazu geeignet, von Zeit zu Zeit durch unsportliches Verhalten Schaden zu nehmen, das heißt mittels einer Sublimierung, die sich einer Regression zu ihrem asozialen Ursprung unterzieht; im Schach ist die Spannung allerdings außergewöhnlich hoch und sie wird durch den Umstand erhöht, daß ein besonders hoher Standard korrekten Benehmens verlangt wird.

   Es ist interessant, diese psychologischen Erwägungen mit historischem Material zu vergleichen, das Aussagen darüber enthält, in welcher Weise religiöse Autoritäten das Spiel aufnahmen. VAN DER LINDE und MURRAY, die beiden größten Autoritäten auf dem Gebiet der Schachgeschichte, behandeln mit Verständnis die indische Überlieferung, die Buddhisten hätten Schach erfunden. Es ist verständlich, daß die erste Erwähnung des Spiels in Zusammenhang mit dem Bollwerk der Buddhisten steht. In der Vorstellung der Buddhisten sind Krieg und Mord an Mitmenschen, gleich zu welchem Zweck, kriminelle Akte und die Strafe die den Krieger in der nächsten Welt erwartet wird weit schlimmer sein, als die für den einfachen Mord; deshalb, so die Legende, erfanden sie Schach als einen Ersatz für den Krieg. Damit erschienen sie als Vorläufer von WILLIAM JAMES[9], der den Vorschlag unterbreitete, dem Kriege ähnelnde Ersatzmittel einzuführen, womit er ganz im Einklang mit der psychoanalytischen Lehre von den Verschiebungen der Effekte stand. Ins gleiche Horn stößt ST. J. G. SCOTT, wenn er eine burmesische Geschichte erzählt, in der eine Königin der Talaing[10] aus Liebe zu ihrem Gemahl das Spiel erfand um ihn durch diese Ablenkung vom Krieg abzuhalten. Die ganze Geschichte erscheint dennoch ambivalent, weil andererseits gleichfalls die Ansicht geäußert worden ist, Schach sei von einem chinesischen Mandarin, HAN-SING,  erfunden worden um seine im Winterlager untergebrachten Soldaten zu erfreuen. Eine Legende aus Ceylon besagt, RAVAN, die Gattin des Königs von Lanka hätte das Spiel erfunden um ihren Gemahl von der Belagerung seiner Hauptstadt abzulenken. Andererseits verhängte um das Jahr 1000 ein sittenstrenger Regent Ägyptens, bekannt als MANSAR, ein Edikt, das Schach verbot. Im Mittelalter wurde Schach weithin populär. Die kirchliche Haltung ihm gegenüber scheint weitestgehend negativ gewesen zu sein. Die Statuten der Kirche von Elna beispielsweise besagten, daß Geistliche, die Schach duldeten, ipso facto zu exkommunizieren wären. Zum Ende des 12. Jahrhunderts verbot der Bischof von Paris den Geistlichen sogar, in ihrem Haus ein Schachbrett aufzubewahren; im Jahre 1212 verdammte das Konzil von Paris es vollständig; etwa 40 Jahre später verhängte der Hl. LUDWIG, der fromme König von Frankreich, eine Strafe über jeden, der es wagte Schach zu spielen. Als JAN HUSS sich in Gefangenschaft befand, bedauerte er Schach gespielt zu haben, da er sich damit der Gefahr ausgesetzt hatte, jetzt das Opfer brutaler Gewalt zu werden.

   Ich komme nun zurück zu PAUL MORPHYS Problem und gebe zunächst einige Erläuterungen zu seinen persönlichen Eigenschaften und einige Charakteristiken seines Spiels. Von seiner Erscheinung war er klein, bloß 1,65 m groß, mit ungewöhnlich kleinen Händen und Füßen, von schlanker, graziler Gestalt und ‚einem Gesicht wie ein junges, noch nicht 20jähriges, Mädchen’ (F. M. EDGE). FALKBEER, der ihn kannte, bemerkte über ihn: „Man würde ihn eher für einen Schuljungen in seinen Ferien halten als für einen Schachmeister der den Atlantik überquerte zum ausschließlichen Zwecke, einen großen Meister nach dem anderen, die größten Meister, die die Welt damals kannte, zu besiegen.“ Er hatte ein anziehendes Auftreten und ein reizvolles Lächeln. Sein Benehmen war auffallend bescheiden. Es ist überliefert, daß er bloß zwei Herausforderungen an andere Spieler aussprach. Mit einer beängstigenden Intuition wählte er zu diesen Ausnahmen die Herren STAUNTON und HARRWITZ, die einen so unheilvollen Einfluß auf sein Leben nehmen sollten. Selbst in der unangenehmsten Meinungsverschiedenheit, dies sei hier vorangestellt, bewahrte er die größte Höflichkeit und Würde. Während des Spiels war er ganz ungerührt und seine Augen waren starr aufs Brett gerichtet; seine Gegner stellten fest, daß, sobald er vom Brett aufsah – was er ohne jeden Anflug von Jubel in den Augen tat – , dies bedeutete, daß er die Stellung bereits bis zum unvermeidlichen Ende vorausgerechnet hatte. Seine Geduld schien unerschöpflich zu sein; EDGE, sein erster Biograph, berichtet, er hätte den berühmten PAULSEN ein oder zwei Stunden über einen einzigen Zug nachdenken sehen, während MORPHY ruhig wartend dasaß ohne das geringste Unbehagen zu äußern. Er schien unempfänglich für Müdigkeit, und ich möchte nun eine Begebenheit schildern, die sowohl seine Ausdauer belegt als auch zwei weitere seiner Eigenschaften: sein erstaunliches Gedächtnis – welches er im Übrigen auch für Musik besaß – und seine sinnliche Vorstellungskraft, die eine Eigenschaft ist, die Schachspieler mit Musikern und Mathematikern gemein haben. Diese Geschichte wird von EDGE, der damals als sein Sekretär tätig gewesen war, erzählt und betrifft eine Vorstellung, die er als 21-Jähriger im Café de la Régence in Paris, das damals das Mekka aller Schachspieler auf der Welt war, gab. Er spielte acht Partien simultan ohne Ansicht des Brettes gegen starke Gegner, die außerdem reichlich beratende Unterstützung durch eine anwesende Menge sachkundiger Spieler erfuhren. Es dauerte sieben Stunden bis der erste von ihnen besiegt wurde und der Wettkampf selbst dauerte zehn Stunden, während derer MORPHY auf jeglichen Imbiß und sogar auf Wasser verzichtete. Zum Ende gab es einen Vorfall schrecklicher Aufregung, als MORPHY größte Mühe hatte, sich der Ovationen in den Straßen zu entledigen und ins Hotel zu flüchten. Dort schlief er dann gut, aber um sieben Uhr morgens rief er seinen Sekretär, diktierte ihm alle Züge jeder gespielten Partien und erörterte mit ihm mögliche Folgen Hunderter hypothetischer Varianten. Man wird zustimmen müssen, daß bloß ein Verstand, der mit außerordentlicher Leichtigkeit arbeitet, befähigt ist, eine solch erstaunliche Leistung zu vollbringen. Dies war auch keineswegs eine isolierte Leistung, die durch übermäßige Erregung veranlaßt worden wäre. Es gibt nur wenige derart erschöpfende Beschäftigungen über Schach hinaus, und die Anzahl derer, die sich drei oder vier Stunden lang konzentrieren können, ohne die Belastung zu spüren, ist nicht sehr groß. Jedoch, von MORPHY ist bekannt, daß er ununterbrochen von neun Uhr morgens bis Mitternacht an vielen aufeinanderfolgenden Tagen spielte, wobei sein Spiel nicht im mindesten schwächer wurde und er keinerlei Anzeichen von Müdigkeit zeigte. In Begriffen der Psychoanalyse deutet dies auf eine besonders außergewöhnliche Stufe der Sublimierung hin, denn eine psychologische Situation die einen solchen Freiheitsraum ermöglicht, kann nur dann eintreten, wenn keine Gefahr für  einen unbewußten Konflikt oder ein Schuldgefühl besteht.

   Es ist nicht leicht, MORPHYS Qualitäten als Schachspieler in anderen als allgemeinen Worten zu beschreiben, wenn man keine Kenntnis der Schachtechnik voraussetzen möchte. Ich hoffe, daß die Verallgemeinerungen, die ich im weiteren wagen werde, in bestimmten Maße als zuverlässig angenommen werden; wir besitzen zu allen Ereignissen reichlich Daten, zu denen wir Verallgemeinerungen machen können, denn es haben sich etwa 400 Partien MORPHYS erhalten, und eine ausgedehnte Literatur, in der nachfolgende Autoritäten kritische Anmerkungen zu den einzelnen Zügen machten, ist erwachsen.

