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Europamannschaftsmeisterschaft in Plovdiv
Von Thomas Luther
Plovdiv ist eine sehr schöne Stadt. Als wir aus dem schon
herbstlich-regnerischen Deutschland ankamen, schien auch noch die Sonne und es
war 20 Grad warm. Später wurde das Wetter schlechter und unsere Leistungen auch.
In der Turniermitte hatten wir beide unsere Durchhänger: die deutsche
Mannschaft und das Wetter. Als es dann wieder sonniger wurde, haben wir auch
wieder besser gespielt.
Wir sind mit viel Euphorie in das Turnier gestartet und hatten uns viel
vorgenommen. Schließlich waren wir ja Dritter der letzten Europameisterschaft in
Leon 2001. Damals hatten unsere Nachbarn aus der Niederlande gewonnen. Wenn wir
diesmal vor den Holländern landen würden, müsste die Platzierung doch ganz gut
sein, hatten wir uns überlegt. Am Ende hatten wir das auch geschafft, nur leider
stimmte die Überlegung mit der Platzierung nicht.
Diesmal wurde erstmals nach Mannschaftspunkten gewertet, früher wurden ja immer die Brettpunkte zusammen gerechnet. Es hieß, dass uns das zugute käme. Tatsächlich haben wir am Ende nach Buchholzwertung eine bessere Platzierung erreicht, als wenn die Brettpunkte gezählt hätten.
Das Turnier war diesmal deutlich besser besetzt als die letzte
Europameisterschaft in Leon. Wenn man sich nur die Aufstellung der Russen
anschaut, weiß man Bescheid. Als wir die ersten beiden Matches nur ganz knapp
gewannen, wussten wir schon, dass es nicht so leicht wird, wie wir das
vielleicht erhofft hatten. Wir bekamen dann mit Israel ein schweres Los und
verloren knapp mit 2,5:1,5. Alexander Graf musste mit Schwarz gegen Gelfand ran
und verlor die entscheidende Partie. Gelfand ist einer der absoluten
Topleute in der Welt und das kann jedem passieren. Am Ende wurde Israel Zweiter.
Wir konnten uns dann in einem turbulenten Match gegen Kroatien durchsetzen und
verloren danach leider gegen Frankreich. Ich war es, der den entscheidenden
Punkt gegen Degraeve weggab. Meine einzige Verlustpartie. Ärgerlich. Wenn wir gewonnen hätten, wären wir mit
8 Punkten oben dabei gewesen und wären vielleicht gegen Russland gekommen. Wer
weiß, wie es dann gelaufen wäre. Stattdessen mussten wir gegen die starken
Ukrainer ran und das ging dann völlig schief. Danach war die Luft bei uns auch
schon etwas raus, da jetzt klar war, dass wir hier keinen Blumentopf mehr
gewinnen konnten. Immerhin gab es dann am Schluss noch einen einigermaßen
versöhnlichen Abschluss mit zwei Siegen.
Platz Elf in der Schlussabrechnung ist natürlich nicht so toll. Für mich war es
das erste Mal, dass wir mit nur fünf Mann gespielt haben. Es ist natürlich
besser, wenn man mit zwei Ersatzleuten spielt, wie bei der Olympiade. Wenn man
dann einen in der Mannschaft hat, der nicht in Form ist - das kommt immer wieder
vor, mir ist das auch schon so ergangen - kann man das besser kompensieren.
Diesmal lief es bei zwei Spielern, bei Alexander und bei Christopher nicht gut.
Mit nur einem Ersatzspieler kann man das schlecht ausgleichen.
Der Bundestrainer Uwe Bönsch hat wie immer sein Bestes gegeben und uns neu
motivieren können, auch nach der heftigen Klatsche gegen die Ukraine. Die
Stimmung in der Mannschaft war trotz der Rückschläge sehr gut. Zum ersten Mal
war auch Jan Gustafsson dabei, der seine Sache gut gemacht hat und mit dem sich
der Altersdurchschnitt reduziert hat. Für das nächste Turnier haben wir uns auch
wieder viel vorgenommen. Es wird die Schacholympiade sein, die 2004 in Mallorca
stattfindet.
In der Vergangenheit hat Deutschland bei den Mannschaftsturnieren ganz ordentlich abgeschnitten: Zweiter bei der Olympiade in Istanbul, Dritter bei der Europameisterschaft in Leon und Vierter bei der Mannschafts-WM in Erevan. Der 14. Platz bei der Olympiade in Bled war weniger gut und der jetzige elfte Platz begeistert auch nicht. In Mallorca wollen wir wieder an die besseren Ergebnisse anknüpfen und wieder angreifen.
Zum Turnierort möchte ich noch sagen, dass die Messehalle, in der wir gespielt haben, sehr komfortabel und geräumig war. Es gab viele Zuschauer. So viele, dass man als Spieler durch die Gänge mit den Zuschauern gar nicht durchkam. Als besonderes Vorkommnis gab es die erstmalige Null-Wertung einer Partie wegen eines klingelnden Handys. Ponomariov hat es getroffen. Erwähnenswert ist noch ein Stromausfall in der achten Runde, als wir gegen Griechenland spielten. Für eine halbe Stunde ging gar nichts. Was soll man sagen: So was ist unangenehm, aber es passiert eben. Am nächsten Tag hat sich der Leiter der Messe persönlich entschuldigt.
Das Frauenteam litt unter der Absage von Ketino Kachiani-Gersinska, die nicht zu ersetzen ist. Sie hat ein Baby bekommen und das ist sicher der beste Grund, so einen Wettbewerb abzusagen. Ich weiß auch nicht. ob das Format, Wertung nach Mannschaftspunkten bei zwei Spiererinnen, besonders geschickt ist. Zwei sind doch eigentlich noch keine Mannschaft. Bei drei Spielerinnen hätten man das Problem mit der ungleichen Farbeverteilung, also wären auch hier Viererteams das Beste. Doch wie immer spielen auch die Kosten eine große Rolle. Viererteams kosten eben einfach doppelt so viel wie die jetzigen Zweierteams.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass mir das Spielen in der Nationalmannschaft viel Spaß macht. Das liegt wohl auch daran, dass wir früher in der DDR kaum Nationalmannschaftswettbewerbe mitgespielt haben. Als die DDR 1988 wieder bei einer Olympiade mitspielte, hat man mich dann leider nicht mitgenommen. Damals war ich 19 Jahre alt und unglaublich enttäuscht. Umso mehr freue ich mich jetzt, wenn ich in der Nationalmannschaft dabei sein darf.