   Vorab sei mitgeteilt, daß es verschiedene Schachstile gibt, die teils vom Temperament und Ziel des Spielers abhängen und teils von den Bedingungen unter denen er spielt. Um es etwas gröber auszudrücken: Es hängt davon ab, ob jemand mehr Wert aufs Gewinnenwollen oder aufs Verlustvermeiden legt. In Turnieren beispielsweise, bei denen Niederlagen schwer bestraft werden, kann es sich auszahlen, auf wenige Siege und viele Remisen zu spielen als auf mehr Siege, aber gleichzeitig auf das Risiko mehrer Niederlagen einzugehen. Diese beiden Extreme sind vertreten durch einen vernichtenden aber riskanten Angriff einerseits und ein ermüdendes, passives Einmauern andererseits. Natürlich vereint der ideale Spieler das jeweils Beste beider Haltungen in sich. Eine zeitlang stärkt er seine Kräfte, weniger aus defensiven Erwägungen, sondern vielmehr um in die stärkste Aufstellung zu gelangen, die ihm Angriff verspricht. Ein Spieler mag in beiden Aktivitäten auf der Höhe sein, die Stärkung seiner Position mag aber auch bloß defensiven Charakter haben, dann wird jede Möglichkeit zum Angriff eher als purer Zufall auftreten. Im Schach gibt es – wenn wir das gegenwärtige „hyper-moderne“ Spiel beiseite lassen – zwei wohlbekannte Stile, bekannt als das kombinatorische und das positionelle Spiel, die von manchen auch als übereinstimmend mit dem romantischen und klassischen Temperament bezeichnet werden. In dem Zeitabschnitt, mit dem wir uns jetzt beschäftigen, etwa der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, gab es bloß das erstgenannte, das letztgenannte ist tatsächlich erst das Produkt der letzten 50 Jahre. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Methoden, zumindest in ihren ausgeprägtesten Formen, könnte veranschaulicht werden anhand der Gegenüberstellung eines geschickt vorgetragenen Angriffs in einer Schlacht und einer langwierigen Belagerung. Das Ziel der kombinatorischen Methode ist es, eine fachkundige Gruppierung seiner Figuren zu finden, die einen wohlgeordneten Angriff auf den gegnerischen König erlaubt, während das der positionellen Methode ein mehr vorsichtiges – letztlich aber vernünftigeres – ist: nämlich das stufenweise Aufbauen einer sicheren Stellung und das Ausnutzen der leisesten Schwäche in der gegnerischen Stellung, wo auch immer diese auftreten mag.

   Zweifellos besaß MORPHY in höchstem Maße die Gaben, die einen Meister des kombinatorischen Spiels auszeichnen, nämlich Voraussicht, Rechenkraft und die Fähigkeit, die gegnerischen Absichten zu erraten. Einige seiner Partien sind in dieser Hinsicht Meisterwerke, denen nur selten gleich getan werden konnte, und tatsächlich ist der weitverbreitete Eindruck unter Schachspielern der, daß er einen ausgeprägt stürmischen Angriffsstil hatte. Gewiß würde man nun erwarten, daß jemand, der über solche Gaben verfügte und dessen Leistungen sich bereits in einem derart jungen Alter einstellten, seine Erfolge einem ungewöhnlichen Genie mit ausgeprägten Qualitäten hinsichtlich Intuition und Abenteuerlust, die die Jugend stets anspricht, verdanke. Allerdings ist es nun eine interessante Tatsache, und zwar eine, die helles Licht auf die Psychologie MORPHYS wirft, daß er weit über diesen Stil hinausgriff, und faktisch als der Pionier des positionellen Stils rangiert, obwohl es STEINITZ war, der später als erster die Prinzipien desselben entwickelte. Es war ein glücklicher Zufall, daß der einzige Spieler in der Geschichte, der MORPHYS Genie im kombinatorischen Spiel gleichkommen konnte, auf der Höhe seiner Karriere war als er sich MORPHY zum Kampf stellte: ANDERSSEN, der bis dahin als bester Spieler der Welt und damit praktisch als Weltmeister galt, obwohl dieser Titel formal erst eine Dekade später eingeführt wurde. Über die beiden Männer sagt MURRAY: „Beides sind Spieler mit seltener Phantasie, ihrem Spiel kam niemand gleich an brillantem Stil, Schönheit der Ideen und Tiefe der Anlage. In MORPHYS Fall glänzten diese Fähigkeiten als Folge seiner bloßen Genialität auf, bei ANDERSSEN als Resultat langer Praxis und Studien.“ In seinem Buch Die neuen Ideen im Schachspiel erklärte RÉTI in erhellender Weise, daß MORPHYS Sieg über ANDERSSEN weniger dank größerer Brillanz im eben erwähnten Sinne zustande kam, sondern dank dessen, daß er seine Methode der Brillanz auf die Grundlagen reiferen positionellen Spiels stellte. Es muß eine bemerkenswerte Szene gewesen sein zu beobachten, wie dieser schlanke Jüngling den großen, stämmigen, in seinen Vierzigern stehenden Teutonen durch reiferes und tieferes Verstehen besiegte und nicht in der traditionellen Weise des jungen Helden, der einen Giganten mittels kühner Phantasie übermannte, denn gerade in dieser Hinsicht waren sich die beiden ebenbürtig und unübertrefflich. Das Interesse an dieser Beobachtung liegt für unseren Zweck darin, daß sie ein Anzeichen dafür liefert, daß Schach in MORPHYS Verständnis eine reine Erwachsenenbeschäftigung sein müsse und der erzielte Erfolg nur die Folge der ernsthaften Beschäftigung eines erwachsenen Mannes und nicht des aufmüpfigen Ehrgeizes eines Jungen sein könne. Ich werde später noch erwähnen, daß die Erschütterung, die er in dieser Auffassung erfuhr, einer der Faktoren war, die zu seiner mentalen Katastrophe führten.

   MORPHY war in so hohem Maße Meister in allen Aspekten des Spiels und so frei von Eigenheiten und individuellen Besonderheiten in seinem Stil, daß es nicht einfach ist, eine besondere Charakteristik herauszustellen. Es ist in der Tat wahr, daß Schach, wie alle Spiele, übersättigt ist mit unbewußtem Symbolismus. Man könnte beispielsweise die Geschicklichkeit kommentieren, die er in Angriffen von hinten auf den König zeigte, oder im Separieren des gegnerischen Königspaars; letzteres ist, nebenbei erwähnt, illustriert durch die überhaupt erste seiner aufgezeichneten Partien, die er gegen seinen Vater spielte. Aber solche Details sind für unsere Zwecke belanglos, denn schachliche Überlegenheit beruht eher auf der Synthese außerordentlicher Fähigkeiten als auf dem Geschick in irgendeiner besonderen List oder Methode. Sorgfältige Erwägung des Gesamten von MORPHYS Spielweise führt, wie ich glaube, zu der unbestreitbaren Schlußfolgerung, daß ihr herausragendes Charakteristikum eine geradezu unglaubliche höchste Zuversicht war. Er wußte, als ob dies das natürlichste und einfachste wäre, daß er zum Siegen verpflichtet war und handelte aufs ruhigste entsprechend diesem Wissen. Als die Amerikaner, die ihn spielen sahen, prophezeiten, daß er (in gleicher Weise wie ANDREA DEL SARTO zu RAPHAEL[11] sagte) ihnen „den Schweiß auf die Stirn beschert“, höhnten die europäischen Spieler und sahen in diesen Ankündigungen bloß gewöhnliches amerikanisches Geschwätz und die einzige Frage, die ihren Sinn beschäftigte war, ob es die Sache wert sei, ihre Spitzenspieler gegen diesen Jugendlichen antreten zu lassen. Für jeden, der weiß wieviel eifrige Betätigung und Erfahrung erforderlich sind um zu einem gewissen Spielstärkegrad im Schach zu gelangen, könnte nichts vollkommen unwahrscheinlicher sein als daß ein Anfänger, und dies war PAUL MORPHY, der sich auf diesen mühseligen Pfad begab, eine derartige Karriere in Europa haben könnte, wie sie es schließlich wurde. In aller Gelassenheit und unerschütterlicher Zuversicht kündigte er seine künftigen Siege vor der Abfahrt aus seiner Heimatstadt sogar an. Solche Anmaßung könnte begründeterweise als Größenwahn ausgelegt werden, wenn nicht die heikle Tatsache bestehen würde, daß dies vollkommen begründet war. Nach hause zurückgekehrt, weit entfernt von Stolzesröte, bemerkte er, keineswegs so Ordentliches geleistet zu haben, wie er eigentlich sollte; in gewissem Sinne traf dies auch durchaus zu: Als er einige Male trotz Erkrankung spielte, machte er sich einiger schwacher Züge schuldig, die unter seinem normalen Niveau lagen, was ihn sogar einige Partien zu kosten kam. Es überrascht nicht, daß sein Spiel, ausgestattet mit solchem Selbstvertrauen in seine Stärke, gekennzeichnet war durch Mut und sogar Dreistigkeit in seinen Zügen, sodaß sich zunächst der Eindruck von übertriebener Abenteuerlust einstellte, vielleicht sogar von riskantem Wagemut, ehe dann die Sicherheit in seiner Berechnung wahrnehmbar wurde. Seine Furchtlosigkeit war natürlich bestechender, wenn er es mit relativ schwächeren Spielern zu tun bekam. Hier konnte er mir sichtbarer Rücksichtslosigkeit vorgehen, verschwenderisch eine Figur nach der anderen wegschleudern, bis dann in einer unerwarteten Wendung seine ihm verbliebene kleine Armee plötzlich den coup de grâce gewann; bei einer solchen Gelegenheit gelang ihm einmal die außerordentliche Leistung, mit der Ausführung der Rochade matt zu setzen. Seine Kühnheit und sein Verständnis für die Wichtigkeit des Positionsgefühls beim Schachspiel äußern sich auch in zwei weiteren wohlbekannten Charakteristiken seiner: seine Hochschätzung der frühzeitigen und kontinuierlichen Figurenentwicklung und seine Bereitschaft zu Opfern für eine bessere Figurenstellung. Es gibt eine Geschichte, vielleicht unecht, die besagt, daß er als Kind so bemüht gewesen sei, seine Figuren vorwärts zu bringen, daß er die Bauern als ein Ärgernis empfand, das er so schnell wie möglich zu beseitigen trachtete: was für ein Unterschied doch zum großen PHILIDOR, der in den Bauern die Seele des Schachs sah! Es ist unter allen Umständen recht passend, daß mit dem Namen ‚MORPHY-Eröffnung’ im Schach folgender Plan getauft wurde: Was als MUZIO-Eröffnung[12] bezeichnet wird, ist charakterisiert durch einen kühnen Angriff, in dem ein Springer im fünften Zuge geopfert wird um einen Positionsvorteil als Kompensation zu erhalten. In der MORPHY-Eröffnung folgt Weiß ebenfalls zunächst dieser Taktik, opfert aber außerdem noch einen Läufer, so daß diese Eröffnung auch manchmal als ‚Doppel-MUZIO’ bezeichnet wird.[13] Es sind nur sehr wenige Menschen zu finden, die über genügend Selbstvertrauen in ihre Angriffskunst verfügen um direkt zu Beginn so große Materialopfer zu wagen. Sogar die nach ihm benannte Verteidigung, die MORPHY-Verteidigung der Spanischen Partie[14], eine so nützliche, daß sie in über zwanzig mit Namen versehene Varianten ausgearbeitet worden ist, ist die aggressivste der zahlreichen Verteidigungen in dieser Eröffnung.

   Das Schachgefühl, falls man diesen Begriff gebrauchen möchte, war MORPHY weit mehr angeboren als anerzogen. Er las eine ganze Mange, gab aber nach der Lektüre jedes Buch sofort zurück. Er sagte selbst, daß kein Autor für ihn von Wichtigkeit war und daß er „erstaunt war, zu sehen, daß einige Positionen und Lösungen als neuartig angegeben wurden (bestimmte Züge, die zu bestimmten Ergebnissen führen, etc.), da er selbst längst die gleichen Schlußfolgerungen gezogen hatte, allerdings als notwendige Konsequenzen“ (EDGE). MACDONNELL, der sein Spiel in London sah, schrieb später darüber in seinen Schach Lebens-Bildern (Chess Life-Pictures): „Ich sah mit Lust, wie er jedesmal den richtigen Zug augenblicklich erkannte und bloß darum abwartete um teils dem Gegner Respekt zu erweisen, teils um sich seiner Korrektheit zu versichern, sich sozusagen doppelt zu versichern und sich selbst daran zu gewöhnen, unter allen Umständen eine ernsthafte Haltung zu wahren.“ Die folgende Geschichte legt die eigentliche Frage nach der Methode dar, mittels welcher geistige Berechnung überhaupt vonstatten geht. Im berühmten 17. Zug seiner Vierspringerspiel-Partie gegen PAULSEN am 8. November 1857 bot MORPHY seine Dame zum Tausch gegen den Läufer seines Gegners an. Natürlich argwöhnte PAULSEN eine Falle und nahm aufs sorgfältigste alle Möglichkeiten in Augenschein. Nachdem er über eine Stunde über der Stellung gegrübelt hatte und keine Falle entdeckte, nahm er das Opfer an und wurde elf Züge später zur Aufgabe gezwungen.[15] Jahre später fertigte STEINITZ eine komplette Analyse der Position an und schloß, daß die Möglichkeiten, die dem Opfer folgten, zu zahlreich und zu kompliziert gewesen wären, als daß ein menschliches Gehirn in der Lage wäre, diese abzusehen. Es fragte übrigens einer der Zuschauer MORPHY sofort nach der Partie, ob er vom besagten Zug bis zum Ende hatte durchrechnen können; auf seine Frage bekam er folgende rätselhafte Antwort: „Ich wußte, daß es PAULSEN eine Menge Probleme bereiten würde.“ Zweifellos hatte STEINITZ  in seinen Schlußfolgerungen recht, soweit das Bewußtsein angesprochen ist, aber man muß sich fragen dürfen, ob das sogenannte intuitive Schach nicht eine besondere vor-bewußte Rechenkraft voraussetzt. Die Experimente, die MILNE BRAMWELL ausführte[16], belegen, daß die unbewußte Kapazität für arithmetische Berechnungen, durch Hypnose getestet, bei weitem die bewußte Kapazität übertrifft, und dasselbe mag sehr gut auch auf das Berechnen von Schachzügen zutreffen.

   Wir dürfen nun annehmen, daß diese bemerkenswerte Verquickung von Können und Selbstvertrauen nichts anderes als ein direkter Vertreter der Hauptströmung der Libido war, dazu bestimmt, die besten Lösungen aller Konflikte, auch im tiefsten Verlauf der Persönlichkeit, zu finden. Es bleibt nun zu folgern, daß jede Störung einer so unabdingbaren Ausdrucksmöglichkeit der Persönlichkeit Veranlassung geben würde, seine Integrität in große Gefahr zu bringen; und dies belegten auch in der Tat die Ereignisse. Unsere Kenntnis der unbewußten Motive des Schachspielens sagt uns, daß das einzige was es repräsentiert, der Wunsch ist, den Vater in einer akzeptablen Weise zu überwältigen. Für MORPHY gab es drei essentielle Bedingungen, die notwendig waren um diese Akzeptierbarkeit zu schaffen: daß besagte Tat in freundschaftlicher Weise angenommen wird; daß sie ehrenwerten Motiven zugeschrieben wird und daß sie angesehen wird als eine ernsthafte Beschäftigung Erwachsener. Wir werden sehen, daß jede dieser Bedingungen auf heftigste verletzt wurde während seines schicksalhaften Besuchs in Europa, und wir werden versuchen, die seelischen Folgen aufzuspüren. Zweifellos ist es bedeutsam, daß MORPHYS erhebende Odyssee in die höheren Reiche des Schachs gerade ein Jahr nach dem – unerwartet plötzlichen – Tod seines Vaters begann[17], welcher ein großer Schock für ihn gewesen ist. Wir möchten vermuten, daß seine glänzende Sublimierungsleistung, ähnlich SHAKESPEARES Hamlet und FREUDS Traumdeutung,[18] eine Reaktion auf dieses kritische Ereignis war.

   Ich werde jetzt die kritische Phase in MORPHYS Leben detaillierter ins Auge fassen und sehe mich als erstes dazu genötigt, diejenigen unter Ihnen, die mit der Schachgeschichte nicht vertraut sind, in Kenntnis über einige der führenden Persönlichkeiten jener Zeit zu setzen. In diesem Zusammenhang sind sechs Personen zu erwähnen: vier von ihnen wurden freundschaftliche Bewunderer MORPHYS, die beiden anderen bereiteten ihm ein psychologisches Problem, dem er nicht gerecht wurde.

   Der zeitlich erste in dieser Reihe war LOEWENTHAL, mit dem MORPHY bereits erfolgreich spielte als er noch ein Kind war. LOEWENTHAL machte weitere Fortschritte seitdem und gewann auf dem Birminghamer Turnier, das während MORPHYS Englandbesuch vonstatten ging – an dem MORPHY aber nicht teilnahm –, den ersten Preis, obwohl auch STAUNTON und SAINT-AMANT unter den Teilnehmern waren. In einem Wettkampf, den man zwischen den beiden arrangierte, schlug MORPHY ihn deutlich und LOEWENTHAL wurde ein verläßlicher Freund und Bewunderer, der in der unglücklichen Kontroverse, von der jetzt die Rede sein wird, auf seiner Seite stand. Er sagte vorher, daß die Schachwelt MORPHY, sobald seine Partien im Druck vorliegen würden – eine Aufgabe, die LOEWENTHAL später selbst erfolgreich besorgte –,  ihn als den besten aller lebenden und nicht mehr lebenden Schachspieler ansehen würde. Die Einsätze im LOEWENTHAL-Match betrugen je 100 ₤ von beiden Seiten. Nachdem er gewonnen hatte, beschenkte MORPHY LOEWENTHAL, der gerade ein neues Haus bezog, mit einer Möbeleinrichtung im Werte von 120 ₤. Wir werden noch wiederholt sehen, wie penibel MORPHY alle Belange des Geldes nahm. Bevor er Amerika verlassen hatte, bot ihm der Schachklub von New Orleans an, ihm durch eine Geldspende die Teilnahme am Birminghamer Turnier zu ermöglichen, was er aber mit der Begründung, kein Berufsspieler zu sein, ablehnte. Als nächstes kommt PAULSEN, ein Amerikaner, damals berühmt für seine staunenswerten Blindsimultanvorstellungen und später für zwei Wettkampsiege über ANDERSSEN, sowie für seine wichtigen Beiträge zur Schachtheorie. Er war MORPHYS einziger ernsthafter Konkurrent beim New Yorker Turnier und, nach Durchsicht einer Reihe seiner publizierten Partien, prophezeite er daß MORPHY ihn schlagen würde; kurz vor dem Turnier spielten sie drei Blindpartien, von denen MORPHY zwei gewann und eine remisierte. PAULSEN wurde gleichfalls ein ergebener Freund MORPHYS. SAINT-AMANT war der damals führende Spieler Frankreichs. Er spielte keine Einzelpartie gegen MORPHY, verlor aber fünf und remisierte zwei von sieben Konsultationspartien gegen ihn. Auch er wurde ein glühender Bewunderer und sagte über sein Blindspiel, es ließe die Gebeine PHILIDORS und LA BOURDONNAIS’ in ihren Gräbern klappern, zweifellos das schönste Kompliment das ein Franzose machen konnte. Dem genialen ANDERSSEN sind wir bereits begegnet. Er war der beste lebende Spieler und wurde allgemein als Weltmeister angesehen, bis er einige Jahre später von STEINITZ besiegt wurde; er errang an allen zwölf Turnieren, an denen er teilnahm, einen Preis und wurde erster in sieben von ihnen. MONGREDIEN, der Präsident des Londoner Schachklubs, sagte über ihn, er sei „ – ausgenommen MORPHY – der geistvollste und ritterlichste Spieler, dem ich jemals begegnete“, und die Art und Weise in der er mit MORPHY Umgang pflegte, bestätigt diese Einschätzung. Obwohl seine Kollegen den größtmöglichen Druck auf ihn ausübten und versuchten, ihn daran zu hindern, sein deutsches Prestige in die Waagschale zu werfen und im Ausland gegen einen Jüngling anzutreten, der über keinerlei öffentliches Ansehen verfügte, und trotzdem er keine Gelegenheit hatte, sich vorher einzuspielen, suchte ANDERSSEN keinerlei Ausflüchte sondern reiste nach Paris um sein Schicksal aus MORPHYS Händen zu empfangen. Als man ihn hinterher dafür tadelte, daß er nicht so brillant spielte wie in seiner berühmten Partie gegen DUFRESNE, gab er die selbstlose Antwort: „MORPHY ließ mich nicht.“

   MORPHYS Verhältnis zu diesen vier Männern kontrastierte aufs traurigste mit den Erfahrungen, die er mit den beiden machte, die uns nun interessieren. Der wichtigere dieser beiden war STAUNTON, und um seine Bedeutung für MORPHY zu ermessen, ist es nötig, ein Wort über die Position zu verlieren, die er einnahm. Er war ein Mann mit weit höherem Ansehen, als es seine Turnierergebnisse annehmen lassen würden. Es ist zwar richtig, daß er nach seinen Siegen über SAINT-AMANT, HORWITZ und HARRWITZ in den Vierzigern, sich als den führenden Spieler in der Welt betrachten durfte, doch er war nicht in der Lage, diese Position zu halten; so wurde er, beispielsweise, bei den Turnieren London 1851 und Birmingham 1858 geschlagen. Er war allerdings ein großer Analytiker; sein Standard-Lehrbuch zusammen mit seiner Position als einem der ersten Schachherausgeber, machten ihn zum Wortführer der englischen, wenn nicht gar der europäischen Schachwelt. In der Mitte des letzten Jahrhunderts war England die bei weitem führende Nation im Schach, und dies trug wohl zu den Gründen bei, die MORPHY veranlaßten, in STAUNTON den am meisten gewünschten Gegner zu sehen; es war der Wunsch mit STAUNTON zu spielen, der sein Hauptmotiv für die Überquerung des Atlantiks ausmachte. In psychoanalytischer Sprache würden wir hier davon sprechen wollen, daß STAUNTON das herausragende Vater-Imago[19] darstellte und daß für MORPHY ein Sieg über ihn einem Testfall seiner eigenen Schachfähigkeit gleichkam, und unbewußt noch manchem anderen nebenbei. Ein Beweisstück existiert noch, welches zeigt, wie wenig rezent seine Wahl des Vater-Imagos gewesen ist. Im Alter von 15 Jahren wurde MORPHY mit einer Ausgabe der Partiensammlung vom Internationalen Turnier 1851, dessen Sekretär STAUNTON gewesen war, beschenkt. Eigenhändig schrieb er auf die Titelseite: „Von Herrn H. STAUNTON, dem Autor des Schachhandbuchs, Chess-Player’s Companion, etc. (und einigen verteufelt schlechten Partien)“. Nach MORPHYS Sieg im New Yorker Turnier debattierten einige Enthusiasten über die Möglichkeit, daß ein europäischer Schachmeister nach Amerika käme um mit ihm zu spielen. Als STAUNTON davon erfuhr, publizierte er einen mißbilligenden Absatz in seiner wöchentlichen Schachkolumne, anmerkend, daß „die besten Schachspieler in Europa keine Schachprofis sind und anderen, ernsthafteren Berufen nachgehen.“ Die Andeutung, MORPHYS Schach sei entweder ein jugendlicher Zeitvertreib oder ein Mittel zum Gelderwerb waren beides Unterstellungen die ihn sofort verletzt haben müssen, da es genügend Belege für seine krankhafte Verletzbarkeit bezüglich beider Anspielungen gibt. Seine Freunde in New Orleans haben nichtsdestotrotz eine Herausforderung an STAUNTON gesandt – er möge nach Amerika kommen –,  die er, nicht unerwartet, ablehnte, aber nebenbei, in einer leicht deutbaren Andeutung bemerkte, daß er im Falle eines Kommens MORPHYS nach Europa zur Verfügung stehe. Vier Monate später überquerte MORPHY den Atlantik und wollte, unmittelbar nachdem ihm STAUNTON vorgestellt worden ist, eine Partie mit ihm spielen. STAUNTON schützte eine Verpflichtung vor und ließ ein derart unhöfliches Benehmen folgen, welches bloß mit Begriffen aus der Neurosenforschung erklärbar ist; tatsächlich sagte man ihm nach, er leide an etwas ähnlichem wie „nervöser Reizbarkeit“. Drei Monate lang, während seines Aufenthaltes in England und danach, bemühte sich MORPHY, in würdevollster Weise, um einen Wettkampf, worauf STAUNTON stets mit einer Reihe von Ausflüchten, Aufschüben, gebrochenen Versprechungen und Ausreden von der Art antwortete, daß sein Gehirn „zu sehr mit wichtigeren Verpflichtungen in Anspruch genommen ist“ – was ihn freilich nicht hinderte, sich am Birminghamer Turnier zu beteiligen, das im gleichen Monat stattfand. Enttäuscht in seinen Hoffnungen, legte MORPHY den gesamten Sachverhalt Lord LYTTELTON, dem Präsidenten des Britischen Schachverbandes, vor, worauf dieser sein Verständnis aussprach; und die Sache bleib darauf beruhen. Inzwischen fuhr STAUNTON in seiner Schachkolumne damit fort, ein Feuer der Kritik an dem Mann, dem er beständig aus dem Weg ging, zu entfachen: er mißbilligte sein Spiel, machte Andeutungen, er sei ein Geldabenteurer und dergleichen. Ein Satz aus MORPHYS letztem Brief an ihn sollte zitiert werden: „Erlauben Sie mir zu wiederholen was ich schon zahllose Male in jeder Schachgesellschaft, die mir die Ehre erwies, ihr beitreten zu dürfen, sagte: daß ich kein professioneller Spieler bin und daß ich niemals wünschte, aus den Fähigkeiten, die mir eigen sind ein Mittel zu pekuniärer Verbesserung zu machen.“[20] Diese ganze Episode führte zu einem erbitterten Streit in der Schachwelt, in der die große Mehrheit MORPHY unterstützte, und die nachfolgende Ansicht war einstimmig die, daß STAUNTONS Benehmen seiner nicht wert wäre. Die Wirkung auf MORPHY zeigte sich unmittelbar als ein starker Abscheu gegenüber dem Schach. Wie SERGEANT, MORPHYS letzter und bester Biograph schreibt, wurde „MORPHY krank von den Schachtaktiken – denen außerhalb des Brettes. Ist dies verwunderlich?“

   Gegen Ende dieser Episode setzte MORPHY über nach Paris, wo er sofort auf HARRWITZ, le roi de la Régence, zuging. Auch dieser Gentleman steht in keinem freundlichen Licht in seinen Beziehungen zu MORPHY, die gekennzeichnet waren durch krankhafte Eitelkeit und das Fehlen von Ritterlichkeit (SERGEANT). Wir brauchen nicht auf die erbärmlichen Einzelheiten, die in ihrer Vollständigkeit von EDGE geschildert wurden, einzugehen, aber der Ausgang war, daß HARRWITZ sich aus dem Wettkampf zurückzog nachdem er entscheidend zurücklag. Zunächst weigerte sich MORPHY die Gewinnsumme, 290 Francs, zu akzeptieren, nahm sie aber doch an, nachdem ihm nahegelegt wurde, daß verschiedene Leute Geld verlieren würden, falls sein Sieg nicht in dieser Weise offiziell besiegelt worden ist, um die Summe dann zur Deckung der Reisekosten ANDERSSENS nach Paris zu verwenden. MORPHYS Neurose steigerte sich hiernach und wurde bloß zeitweise unterbrochen durch die angenehme Episode des Wettkampfs mit ANDERSSEN, in dem ein letztes Aufflackern seines Schachfiebers zu sehen war.

   Etwas sollte nun gesagt werden über die Aufnahme, die MORPHYS Erfolge fanden, denn sie war von einer solchen Art, daß die Frage auftaucht, ob sein späterer Zusammenbruch nicht beeinflußt war durch seine Zugehörigkeit zu dem Typ, den FREUD beschrieben hat als Die am Erfolge scheitern. Ich erwähnte bereits die Szene im Café de la Régence als MORPHY die Gelegenheit wahrnahm und in einer brillanten tour de force acht starke Spieler in einem Blindsimultan besiegte; es ging derart turbulent zu, daß Soldaten in der Annahme hinzurannten, eine neue Revolution breche aus. MORPHY wurde zum Löwen der Pariser Gesellschaft, wurde überallhin eingeladen, erlaubte sich die Höflichkeit, von Herzoginnen und Prinzessinnen besiegt zu werden und verließ schließlich Frankreich aufs prächtigste ruhmbedeckt. Der Höhepunkt war ein Festbankett auf dem ihm seine Büste, angefertigt von einem berühmten Bildhauer, bekrönt mit einem Lorbeerkranz, überreicht wurde. Die Aufnahme bei seiner Rückkehr in New York, wo sich patriotische Leidenschaft mit anderen Enthusiasmen mischte, kann man sich bestens vorstellen. Allerorten spürte man, daß dieses das erste Mal in der Geschichte war, daß ein Amerikaner sich als nicht bloß ebenbürtig, sondern sogar allen Vertretern seines Fachs, das man von den alten Ländern übernahm, als überlegen erwies; so trug also auch MORPHY eine Elle zur Gestalt der Amerikanischen Zivilisation bei. Während seiner Anwesenheit bei einer großen Ansprache in der Kapelle der Universität wurde er mit einer Ehrengabe, bestehend aus einem Schachbrett mit Feldern aus Perlmutt und Ebenholz und Figuren aus Gold und Silber, beschenkt; ebenso erhielt er eine Golduhr, deren Ziffern ersetzt wurden durch farbige Schachfiguren. Ein Zwischenfall, der sich bei dieser Überreichung ereignete, sei erwähnt, da er MORPHYS Empfindlichkeit veranschaulicht. Oberst MEAD, der Vorsitzende des Empfangskomitees, sprach in seiner Rede von Schach als Beruf und wies auf MORPHY als seinen geistvollsten Vertreter hin. „MORPHY legte nun dagegen, als Berufsspieler – auch bloß implizit –  charakterisiert zu werden, Einspruch ein und er tat dies in so verärgerter Weise, daß Oberst MEAD in große Bestürzung geriet. Seine Kränkung, ihm zugefügt zu einer so unpassenden Gelegenheit, war dermaßen groß, daß Oberst MEAD seine weitere Mitarbeit an der Veranstaltung zu MORPHYS Ehren einstellte“ (BUCK). Im Union Club von New York wurde er mit einem silbernen Lorbeerkranz beschenkt. Darauf reiste er nach Boston, wo ihm zu Ehren ein Bankett organisiert wurde, an dem, unter anderen, AGASSIZ[21], OLIVER WENDELL HOLMES[22], LONGFELLOW[23] und LOWELL[24] anwesend waren; in einer Rede während dieses Banketts machte QUINCEY die witzige Bemerkung: „MORPHY ist großartiger als CAESAR, denn er kam und siegte ohne zu sehen.“ Kurz darauf wurde er mit einer goldenen Krone in Boston beschenkt.

   Schmeichelei solchen Ausmaßes, ausgegossen auf einen jungen Mann von 21 Jahren, hat unvermeidlich zur Folge, daß seine psychische Fassungskraft einer enormen Belastung ausgesetzt wird; und man darf sich hier die Frage stellen, ob dies nicht auch eine Rolle spielte bei der Tragödie die dem folgte. In diesem Zusammenhang möchte ich nun eine interessante Stelle aus der Trauerrede zitieren, die Jahre später von MORPHYS Jugendfreund MAURIAN gehalten wurde. MAURIAN schreibt den Abscheu gegenüber Schach – welchen er, nebenbei angemerkt, in keine Verbindung setzt zu der folgenden Geistesstörung – der Vollständigkeit der MORPHYSCHEN Erfolge zu, doch in ganz umgekehrtem Sinne, wie wir ihn gerade angaben. Er schreibt: „PAUL MORPHY war niemals so leidenschaftlich versessen, so übermäßig dem Schach ergeben, wie es allgemein geglaubt wird. Eine vertrauensvolle Bekanntschaft und lange Beobachtung versetzt uns in die Lage, dies förmlich festzustellen. Seine einzige Hingabe an das Spiel, wenn man dies so ausdrücken darf, lag in seinem Ehrgeiz, den besten Spielern und großen Meistern dieses Landes und Europas zu begegnen und sie zu schlagen. Er fühlte seine enorme Stärke und er zweifelte keinen Moment über den Ausgang. Tatsächlich  sagte er uns, im Privaten und in bescheidener Form, dennoch mit der gewißesten Zuversicht, vor seiner ersten Reise nach Europa seinen sicheren Erfolg voraus. Als er dann zurückgekehrt war, drückte er die Überzeugung aus, er hätte schwach und voreilig gespielt – daß es keinem seiner Gegner so gut hätte ergehen dürfen, wie es tatsächlich geschah. Aber nachdem dieser eine Ehrgeiz gestillt wurde, schien er das Interesse an dem Spiel verloren zu haben.“

   Bevor ich den Versuch wage, die soeben aufgetauchte Frage zu beantworten, halte ich es für das beste, die Geschichte selbst abzuschließen und etwas über die spätere mentale Entwicklung zu berichten. In der Absicht, sich dem Rechtsberuf zu widmen, über den er ein exzellentes Wissen hatte, ließ sich MORPHY in New Orleans nieder. Ihm wurde begreiflich, daß sein ihm nun unwillkommener Ruhm als Schachspieler die Leute davon abhielt, ihn als Juristen ernst zu nehmen, und diese Ungerechtigkeit setzte seiner psychischen Verfaßtheit stark zu. BUCK, der bei seiner Zusammenstellung der Geschichte der späten Jahre MORPHYS die Unterstützung von dessen Verwandten hatte, gibt an, daß „er sich in eine wohlhabende und attraktive junge Dame in New Orleans verliebt hatte und daraufhin einen gemeinsamen Freund informierte, der diesen Punkt auch bei der Dame zur Sprache brachte; aber sie höhnte über die Idee, ‚einen bloßen Schachspieler’ zu heiraten“.

   Etwa ein oder zwei Jahre nachdem er sich in dem was er für seinen ernsthaften dauernden Beruf hielt, niedergelassen hatte, brach der Bürgerkrieg[25] aus und MORPHY sah sich mit der Aussicht eines echten Krieges konfrontiert, was aufs schärfste mit seiner Bemühung kontrastierte, eine friedvolle Beschäftigung als Ersatz für seinen Zeitvertreib mit Pseudokriegen zu finden.[26] Seine Reaktion war charakteristisch für einen Menschen, der seine psychische Stärke durch die Umwandlung feindseliger Absichten in freundliche bezog: er eilte nach Richmond und ersuchte  – inmitten von Feindseligkeiten – eine diplomatische Lösung. Dies wurde abgelehnt, und bald nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt New Orleans, wurde diese durch Unionstruppen eingenommen. Die Familie der MORPHYS flüchtete auf einem spanischen Kriegsschiff nach Kuba, von dort, über Havanna, nach Cádiz und dann Paris. Er verbrachte ein Jahr in Paris und fuhr zurück nach Havanna, wo er blieb bis der Krieg beendet war.

   Schon zu dieser Zeit konnte seine psychische Verfassung überhaupt nicht mehr zufriedenstellend gewesen sein, denn schon ein paar Jahre nach der Rückkehr nach New Orleans überredete ihn seine Mutter, achtzehn Monate in Paris zu verbringen –  seinem dritten Besuch dort – , in der Hoffnung, daß ein Wechsel der Umgebung ihn wiederherstellen würde. Seine Aversion gegen Schach war mittlerweile so vollständig, daß er die Nähe der Orte seiner früheren Triumphe mied.

   Lange zuvor schon erhärteten sich die unmißverständlichen Anzeichen der Paranoia. Er fühlte sich von Leuten verfolgt, die danach trachteten, sein Leben unerträglich zu machen. Sein Wahn konzentrierte sich auf den Gatten seiner älteren Schwester, der Vermögensverwalter des väterlichen Nachlasses war und von dem er glaubte, er wolle ihn seines Erbteils berauben. Er forderte ihn zum Duell, und strengte darauf einen Prozeß gegen ihn an, wobei er Jahre damit verbrachte, sich auf diesen Fall vorzubereiten; vor Gericht wurde schnell ersichtlich, daß die Anklagen haltlos waren. Er fürchtete außerdem, daß Menschen, besonders sein Schwager, ihn vergiften wollten und weigerte sich eine zeitlang, Essen aus den Händen anderer als seiner Mutter oder seiner (jüngeren, unverheirateten) Schwester anzunehmen. Ein weiterer Wahn war der, daß sein Schwager mit einem vertrauten Freund, BINDER, konspiriere um seine Kleidungsstücke, auf die er sehr eingebildet war, zu zerstören und ihn umzubringen; bei einer Gelegenheit rief er den letztgenannten in dessen Büro und vergriff sich an ihm. Er neigte dazu, den Gang zu stoppen und auf jedes schöne Gesicht auf der Straße zu starren, was ich weiblicher Identifikation zuschreiben möchte. Er war ebenfalls ein leidenschaftlicher Liebhaber von Blumen. Ich werde jetzt eine Angewohnheit aus dieser Zeit zitieren, auf die ich, warum auch immer, kein Licht werfen kann. Über einen bestimmten Zeitraum, gemäß einer Aussage seiner Nichte, hatte er die Manie, die Veranda rauf und runter zu schreiten und dabei folgende Worte zu deklamieren: „Il plantera la bannière de Castille sur les murs de Madrid au cri de Ville gagnée, et le petit Roi s’en ira tout penaud“.[27] Es klingt wie ein Zitat, aber, falls dies zutrifft, bin ich nicht in der Lage es ausfindig zu machen oder die Anspielung zu erklären. Er hatte die Lebensweise angenommen, täglich, pünktlich zur Mittagsstunde und aufs feinste herausgeputzt, einen Spaziergang zu unternehmen. Zurückgekehrt ruhte er bis zum Abend, an dem er die Oper aufsuchte, dabei keine einzige Aufführung versäumend. Er wollte niemanden außer seiner Mutter sehen und es versetzte ihn in Ärger, falls seine Mutter es unternahm, selbst nahe Freunde ins Haus einzuladen. Zwei Jahre vor seinem Tod wurde er um Mitarbeit an einem geplanten biographischen Werk, das Berühmtheiten Louisianas, auch sein Leben, enthalten sollte, gebeten. Er antwortete mit einem entrüsteten Schreiben des Inhalts, daß sein Vater, Richter ALONZO MORPHY, bei seinem Tode die Summe von 146.162 Dollar und 54 Cent hinterließ während er selbst keinem Beruf nachgegangen sei und nichts mit Biographien zu tun hätte. Beständig sprach er vom Vermögen des Vaters und die bloße Erwähnung des Schachs reichte aus, ihn zu irritieren.

   Das Problem, das wir uns zu Beginn stellten ist: in welcher Beziehung steht MORPHYS Schachkarriere zu seiner späteren psychischen Störung? SERGEANT bemüht sich nachzuweisen, daß die bloße Beschäftigung mit Schach nicht verantwortlich sein kann, und jeder medizinische und psychologische Sachkenner kann diese Ansicht nur bestätigen. Sein Resümee der Pathogenese der Störung ist so einleuchtend, daß es eine vollständige Zitierung verdient: „Erstens hatte MORPHY einigen Grund sich abgestoßen zu fühlen, weniger vom Schach als vielmehr von den Schachmeistern, deren Charakter sich dermaßen von seinem eigenen unterschied. Er machte sich auf den Weg, sehr jung, spendabel, übermütig, würdigte, eigenem Bekunden nach, nicht Ehrgeiz sondern den guten Ruf, traf aber nicht auf ritterliche Gleichgesinnte sondern auf gewundene Füllfederakrobaten, Verleumder und Schachgauner. Sicherlich, er traf auch auf sehr ehrbare Herren, solche wie ANDERSSEN, LOEWENTHAL und die Mehrheit der führenden Amateure in London und Paris. Aber die Hauptwunden, die die andere Sorte ihm schlug, heilten nicht so einfach. Zweitens hielt sich MORPHY frei von jeglichem Makel (ob er dies nun zu recht oder zu unrecht so betrachtete) des Schachprofessionalismus, obwohl er als ein Berufsspieler angesehen, gar angesprochen, wurde. Und abschließend, MORPHY war ehrgeizig in dem Beruf, den er sich fürs Leben wählte, und bloß eine unglückliche Verkettung von Umständen ließ ihn darin versagen und ihn dem Schach die Schuld dafür geben. Diese enttäuschte Bestrebung war sicherlich der Grund für MORPHYS unglückliches Schicksal. (...) Eine überempfindliche Natur wie die seine es war, war nicht dazu imstande, diesen Belastungen zu widerstehen.“ Wie sehr sich MORPHY bemühte, die ihm zugefügten Wunden vor sich selbst zu verbergen kann aus der folgenden Passage seiner Rede, gehalten anläßlich seiner Rückkehr in New York, herausgelesen werden: „Über meine Europareise will ich nur das eine sagen, daß sie nämlich in nahezu jeder Hinsicht angenehm war. Von allen Gegnern, denen ich in friedlichen Zweikämpfen auf den schwarzweißen Feldern begegnet bin, behalte ich eine lebendige und liebenswürdige Erinnerung. Sie begegneten mir galant, ritterlich und ehrenwert; sie erwiesen sich als wahre Verehrer des königlichen Spiels.“

Lassen Sie mich das Problem auf eine andere Weise formulieren. Wurde MORPHYS Geistesstörung durch seine außerordentlichen Erfolge oder durch sein Versagen und seine Enttäuschung herbeigeführt? War seine Situation vergleichbar der von BROWNINGS Pictor Ignotus[28], dessen Erringung der höchsten Berühmtheit ihn zu folgendem Aufschrei nötigte:

„Der Gedanke wuchs mit Schrecken: ‚Es war so rasend teuer!’“
Sprach er wie ANDREA
[29] zu sich selbst:
„Allzu heftig wächst das Leben, golden und nicht grau,
und ich bin die schwachsichtige Fledermaus, die die Sonne nicht verlockt
von diesem Gehöft, dessen vier Wände die Welt machen“?
Zog er sich aus der Welt zurück mit diesem schnöden Trost
[30]:
„Zumindest verkehrt kein Krämer in meinem Herzen“?

Formuliert in einer mehr psychoanalytischen Sprache: erschreckte MORPHY sich über seine eigene Anmaßung nachdem das Licht der Öffentlichkeit auf ihn geworfen wurde? FREUD machte darauf aufmerksam, daß Menschen, die unter dem Druck zu großen Erfolges zusammenbrechen, diesen nur in der Vorstellung ertragen können, nicht aber in der Realität. Den Vater im Traum zu kastrieren ist eine vollkommen andere Sache als dies in der Realität zu tun. Die reale Situation provoziert die unbewußte Schuld in ihrer vollen Stärke, und die Strafe kann der geistige Zusammenbruch sein.

   Ich denke nicht, daß hier eine vollständige Erklärung liegen kann. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, daß MORPHY in seinem dringendsten Ziel nicht erfolgreich war, sondern versagte. Wir sahen, in welcher Weise STAUNTON für ihn zum Erz-Imago wurde, aber daß er es nicht fertig brachte ihn ans Brett zu bewegen. Es war alles in allem sehr gut, sich selbst bewiesen zu haben, daß man der beste Spieler der Welt war, auch war die Wahrscheinlichkeit, selbst STAUNTON würde geschlagen worden sein, wohlbegründet. Aber es verbleibt die kalte Tatsache, daß dieser Erz-Gegner sich ihm entzog. Der schreckliche Vater war nicht bloß weiterhin auf freiem Fuße, sondern äußerte auch unmißverständliche Zeichen der Feindschaft. MORPHYS Ziel, mit seiner unterdrückten Feindschaft gegen den Vater – und der Furcht des Vaters vor ihm – umzugehen, indem er sie in ein freundschaftliches homosexuelles Verhältnis umwandelte, scheiterte. Die folgende Überlegung gibt, wie ich glaube, einen Hinweis darauf, daß MORPHY selbst sich teilweise dieses Versagens bezüglich seines Zieles bewußt war. Als er nach New York zurückkehrte, erklärte er, gegen keinen Amerikaner mehr spielen zu wollen, außer mit Vorgabe, und dies war zweifellos durch die gegebenen Umstände gerechtfertigt. Aber nachdem er, wenige Wochen später, in die Sicherheit seines Heimes in New Orleans eingekehrt war, sandte er eine Herausforderung an die Welt, gegen jeden unter Vorgabe von Zug und Bauer spielen zu wollen; der einzige Fall in seiner gesamten Schachkarriere, in dem er seine Kräfte möglicherweise überschätzte.[31] Ich lese dies als einen Hinweis auf psychologische Kompensation für den eigentlichen Sinn des Versagens, wobei die Angst diese ins Unbewußte verschob.

   Es gab allerdings noch weiteres als dies. Als STAUNTON ihm aus dem Weg ging, tat er dies auf eine Weise, die einer sensiblen Person, wie es die MORPHYS zweifellos war, suggerieren mußte, daß bereits seine Absicht ein verwerfliches und unehrenhaftes Tun war. Wir wissen, daß psychische Stabilität wesentlich auf moralischer Stabilität beruht, daß psychische Stabilität nur so lange gewährleistet ist, wie Schuldlosigkeit obwaltet. Es ist unmöglich, daß MORPHY die Kapazitäten, über die er verfügte, hätte ausspielen können, wenn nicht sein Talent und seine psychische Funktion sich frei fühlen dürften, vollkommen konzentriert den gesetzten Aufgaben nachgehen zu können. Aber dies konnte nur so lange der Fall sein, wie er von der Möglichkeit, daß die Gegenkräfte, die in seinem Unbewußten aufgerührt wurden, entlastet war. Er war auf das Wohlwollen von allem angewiesen, was dies bewirken könnte. Ich habe schon früher ausgeführt, wie unnormal empfindlich er auf jeden Wink reagierte, seine Absichten könnten in unfreundlicher Weise aufgenommen werden, d. h. daß sie aufgenommen werden könnten, als wären sie selbst unfreundlich; auf jede Andeutung, sie entbehrten eines echten Antriebes und wären vor allem befleckt von geldgierigen Motiven; und schließlich auf jede Haltung, die Verachtung für seine jugendliche Natur verriet[32]. STAUNTON verletzte ihn bitterlich in allen drei Hinsichten. Die Art und Weise wie er ihn behandelte war sicherlich das Gegenteil von freundlich – es ist kaum eine Übertreibung, wenn man sie als skurril bezeichnet; er warf ihm quasi vor, er sei ein mittelloser Abenteurer; und er mied ihn mit der Ausrede, er hätte ernsthaftere, d. h. erwachsene, Dinge zu erledigen. Angesichts dieser Beschuldigungen verlor MORPHY den Mut, er gab auf und verließ den verruchten Pfad der Schachkarriere. Es war, als hätte der Vater die bösen Absichten demaskiert und würde nun im Gegenzug eine ähnlich feindselige Haltung gegen ihn einnehmen. Was als ein unschuldiger und löblicher Ausdruck seiner Persönlichkeit erschien, zeigte sich nun als der kindlichste und gemeinste Wunsch, der unbewußte Impuls, auf den Vater einen sexuellen Anschlag zu verüben und ihn zugleich vollständig zu verstümmeln: mit einem Wort: ihn ‚mattzusetzen’, dies sowohl in persischer wie in deutscher Bedeutung des Wortes. Er unterwarf sich dem tatsächlichen Wunsch seines Vaters und begann im erwachsenen Beruf des Juristen zu praktizieren, verwarf gleichzeitig die, wie ihm gesagt wurde, kindische Beschäftigung mit dem Schach.[33] Aber es war zu spät: seine ‚Sünden’ verfolgten ihn. In den beiden Dingen, die die Männerwelt umfaßt, einem ernstgenommenen Berufsleben unter Männern und der Liebe der Frauen, verfolgte und hintertrieb ihn seine Schachvergangenheit. Er war niemals imstande, seinen ‚Sünden’ aus der Jugend zu entfliehen und seinen Platz in der Welt der Männer einzunehmen. Es ist kaum verwunderlich, daß seine Aufgabe des Schachs zunehmend vollständiger wurde, wenn er schon den bloßen Namen des Spiels verabscheute. Die einzige Zuflucht, die ihm blieb, die Last seiner Schuld zu bewältigen, war die Projektion. In dem Wahn, vergiftet oder beraubt zu werden, erkennen wir auf seinen Schwager projizierte oral- und anal-sadistische Phantasien. Seine homosexuelle Freundlichkeit zu Männern brach zusammen, und der Antagonismus, der diese unterstützte, lag entblößt da. Dies richtete sich in Richtung seines Schwagers, offensichtlich ein Ersatz für den Bruder, während die letzte aus seinem Leben uns mitgeteilte Anekdote die Anhänglichkeit an und die Verehrung für den Vater, dem das Privileg ‚Geld zu machen’ gebührte, belegt.

   Vielleicht läßt sich bereits eine abschließende Folgerung aus der Betrachtung dieser tragischen Geschichte ziehen. Es scheint, als könnte ein Anhaltspunkt zur wohlbekannten Verbundenheit von Genialität und psychischer Instabilität geliefert werden. Gut möglich, daß MORPHYS Fall ein allgemeingültiger ist. Genialität ist offenbar die Fähigkeit, mittels stärkster, auch bloß zeitweiliger, Konzentration ungewöhnliche Fähigkeiten anzuwenden. Ich würde behaupten, daß dies auf der Gegenseite auf einer besonderen Fähigkeit, Bedingungen zu erkennen unter denen das unbewußte Schuldgefühl in einer kompletten Schwebe gehalten werden kann, beruht. Zweifellos kann dies in Zusammenhang gesetzt werden mit der wohlbekannten Strenge, der Ernsthaftigkeit und der Reinheit des künstlerischen Bewußtseins. Es wird allerdings erworben auf Kosten der psychischen Verfaßtheit, die abhängig ist vom Wohlwollen jeglicher Störung dieser unverzichtbaren Bedingungen. Dies scheint mir das Geheimnis der ‚künstlerischen Empfindlichkeit’ zu sein.

   Diese Geschichte bietet sich auch zur Diskussion einiger wichtiger psychoanalytischer Anschauungen, für deren Skizzierung mir kaum noch Zeit verbleibt.

Es wird aufgefallen sein, daß ich – der Einfachheit zuliebe – immerfort auf MORPHYS Gaben als auf ein Anzeichen seiner Fähigkeit zur Sublimierung hingewiesen habe, und zurecht wird man nun fragen, ob dies nur die Beschreibung eines verdeckten Weges zur Befriedigung von feindlichen, d. h. vatermörderischen, Impulsen ist. In Beantwortung dieser Frage möchte ich zunächst zugeben, daß die Impulse hinter dem Spiel letztendlich von gemischter Natur sind, daß aber der essentielle Prozeß mir libidinös zu sein scheint. Ich begreife, daß die vatermörderischen Impulse ‚gebunden’ sind an eine erotische Besetzung, tatsächlich eine homosexuelle, und daß diese ihrerseits sublimiert worden ist. Der enorme Nutzen des Verlaufs des psychischen Befindens MORPHYS wird offensichtlich aus den oben erwähnten Schlußfolgerungen, und ich nehme ihn als ein Beispiel für ein wichtiges allgemeines Gesetz, nämlich, daß der Prozeß der Sublimierung eine defensive Funktion hat.[34] Durch das Freisetzen der Energie des Es[35] über einen abgelenkten Weg, insbesondere durch die Transformierung einer sexualisierten Aggressivität, wird das Ich gegen die Gefahren beschützt, die wir aus dem  Produkt exzessiver Akkumulation dieser Energie kennen.

Schließlich ist es von Wert klarzustellen, daß wenn jemand klinisch vom ‚Zusammenbruch der Sublimierung’ spricht, er in Wirklichkeit die Einstellung ihrer defensiven Funktion meint. MORPHY konnte sowohl vor als auch nach seinem psychischen Scheitern gut Schach spielen, wie durch seine Gelegenheitspartien gegen MAURIAN belegt wird; in den meisten dieser Fälle, vielleicht auch in allen, bleibt die letztlich durch den Sublimierungsprozeß erlangte Befähigung selbst intakt. Was verloren gegangen ist, ist die Fähigkeit zur Nutzung des Talentes zum Schutze gegen die überbordenden Impulse des Es, und genau dies ist es, was die Patienten fürchten, wenn sie die Angst davor ausdrücken, „die Psychoanalyse nehme ihnen ihre Sublimierungen weg“.[36]


[1] Vorgetragen am 19. November 1930 vor der British Psycho-Analytical Society. Erschienen im International Journal of Psycho-Analysis, Januar 1931.

[2] Da die Geburtsdaten in keiner Biographie mitgeteilt werden, erwähne ich sie zu künftiger Verfügbarkeit an dieser Stelle: MAHRINA, 5. Februar 1830; EDWARD, 26. Dezember 1834; PAUL, 22. Juni 1837; HELENA, 21. Oktober 1839.

[3] Anm. d. Üb.: Ein Begriff, den der schweizerische Psychoanalytiker und FREUD-Schüler CARL GUSTAV JUNG (1875-1961) prägte. Er soll einen Persönlichkeitstypus bezeichnen, der sich u. a. durch gesteigerte Selbstbezogenheit, Kontaktarmut, Reserviertheit, Verschlossenheit und Mißtrauen gegenüber Mitmenschen auszeichnet.

[4] Anm. d. Üb.: Im englischen Text steht ‚congestion of the brain’.

[5] Anm. d. Üb.: Dieser psychoanalytische Begriff geht auf  SIEGMUND FREUD zurück. FREUD nahm an, daß jedem psychischen Antrieb die Libido Vorschub leistet und daß die Sublimierung, die ein unbewußter Vorgang ist, die freigesetzte psychische Energie auf nicht-sexuelle Ziele lenkt, wenn die ursprünglichen Ziele nicht toleriert werden. Als Sublimierung betrachtete FREUD v. a. intellektuelle Arbeit und künstlerische Betätigung.

[6] Anm. d. Üb.: Der Begriff ‚anal-sadistisch’ geht auf FREUD zurück und bezeichnet den Zeitraum frühkindlicher Entwicklung zwischen dem zweiten (orale Phase) und vierten Lebensjahr (phallische Phase). Gemäß FREUDS Theorie gerät das Kind in dieser Entwicklungsphase in einen Konflikt zwischen dem Ausleben eines neu erlernten Lustgewinns an seinen Ausscheidungsorganen und der elterlichen Reinlichkeitserziehung in der frühen analen Phase. Dieser Konflikt, der dazu führen kann, daß die spontanen Bedürfnisse verkümmern, läuft laut FREUD Gefahr einen „analen Charakter“ zu prägen, der sich durch Geiz, übertriebenen Ordnungssinn und übermäßige Genauigkeit kennzeichnen soll.

[7] Schach kann mit Recht als die Kunst des Intellekts bezeichnet werden.

[8] Anm. d. Üb.: dénouement (frz.) = Ausgang, Ende, Auflösung.

[9] Anm. d. Üb.: WILLIAM JAMES (1842-1910), amerikanischer Begründer der Philosophie des Pragmatismus. Bruder des Schriftstellers HENRY JAMES (1843-1916).

[10] Anm. d. Üb.: Die Talaing, auch bekannt als Mon, sind ein Volk, das hauptsächlich im östlichen Burma und im angrenzenden Gebiet von Thailand siedelt. Sie gehören zu den ältesten bekannten Bewohnern im Süden Burmas.

[11] Anm. d. Üb.: ANDREA DEL SARTO (1487-1531) und RAPHAEL (1483-1520), beides berühmte italienische Renaissancemaler. JONES zitiert hier aus ROBERT BROWNINGS (1812-1889) Dichtung Andrea del Sarto.  Vgl. http://eir.library.utoronto.ca/rpo/display/poem264.html (Zeile 193).

[12] Anm. d. Üb.: Nach den Zügen 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 g5 4.Lc4 g4 5.O-O entsteht bekanntlich das MUZIO-Gambit. JONES schreibt MUZIO opening (und auch MORPHY opening).

[13] Anm. d. Üb.: Der Doppel-MUZIO entsteht nach den Zügen 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 g5 4.Lc4 g4 5.O-O gxf3 6.Dxf3 Df6 7.e5 Dxe5 8.Lxf7+. Es ist nicht klar, worauf JONES sich hier bezieht, bzw. welche Quelle er nutzt, nach Prüfung der Megabase 2004 und GÉZA MARÓCZYS Paul Morphy, Leipzig 1909 (3. Nachdruck, Zürich 1989), jedenfalls konnte keine MORPHY-Partie gefunden werden, in der er den Doppel-MUZIO anwendet. Am nächsten kommt dem zweifachen Figurenopfer noch folgende Partie: MORPHY-Amateur, New Orleans (Blindsimultan an vier Brettern) 1858, 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 g5 4.Lc4 g4 5.O-O gxf3 6.Dxf3 Df6 7.e5 Dxe5 8.d3 Lh6 9.Sc3 Sc6 10.Lxf4 Dxf4 11.Dh5 (das zweite Figurenopfer!) Dg5 12.Tae1+ Sge7 13.Dxf7+ Kd8 14.Se4 Dg7 15.Dh5 d5 16.Lxd5 Dd4+ 17.Kh1 Dxd5 18.Dxh6 Sg6 19.Sg5 Lf5 20.Dg7 Tf8 21.Se6+ Lxe6 22.Txf8+ Sxf8 23.Dxf8+ Kd7 24.Dxa8 Se5 25.Dh8 Sg4 26.Dxh7+ Kd6 27.Dg6 Se5 28.Dg3 „und Weiß gewinnt schließlich, da der weiße Turmbauer auf dem rechten Flügel erfolgreich vordringen kann.“ MARÓCZY, S. 111-112.

[14] Anm. d. Üb.: Gemeint ist der Zug 3...a6, nach den einleitenden Zügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5.

[15] Anm. d. Üb.: Hier der komplette Text der Partie: PAULSEN-MORPHY, New York (m/6) 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.Lb5 Lc5 5.0–0 0–0 6.Sxe5 Te8 7.Sxc6 dxc6 8.Lc4 b5 9.Le2 Sxe4 10.Sxe4 Txe4 11.Lf3 Te6 12.c3? Dd3 13.b4 Lb6 14.a4 bxa4 15.Dxa4 Ld7 16.Ta2? (16.Da6!) Tae8 17.Da6 Dxf3! 18.gxf3 Tg6+ 19.Kh1 Lh3 20.Td1 Lg2+ 21.Kg1 Lxf3+ 22.Kf1 Lg2+ 23.Kg1 Lh3+ 24.Kh1 Lxf2 25.Df1 Lxf1 26.Txf1 Te2 27.Ta1 Th6 28.d4 Le3 0:1. Nach MARÓCZY, S. 45-46.

[16] Anm. d. Üb.: JOHN MILNE BRAMWELL (1852-1925), britischer Arzt, beschäftigte sich mit Hypnose. Hauptwerk: Hypnotism: Its History, Practice and Theory, London 1903.

[17] Am 22.November 1856.

[18] Anm. d. Üb.: FREUDS Hauptwerk, Die Traumdeutung, erschien 1900.

[19] Anm. d. Üb.: Imago ist ein tiefenpsychologischer Terminus, der ein idealisiertes Bild von Personen, in erster Linie von Vater und Mutter, bezeichnet, das unbewußt bereits in der frühen Kindheit entsteht und spätere Entscheidungen und Handlungen des erwachsenen Menschen (stark) beeinflussen kann.

[20] F. M. EDGE, Exploits and Triumphs of Paul Morphy, 1859.

[21] Anm. d. Üb.: LOUIS AGASSIZ (1807-1873), amerikanischer Zoologe, Paläontologe und Geologe schweizerischer Herkunft.

[22] Anm. d. Üb.: OLIVER WENDELL HOLMES (1809-1894), amerikanischer Arzt und Schriftsteller.

[23] Anm. d. Üb.: HENRY WADSWORTH LONGFELLOW (1807-1882), amerikanischer Dichter und Übersetzer. Bedeutendste Werke: die Versepen Evangeline (1847) und Das Lied von Hiawatha (1855).

[24] Anm. d. Üb.: JAMES RUSSELL LOWELL (1819-1891), amerikanischer Schriftsteller. Gilt neben LONGFELLOW als einer der einflußreichsten Literaten seiner Zeit in den USA. Bedeutend sind seine Verssatiren im Yankee-Dialekt Biglow Papers (1848, eine zweite Serie 1867), wie auch seine Prosawerke Among my Books (1870) und My Study Windows (1871).

[25] Anm. d. Üb.: Der Sezessionskrieg 1861-1865. Der erste als „moderner“ Krieg bezeichnete Krieg, „das heißt, den Ausschlag gaben allein die technische Überlegenheit und die Menge des eingesetzten Materials, wie dann in den meisten Kriegen des 20. Jahrhunderts. Es sollen schon Explosivgeschosse, Handgranaten, Flammenwerfer, Minen und Seeminen, Ballons, Panzerschiffe zum Einsatz gekommen sein, ja, ein in Alabama gebautes Unterseeboot, das 1864 vor Charleston ein Kriegsschiff versenkte, wobei es selbst unterging.“ (Zitiert nach: KARLHEINZ DESCHNER: Der Moloch (4. Auflage), München 2002, S. 129.) In diesem Krieg kämpften die „Konföderierten“, 1861 aus dem Staatenbund ausgetretenen, Südstaaten (Hauptstadt Richmond) gegen die Nordstaaten, die an der Union festhielten. Ein verbissen geführter, ungemein blutiger und grausamer Krieg, bei dem es rund 600.000 Tote sowie unbeschreibliche Verwüstungen von riesigen Landstrichen gab. Der wirtschaftlich und technisch überlegene Norden setzte sich schließlich durch. Die Widerwärtigkeiten und Unmenschlichkeiten, die dieser Krieg der amerikanischen Bevölkerung brachte, werden gerne durch die (formell) herbeigeführte Sklavenbefreiung gerechtfertigt, die Befreiung der Sklaven gar als Hauptgrund des Krieges angeführt – ich weise besonders auf das oben zitierte Werk DESCHNERS hin, das diesem Mythos seine Daseinsgrundlage entzieht (durch viele eindeutige Zitate der Zeitgenossen und Verantwortlichen des Krieges, wie auch durch stringente Schlußfolgerungen) und die v. a. wirtschaftlichen Gründe dieser jedes menschliche Gefühl verletzenden Menschenschlachtung betont. New Orleans, MORPHYS Heimatstadt, gelegen im Staate Louisiana, am Mississippi-Delta im Norden des Golfes von Mexiko, wurde durch eine Flotte der Union im April 1862 erobert.

[26] In der Diskussion dieses Essays maßen Dr. BRYAN und Frau SEARL der Wirkung dieser Episode auf MORPHYS Gemüt große Wichtigkeit bei, und ich bin geneigt, ihnen zuzustimmen; es könnte sich hierbei sogar um eine beschleunigende Ursache für seine Psychose handeln, wie die Londoner Erfahrungen es für seine Neurose waren.

[27] Anm. d. Üb.: Ich zitiere die Übersetzung von REINHARD KAISER aus REUBEN FINE: Die Psychologie des Schachspielers, Frankfurt/Main 1982, S.36: „Er wird das Banner Kastiliens mit dem Ruf, die Stadt sei gewonnen, auf die Mauern Madrids pflanzen, und der kleine König geht ganz beschämt von dannen“.

[28] Anm. d. Üb.: Vgl. zu BROWNING die Fußnote 11. Pictor Ignotus kann im Netz vollständig gelesen werden: http://whitewolf.newcastle.edu.au/words/authors/B/BrowningRobert/verse/dramaticromances/pictorignotus.html

[29] Anm. d. Üb.: Wieder ein Zitat aus Andrea del Sarto: Vgl. http://eir.library.utoronto.ca/rpo/display/poem264.html (Zeilen 168-170)

[30] Anm. d. Üb. Hier zitiert JONES wieder aus dem Pictor Ignotus.

[31] Dagegen kann man einwenden, dies gebe ich zu, daß kein Geringerer als Meister SAINT-AMANT behauptete, daß „MORPHY allen seinen Gegnern in Zukunft eine Vorgabe geben muß.“

[32] Wie schön MORPHY das Spiel ‚moralisierte’ wird aus der folgenden Passage der bereits zitierten Rede ersichtlich: „Es ist nicht nur die reizvollste und wissenschaftlichste, sondern auch die am meisten moralische Vergnügung.  Anders als andere Spiele, bei denen die Gewinnsucht Ende und Ziel der Teilnehmer ist, empfiehlt es sich dem Klugen, nämlich durch die Tatsache, daß seine mimischen Schlachten nicht für Preis und Ehre geführt werden. Es ist besonders und nachdrücklich das Spiel des Philosophen. Lassen Sie das Schachbrett über den Kartentisch siegen und eine größere Verbesserung wird sichtbar in der Moral der Gesellschaft.“

[33] Um nochmals aus der erwähnten Rede zu zitieren: „Schach wurde niemals und kann auch niemals als etwas anderes betrachtet werden als eine Erholung. Es sollte nicht zum Schaden anderer, wichtigerer Beschäftigungen verhätschelt werden – es sollte nicht die Gedanken derer verzehren oder fesseln, die an seinem Schrein verehrungsvoll beten, sondern es sollte im Hintergrund bleiben, eingeschränkt auf den ihm zukommenden Bereich. Als ein purer Zeitvertreib, als eine Entspannung von den anstrengenden Bestrebungen des Lebens, verdient es hohe Empfehlung.“

[34] Dr. GLOVER drückte eine ähnliche Schlußfolgerung in seinem vor der Gesellschaft vorgetragen Papier ‚Sublimation, Substitution and Social Anxiety’, im Oktober 1930, aus.

[35] Anm. d. Üb.: Hier wird Bezug genommen auf FREUDS vielleicht größte Leistung in der Psychoanalyse, die Beschreibung des ‚psychischen Apparates’, den Aufbau des Seelenlebens, das in drei funktional zusammenhängenden Schichten gegliedert wird: das Ich (Die bewußte Instanz der Psyche, die Wahrnehmung, Erinnerung, Denken, Planen und Lernen steuert. Sie steht in Kontakt mit den Anforderungen des Es und den moralischen Forderungen des Über-Ich), das Es (Bezeichnung für das Unbewußte, das der Kontrolle des Ich entzogen ist und den Bereich der Antriebe repräsentiert.) und das Über-Ich (Diese Instanz vertritt die Maßstäbe, Werte und Einstellungen der Persönlichkeit und wehrt die Triebregungen des Es, die mit seinem Anspruch unvereinbar sind, ab. Ein zu strenges Über-Ich gilt als eine der Ursachen der Neurosen.).

[36] Das Originalmaterial, auf dem dieser Essay fußt, kann im weitesten in den bibliographischen Verweisen der Encyclopedia Britannica (11. und 14. Auflage) verfolgt werden. Dazu zählt auch P. W. SERGEANTS Morphy’s Games of Chess (1921). Ich bin Herrn SERGEANT in hohem Maße verpflichtet für seine Hilfestellung, die sich darin äußerte, daß er mir viel unveröffentlichtes Material zur Verfügung stellte, darunter auch das Manuskript seines nächsten Buches über MORPHY. Ebenso verbunden bin ich PAUL MORPHYS Nichte, Frau MORPHY-VOITIER aus New Orleans, die mich freundlichst mit viel nützlichen Informationen über ihn und seine Familie versorgte.

 

 

 


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